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Onkologie
Lymphödeme erfordern lebenslange Behandlung
Das Lymphsystem ist ein Netz von Gefäßen, das weitgehend parallel zu den venösen Blutgefäßen den ganzen Körper durchzieht. Es besteht aus dem Lymphgefäßsystem und den lymphatischen Organen Thymus und Knochenmark (primär lymphatisches Gewebe) sowie Milz, Lymphknoten und Mucos-assoziiertem lymphatischem Gewebe (MALT). Durch die durchlässige Wand der Lymphkapillaren können neben überflüssiger Zellflüssigkeit auch größere Moleküle und Partikel aus dem Gewebe abtransportiert werden. Ähnlich wie die Venen verfügen die größeren Lymphgefäße über Rückstauklappen, die ein Zurückfließen von Lymphflüssigkeit in das Gewebe verhindern. Die Lymphkapillaren münden in Lymphbahnen und diese wiederum in Lymphknoten. Von dort aus wird die gefilterte und gereinigte Lymphe in großen Sammelbahnen weitergeleitet. Der Transport der Lymphe erfolgt durch rhythmische Kontraktionen der glatten Lymphgefäßmuskulatur. Die Lymphe der unteren Körperhälfte sammelt sich im Ductus thoracicus (Milchbrustgang), der in die obere Hohlvene mündet. Auch die Lymphe aus Kopf-, Hals- und Armbereich gelangt in die obere Hohlvene. In Herznähe werden die transportierten Substanzen wieder in die Blutbahn zurückgeleitet, anschließend von der Leber herausgefiltert und ausgeschieden. Die Darmlymphe transportiert Nahrungsfette, die nicht von den Blutkapillaren direkt aufgenommen werden können, aus dem Darm in die Blutbahn. Täglich entstehen etwa zwei Liter Lymphe im Lymphsystem.
Im Lymphgefäßsystem wird die Lymphflüssigkeit über größere Lymphgefäße in das Venensystem zurückgeführt. Kann die Lymphflüssigkeit nicht abtransportiert werden, tritt sie in das umliegende Gewebe aus und es entstehen Lymphödeme, die zu sichtbaren Schwellungen führen. Diese treten vor allem in Beinen und Armen, weniger häufig am Kopf, am Rumpf oder an den Geschlechtsteilen auf.
Man unterscheidet zwei Arten von Lymphödemen:
- Das primäre Lymphödem, bei dem eine angeborene Schädigung des Lymphsystems vorliegt, und
- das sekundäre Lymphödem, bei dem die Schädigung des Lymphsystems erworben ist.
Hinweise für Patienten mit einem ArmlymphödemVerletzungen vorbeugen
Verhalten im Alltag
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Primäre Lymphödeme
Etwa ein Drittel aller Lymphödeme sind primäre Lymphödeme. Häufig sind Mädchen und jüngere Frauen betroffen. In den meisten Fällen treten primäre Lymphödeme an den Beinen, selten auch an den Armen auf. Ursachen sind eine Fehlanlage der Lymphgefäße (häufigste Form) oder der Lymphkollektoren, ein angeborenes Fehlen der Lymphbahnen sowie eine Lymphknotenfibrose. Hinweise für ein primäres Lymphödem sind
- allmählicher Beginn
- langsam zunehmende Schwellung
- aufsteigende Ausbreitungsrichtung (erstes Auftreten an Zehen, dann Ausbreiten auf die Unterschenkel und zuletzt auf die Oberschenkel)
- Fußrückenödem
- Stemmersches Zeichen (die Hautfalte über der zweiten und dritten Zehe bzw. Finger ist verbreitert, verdickt, schwer oder überhaupt nicht abhebbar)
Die Beschwerden können in vier Schweregrade unterteilt werden:
- Stadium I: Latentes Ödem. Mechanische Insuffizienz des Lymphsystems ohne Ödembildung und ohne Beschwerden. Der Lymphabfluss ist gestört, kann aber noch kompensiert werden.
