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DAZ aktuell
Deutsches Apothekenrecht im Visier der EU-Kommission
In dem der DAZ vorliegenden Schreiben vom 31. Januar führt McCreevy aus, dass Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge vier Voraussetzungen erfüllen müssen: "Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist". Die deutsche Regelung, wonach nur Apotheker eine Apotheke führen und maximal drei Filialen betreiben dürfen, erfüllt diese Voraussetzung nach Auffassung der Kommission nicht. Das gleiche gelte für die Bestimmung, dass nur bestimmte Rechtsformen juristischer Personen eine Apotheke betreiben dürfen.
Betreiber muss nicht Apotheker sein
Hinsichtlich der Bestimmung, dass Nicht-Apotheker vom Apothekenbetrieb ausgeschlossen sind, räumt McCreevy ein, dass es zwar ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel des Gesetzgebers sei, die öffentliche Gesundheit dadurch zu schützen, die gesamte Apotheke "in eine Hand" zu legen. Ein "glattes Verbot" sei zur Erreichung dieses Zieles aber weder erforderlich noch angemessen. Unter Bezugnahme auf das Optiker-Urteil des EuGH führt er aus, dass die Kommission nicht der Ansicht ist, "dass diese Apothekerqualifikation auch für die bloße Berechtigung zum Betrieb der Apotheke erforderlich ist, wenn in jeder Apotheke ein qualifizierter Apotheker anwesend ist, der für die Verwaltung, die Lagerung und die Abgabe der Arzneimittel zuständig ist". Dabei weist McCreevy darauf hin, dass offenbar selbst der deutsche Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Apothekerqualifikation eines Apothekenbetreibers nicht unerlässlich für die Qualität der Dienstleistung in den Apotheken und die Gewährleistung der öffentlichen Gesundheit ist – jedenfalls soweit in jeder Apotheke ein qualifizierter Apotheker anwesend ist. Dies ergebe sich etwa aus den Verpflichtungen, für jede Filialapotheke einen angestellten Apotheker für deren Leitung zu benennen und die persönliche Leitung einer Krankenhausapotheke einem angestellten Apotheker zu übertragen, aber auch aus der Möglichkeit, dass die Erben nach dem Tode des Apothekers Inhaber der Apotheke bleiben, auch wenn sie nicht über die erforderliche Qualifikation verfügen. Nicht zuletzt verweist McCreevy darauf, dass in Deutschland der Arzneimittelversandhandel aus dem Ausland gestattet sei. Der deutsche Gesetzgeber sehe somit bei ausländischen Unternehmen, die Arzneimittel an deutsche Kunden verkaufen, bewusst von der Anwendung des grundsätzlichen Verbots für Nicht-Apotheker, eine Apotheke zu betreiben, ab.
Keine Bedenken gegen Kapitalgesellschaften
Wenn in jeder Apotheke ein qualifizierter Apotheker anwesend ist, der für die Abgabe, Lagerung und Verwaltung der Arzneimittel zuständig ist, sieht die Kommission darüber hinaus keinen Grund, für Gesellschaften, die eine Apotheke betreiben wollen, eine bestimmte Rechtsform vorzuschreiben. Eine solche Maßnahme sei im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit nicht wirklich erforderlich und angemessen. Statt Kapitalgesellschaften grundsätzlich vom Apothekenbesitz auszuschließen, gebe es auch andere, weniger einschränkende Maßnahmen, z. B. die Kontrolle der Konten und Tätigkeiten der Gesellschaften sowie die Überprüfung der Integrität der Unternehmensvertreter oder der Hauptaktionäre.
Filialen: Räumliche Nähe nicht erforderlich
Schließlich hält die Kommission auch die Beschränkung auf drei Filialapotheken für nicht gerechtfertigt, da der zur Gewährleistung der Dienstleistungsqualität in einer öffentlichen Apotheke unabdingbare Faktor die Anwesenheit eines qualifizierten Apothekers sei. Ebenso ist die Kommission der Ansicht, dass – sofern die Anwesenheit eines Apothekers in jeder Apotheke gewährleistet ist – die Vorschrift der Nähe zwischen diesen Apotheken nicht notwendig ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen.
Bundesregierung ist am Zug
Die Bundesregierung ist nun aufgefordert, sich binnen zwei Monaten nach Eingang des Schreibens zu den Ausführungen der Kommission zu äußern. Danach behält sich die Brüsseler Behörde vor, eine Stellungnahme nach Artikel 226 EGV abzugeben – kommt Deutschland dieser Stellungnahme sodann innerhalb einer festgesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission den EuGH anrufen. Im Bundesgesundheitsministerium setzt man jedoch offenbar auf einen Aufschub des Verfahrens. Auf Anfrage von Frank Spieth (Die Linke), ob die Bundesregierung weiterhin bei ihrer Haltung zum Fremd- und Mehrbesitz bleibe, antwortete der parlamentarische Staatssekretär Rolf Schwanitz mit einer knappen Stellungnahme. Er verwies darauf, dass die Bundesregierung das Fremd- und Mehrbesitzverbot im DocMorris-Verfahren verteidigt habe. "Sachgerecht wäre es daher, wenn die EU-Kommission das neue Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im ersten Verfahren ruhen ließe. Ob dies möglich ist, ist noch zu prüfen".
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