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Deregulierung: große Wünsche, kleine Hoffnung

BERLIN (ks). Die Arzneimittelversorgung in Deutschland ist hochgradig reguliert. Ob Rabattverträge, Festbeträge, Zuzahlungsfreistellungen oder Importquote – der gesetzlich vorgesehene Instrumentenkoffer ist reichhaltig gefüllt. Die Regelungen sind auch für Eingeweihte kaum noch zu durchschauen und widersprechen sich überdies zunehmend. Diese Einsicht einte Vertreter der Pharmaindustrie, Krankenkassen und Gesundheitsökonomie vergangene Woche bei einer Diskussionsrunde des Branchenverbandes Pro Generika.

"Die unsägliche Rumpelkammer an Steuerungsinstrumenten muss ausgelüftet werden", forderte Pro Generika-Geschäftsführer Peter Schmidt am 30. Januar anlässlich des "3. Berliner Dialog am Mittag zur zukünftigen Arzneimittelversorgung in Deutschland". Das "Gestrüpp" sei mittlerweile so dicht, dass kaum noch jemand durchblicken könne. Seit 20 Jahren kämen beständig neue Regelungen hinzu – weggefallen sei jedoch noch keine. Allerdings sieht Schmidt "null Chance", dass der Gesetzgeber in dieser Legislaturperiode noch aktiv wird. Denn ein solches Vorhaben müsste noch in diesem Jahr – bevor der Bundestagswahlkampf startet – abgehakt werden.

Inkonsistente Regelungen

DAK-Chef Herbert Rebscher hält ebenfalls wenig von der Regulierungswut des Gesetzgebers. Auch wenn nun Rabattverträge für mehr Verhandlungsfreiheiten sorgten und Dynamik in ein kleines Segment des GKV-Marktes gebracht hätten, sei die jüngste Gesundheitsreform das "gröbste Regulierungsgesetz der letzten Jahre". Gerade auch im Arzneimittelbereich seien "einfache und klare" Regelungen von Nöten, die es Ärzten und Apothekern ermöglichten, den Durchblick zu behalten. Den Gesetzgeber regte Rebscher an, künftig zu "denken, bevor man das Bundesgesetzblatt beschmiert". Der Vorsitzende des Gesundheitssachverständigenrates, Eberhard Wille, betonte, dass es in der GKV zwar gewisser Regulierungen bedürfe – doch das derzeit bestehende Instrumentarium mit all seinen Interdependenzen und seiner Intransparenz sind keinesfalls das, was dem Gesundheitsökonomen vorschwebt. So bissen sich beispielsweise Rabattverträge mit den Regelungen zu Richtgrößen, Importförderung und der Bonus-Malus-Regelung. Im Ergebnis führten sie zwangsläufig zu "inhärenten Zielkonflikten" für die Betroffenen, so Wille. Seine Lösung für eine vernünftig geregelte Steuerung der Arzneimittelausgaben hat der Gesundheitsökonom bereits im Sommer 2006 in einem Gutachten für die Bundesregierung vorgestellt. Neben einer allgemeinen Positiv- oder Negativliste für die gesamte GKV, plädiert er für kassenindividuelle Positivlisten mit Arzneimittelvergleichsgruppen.


Pro Generika mit größerem Vorstand

Die Pro Generika-Mitgliederversammlung hat am 29. Januar ihren Vorstand neu gewählt. Dem Gremium gehören jetzt sechs statt zuvor fünf Mitglieder an. In ihren Ämtern als Vorstandsvorsitzender und Stellvertretende Vorstandsvorsitzende wurden Wolfgang Späth (Hexal) und Anneliese Demberg (STADApharm) bestätigt. Als Schatzmeister wurde Dr. Ludger Hubl (Mylan dura) neu in den Vorstand gewählt. Sein Vorgänger Alois Brenner (Winthrop) gehört dem Vorstand weiterhin als Beisitzer an. Dr. Heike Streu (Basics) und Gerd Lehmann (ratiopharm) komplettieren als weitere Beisitzer den Vorstand. Wer dem im Februar ausscheidenden ersten Geschäftsführer Hermann Hofmann folgen wird, ist weiterhin offen. Bis dahin wird Peter Schmidt die Geschäfte des Verbandes alleine führen.

Teva: Deutschland hat zu viele Apotheken

Mehr Transparenz und abgespeckte Regeln wünschen sich auch die Genrikahersteller. Viele von ihnen fühlen sich bereits an die Wand gedrückt. Gerade diejenigen, die Rabattverträge abgeschlossen haben, sehen schon in der nächsten Festbetragsrunde keine Chance mehr, ihre Preise unter die Zuzahlungsfreistellungsgrenze abzusenken. "Das System kommt zu einem Punkt, an dem die Industrie aussteigen muss", erläuterte Hexal-Vorstandsmitglied Wolfgang Späth. Der Welt-Marktführer Teva, der sich in Deutschland erst durch die AOK-Rabattverträge ein festeres Standbein verschaffen konnte, freut sich zwar, dass es ihm endlich gelungen ist, die bestehenden Strukturen aufzubrechen – doch auch Teva-Deutschland-Chef Michael Ewers muss feststellen, dass es hierzulande um die Planungssicherheit der Unternehmen schlecht bestellt ist. Wenn er in die Zukunft blickt, ist für Ewers vor allem eines wichtig: Die Bezahlbarkeit und Qualität muss sichergestellt bleiben. Und nebenbei äußerte er auch eine Idee, was dabei helfen könnte: "Wer heute eine Blaupause für ein Gesundheitssystem macht, käme niemals auf die Idee, 21.000 Apotheken und 240 Krankenkassen einzurichten".

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