- Stadium II: Reversibles Ödem. Schweregefühl und abendliche Schwellung der betroffenen Extremität, die sich über Nacht zurückbildet.
- Stadium III: Chronisch irreversibles Ödem. Das Ödem ist deutlich verhärtet; in diesem Stadium ist keine selbstständige Rückbildung mehr möglich.
- Stadium IV: Elephantiasis. Extreme Ödemausdehnung mit Hautveränderungen und starken Beschwerden und Einschränkungen der Beweglichkeit.
Das primäre Lymphödem kann jahrelang unverändert sein und erst durch Operationen und Unfälle in ein schweres Krankheitsstadium übergehen.
Sekundäre Lymphödeme
Sekundäre Lymphödeme treten etwa doppelt so häufig auf wie primäre Lymphödeme. Im Gegensatz zum primären Lymphödem, das zunächst körperfern auftritt, beginnen sie körpernah, das heißt direkt am Oberarm oder am Oberschenkel. Typisch sind teigige Eigenschaften der betroffenen Hautpartie und das Ausbleiben von Dellen nach einem mechanischen Druck mit den Fingern. Mögliche Ursachen sind:
- Operationen
- Bestrahlungen
- Unfälle, Verletzungen
- Entzündungen
- Parasiten
- Borreliose
- Metastasen
- Selbstschädigung
Am häufigsten treten sekundäre Lymphödeme bei onkologischen Patienten nach Operationen und Bestrahlungen auf. Diese Komplikation kann sich unmittelbar nach dem Eingriff oder nach einer gewissen Latenzzeit manifestieren. Die meisten sekundären Lymphödeme bilden sich bei Tumoren im Brust-, Becken- und Kopf-Hals-Bereich.
Entstauungstherapie
Primäre und sekundäre Lymphödeme werden mithilfe der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE) behandelt. Diese wirkt sowohl auf die Lymphbildung wie auch auf den Lymphtransport. Die Verbesserung des Lymphtransportes wird durch eine manuelle Lymphdrainage erzielt, bei der die Verschiebung der Lymphe in ödemfreie Gebiete angestrebt wird. Die dabei eingesetzten Griffe richten sich nach dem Verlauf der Lymphgefäße. Einer Richtlinie zufolge soll die manuelle Lymphdrainage im Durchschnitt je nach Ödemstärke 30 bis 60 Minuten dauern und zwei- bis dreimal wöchentlich durchgeführt werden. Bei gering ausgeprägten Ödemen ist eine ambulante Behandlung ausreichend; sie kann aber mehrere Jahre erforderlich sein. Bei schweren Ödemen ist eine stationäre Therapieeinleitung notwendig, um therapeutische Maßnahmen festzulegen. Eine nachfolgend ambulante Therapie kann ebenfalls mehrere Jahre dauern.
Beim einseitigen Lymphödem der Beine oder Arme ist eine Behandlung zur gesunden Seite hin sinnvoll, um den Abfluss über Lymphgefäßverbindungen (Anastomosen) zu fördern. Nach der Verringerung des Ödems erfolgt die Kompressionsbehandlung. Hier wird durch Anlegen eines Kompressionsverbandes die erreichte Entstauung konserviert und optimiert. Nach der Beseitigung des Ödems kann der Kompressionsverband durch einen Kompressionsstrumpf oder eine Kompressionshose ersetzt werden.
Die medikamentöse Therapie spielt eine untergeordnete Rolle. Diuretika sind in der Regel nicht angezeigt, da den proteinreichen Lymphödemen lediglich Wasser entzogen wird, was zu einer Erhöhung der Eiweißkonzentration und fibrosklerotischen Prozessen führt. Im Bedarfsfall kann durch einen operativen Eingriff der Lymphabfluss verbessert werden.
