Arzneimittel und Therapie

Orale Kontrazeptiva können vor Ovarialkarzinom schützen

Dass zwischen der Einnahme oraler Kontrazeptiva und einem reduzierten Ovarialkrebs-Risiko ein Zusammenhang besteht, ist schon länger bekannt. Da Ovarialkrebs bei jungen Frauen nur selten auftritt und die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt, hängt die positive Wirkung auf die Häufigkeit von Ovarialkarzinomen davon ab, ob das reduzierte Risiko noch Jahrzehnte nach der Anwendung der hormonellen Verhütungsmitteln anhält. In einer großen Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass orale Kontrazeptiva einen deutlichen Langzeitschutz bieten: Je länger sie angewendet werden, desto stärker reduzieren sie das Krebsrisiko.

Über die langfristigen Folgen der Einnahme oraler Kontrazeptiva wird seit ihrer Einführung Anfang der 1960er Jahre kontrovers diskutiert. Orale Kontrazeptiva erhöhen die Inzidenz von Brustkrebs und Zervixkarzinomen, senken aber die Rate von Endometrium- und Ovarialkarzinomen. Wissenschaftler von der Collaborative Group on Epidemiological Studies of Ovarian Cancer werteten nun die bisher umfangreichste Datensammlung zu diesem Thema aus: 45 epidemiologische Studien zum Ovarialkarzinom flossen in eine Metaanalyse ein. Sie untersuchten 23.257 Frauen mit Ovarialkarzinom, von denen 7308 (31%) niemals orale Kontrazeptiva verwendet hatten, und 87.303 Frauen ohne Ovarialkarzinom, von denen 32.717 (37%) niemals orale Kontrazeptiva verwendet hatten. Bei den Frauen mit Ovarialkarzinom lag das mittlere Alter bei der Diagnose bei 56 Jahren. Die Frauen, die orale Kontrazeptiva verwendet hatten, nahmen diese in der Gruppe mit Ovarialkarzinom im Mittel 4,4 Jahre ein und in der Kontrollgruppe fünf Jahre.

Es zeigte sich, dass in Ländern mit hohem Einkommen eine Anwendung von oralen Kontrazeptiva über eine Zeitspanne von zehn Jahren die Wahrscheinlichkeit für ein Ovarialkarzinom im Alter von unter 75 Jahren von zwölf von 1000 Frauen auf acht von 1000 Frauen reduzierte und die Sterblichkeit von sieben pro 1000 Frauen auf fünf pro 1000. Damit muss die absolute protektive Wirkung allerdings als gering eingeschätzt werden.

Die Wissenschaftler der Collaborative Group fanden des Weiteren heraus, dass obwohl die Estrogen-Dosen bei oralen Kontrazeptiva über die Jahre signifikant reduziert worden sind. Die Präparate der 1960er Jahre enthielten häufig mehr als doppelt so viel Estrogen wie die Präparate 20 Jahre später. Es gab keine auffällige Veränderung im relativen Risiko für Ovarialkrebs zwischen Frauen, die orale Kontrazeptiva in den 1960ern, 1970ern und 1980ern angewendet hatten. Die Risikoreduktion variierte auch nicht substanziell aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit einer Frau, ihrem Ausbildungsgrad, dem Alter der ersten Periode, der Familiengeschichte von Brustkrebs, der Anwendung einer Hormonersatztherapie, dem Body-Mass-Index, ihrer Größe oder des Konsums von Alkohol und Tabak. Im Lancet schlussfolgern die Autoren, dass die Anwendung oraler Kontrazeptiva einen Langzeitschutz gegen Eierstockkrebs bietet. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass orale Kontrazeptiva schon um die 200.000 Ovarialkarzinomfälle und 100.000 Todesfälle aufgrund dieser Erkrankung verhindert haben.

Kontrazeptiva ohne Rezept?

In einem zugehörigen Leitartikel im Lancet wird eine Risiko-Nutzen-Abwägung zu oralen Kontrazeptiva angestellt. Der Artikel stellt zur Diskussion, ob orale Kontrazeptiva Frauen besser zugänglich gemacht werden sollten, um sie vor Ovarialkrebs zu schützen. Frauen sollten die Möglichkeit erhalten, orale Kontrazeptiva verschreibungsfrei kaufen zu können. Das würde eine große und unnötige Barriere beseitigen: Frauen könnten sich eigenständig auf der Basis der vorliegenden Daten dafür entscheiden, von den krebspräventiven Eigenschaften der oralen Kontrazeptiva zu profitieren, so die Einschätzung im Editorial des Lancet. In Deutschland sieht der Berufsverband der Frauenärzte e. V. das etwas anders. Von einer rezeptfreien Abgabe der oralen Kontrazeptiva hält Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, nichts. "Die ‚Pille‘ muss ein rezeptpflichtiges Arzneimittel bleiben, weil gewisse Risiken wie beispielsweise Thrombosen mit der Anwendung verbunden sind und sie daher unter Beachtung von Gegenanzeigen verschrieben werden muss", betont der Gynäkologe. "Der behandelnde Arzt muss zudem regelmäßig die Verträglichkeit und die Nebenwirkungen bei Patientinnen beurteilen, die individuell recht unterschiedlich ausfallen können.

 

Quelle

Collaborative Group on Epidemiological Studies of Ovarian Cancer. Ovarian cancer and oral contraceptives: collaborative reanalysis of data from 45 epidemiological studies including 23257 women with ovarian cancer and 87303 controls. Lancet (2008); 37; 303-314.

Franco, E. L.; Duarte-Franco, E.: Comment. Ovarian cancer and oral contraceptives. Lancet (2008); 37; 277-278.

The case for preventing ovarian cancer. Editorial. Lancet (2008); 37; 275.

Pille schützt langfristig vor Eierstockkrebs. Meldung des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. vom 1. Februar 2008.

 


ck

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