Lymphödeme nach Brustkrebs
Sekundäre Lymphödeme treten vor allem nach Brustkrebsoperationen mit Ausräumung der Achsellymphknoten auf. Zu Beginn ist das Lymphödem auf den Oberarm beschränkt, es kann sich aber auch über den ganzen Arm und die Hand ausbreiten. Das Risiko für ein sekundäres Lymphödem hängt von der angewandten Operationstechnik und der Anzahl der entfernten Lymphknoten ab. Nach einer Mastektomie mit Entfernung der Achsellymphknoten treten bei etwa 40% aller betroffenen Frauen sekundäre Lymphödeme auf. Nach brusterhaltenden Operationen und insbesondere bei der Entfernung von nur einem oder zwei Wächterlymphknoten (Sentinel-lymph-node-Methode) ist das Risiko mit etwa 3% deutlich geringer. Bei einer brusterhaltenden Operation und axillärer Lymphadenektomie liegt die Inzidenz für ein Lymphödem bei 20 bis 30%. Das sekundäre Armlymphödem muss von einem vorübergehenden postoperativen Oberarmödem unterschieden werden, das sich erfahrungsgemäß nach Wochen zurückbildet.
Unerwünschte ArzneimittelwirkungMedikamente, die zu einer Ödembildung führen bzw. das Lymphödem verstärken können
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Brustkrebspatientinnen über Ödemschutz informieren
Einer diesjährigen Befragung am Reha-Zentrum Bad Nauheim zufolge werden offenbar zu wenige Patientinnen vor einer Brustkrebsbehandlung darüber informiert, wie sie Lymphödeme verhindern können. Denn trotz schonender operativen Techniken und Bestrahlungsmethoden trat bei 17% von 1000 befragten Brustkrebspatientinnen ein Armlymphödem auf. Nur etwa zwei Fünftel der Teilnehmerinnen waren vor oder kurz nach dem Eingriff von ihrem behandelnden Arzt darüber informiert worden, wie sie der Entwicklung eines Lymphödems am besten vorbeugen können.
Verhalten im Alltag nach einer Brustoperation
Im "Manual Mammakarzinome" des Tumorzentrums München werden folgende Empfehlungen aufgeführt, die auch in einem Merkblatt für Patientinnen zusammengefasst sind:
- Beachten Sie, was das Ödem verstärkt, was es mindert; das kann individuell sehr unterschiedlich sein. Nach ödemverstärkenden Tätigkeiten, wenn diese notwendig sind oder Spaß machen, wie Beruf oder Sport, möglichst nachruhen, eventuell den Arm hochlagern. Einwirkung von Wärme hat ähnliche Wirkung und sollte vermieden werden. Wird aber Sauna oder Baden im Thermalwasser als angenehm empfunden, so sollte die Verweildauer relativ kurz und die Nachruhe lange gehalten werden. Bei Aufenthalt in warmen Ländern direkte Sonneneinstrahlung möglichst meiden.
- Entlasten Sie den ödematösen Arm bzw. lagern Sie diesen hoch, wo immer es geht, (ca. 30° über die Horizontale) zur Nutzung der Schwerkraft. Bei Unterarm-Handödem sollte der Arm nicht dauernd abgewinkelt gehalten werden, da sonst das Ödem zunehmen kann.
- Bei deutlicher Überwärmung des Ödembereichs können Eispackungen auf die Kleidung bzw. den Kompressionsstrumpf gelegt werden. Bei Brustödem werden auch gerne Quarkwickel aufgelegt. Erfahrungsgemäß nimmt das Brustödem über Monate und Jahre ab, auch ohne regelmäßige Lymphdrainagen.
- Tragen Sie einen gut sitzenden Kompressionsstrumpf nach Maß bei allen belastenden Tätigkeiten, also meistens tagsüber. Falls otwendig, nachts Kompressionsverband anlegen.
- Vermeiden Sie Verletzungen, vor allem im Ödembereich. Durch kleine Wunden können sich Hautkeime im gestauten Gewebe ausbreiten und zu einer Wundrose (Erysipel) führen mit Schmerzen, Rötung, hohem Fieber und deutlichem Krankheitsgefühl. Sofortige Ruhe und die Einnahme von Antibiotika ist hier angezeigt.
Blutdruckmessen, Injektionen, Infusionen und ähnliches sollte möglichst auf der nicht betroffenen Seite durchgeführt werden – lebenslang! Bei beidseitigem Ödem den besseren Arm zur Blutabnahme nehmen und die Haut sehr gut desinfizieren.
Bei plötzlich auftretendem Ödem bzw. deutlicher Ödemzunahme ohne ersichtlichen Grund sollte immer eine Metastasierung im Lymphabflussgebiet ausgeschlossen werden.
Treten Entzündungen am ödematösen Arm bzw. Bein auf, so sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden. Gleiches gilt beim Auftreten einer bakteriellen Infektion (Fieber, Rötung, Schüttelfrost), bei Ekzemen oder Pilzerkrankungen. Auch sollte vor der Familienplanung ein Gefäßspezialist konsultiert werden.
Hinweise für Patienten mit BeinlymphödemVerletzungen vorbeugen
Allgemeine Verhaltensregel
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Komplikationen beim Lymphödem
Durch kleine Aufschürfungen oder Wunden können Streptokokken oder seltener Staphylokokken eindringen und sich durch die Lymphbahnen ausbreiten. Typisch für diese Lymphangitis ist ein roter Streifen, der sich vom Infektionsherd aus in Richtung Lymphknoten ausdehnt. Ferner können die Lymphknoten geschwollen sein. In seltenen Fällen entzündet sich das angrenzende Gewebe oder es entstehen Geschwüre. Die Erreger können innerhalb von Stunden in die Blutbahn gelangen, bei fehlender Behandlung kann die Krankheit unter diesen Umständen tödlich verlaufen. Bei richtiger Behandlung sind Komplikationen wie Gewebsentzündungen und Geschwürbildungen selten, die Symptome verschwinden innerhalb weniger Tage und die Lymphangitis heilt vollständig ab. Die Therapie erfolgt antibiotisch; präventiv sollten Hygienemaßnahmen eingehalten werden.
Dringen über kleine Hautläsionen, wie etwa bei einer interdigitalen Mykose, Erreger – meist Streptokokken – ein und verursachen scharf begrenzte, "landkartenartige" Rötungen sowie Fieber und Schüttelfrost, so spricht man von einem Erysipel (Wundrose). Eine antibiotische Therapie ist erforderlich.
Als Lymphfisteln bezeichnet man neu entstandene Verbindungen zwischen Lymphbahnen, die nach Verletzungen oder operativen Eingriffen auftreten können. Therapeutisch wird ein straffer Kompressionsverband angelegt.
Beim Lymphangiosarkom oder Stewart-Treves-Syndrom handelt es sich um einen selten auftretenden bösartigen Tumor. Erste Zeichen sind schmerzlose, blutergussähnliche Flecken im Bereich der geschwollenen Extremität. Da der Tumor schnell metastasiert, ist in der Regel eine Amputation erforderlich.
Quelle Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. 2. Auflage. Zuckschwerdt Verlag 2008. Herpertz U.: Ödeme und Lymphdrainage. 2. Aufl. Schattauer Verlag (2004). Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen. 9. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2008. Ödemschutz nach Brustkrebs – da sind Hausärzte gefragt! Ärzte Zeitung online vom 15. Mai 2008. Janni W.: Mammakarzinom. Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Herausgegeben vom Tumorzentrum München. 11. Auflage 2007, Zuckschwerdt Verlag. Dingermann T., Vollmar A.: Immunologie. Grundlagen und Wirkstoffe. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (2005). Schmoll, H.-J., Höffken K. und Possinger, K. (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie. 3 Bde., 4. Aufl., Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2005.
Anschrift der Verfasserin:Apothekerin Dr. Petra JungmayrParacelsusstr.73730 Esslingen
Internet
www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/ll_list.htm (Leitlinie Sozialmedizin – Mammakarzinom)
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