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Kettenpolitik führt zu schweren Abgabefehlern
Aufhänger des Berichts ist der Fall eines fünfjährigen Jungen, dem statt Propranolol in kindgerechter Dosierung Methyltestosteron verabreicht wurde mit der Folge, dass er in die Pubertät eintrat. Die Abgabe erfolgte in einer Walgreen-Apotheke – und zwar nicht nur einmal, sondern in Form von durch die Apotheke ausgestellte Wiederholungsrezepte gleich mehrmals. Verantwortlich für den schweren Abgabefehler sind laut dem Bericht Zeitdruck und Personalmangel, die sich insbesondere in Kettenapotheken bemerkbar machten.
Überproportional belastet
Einer 2006 veröffentlichten Umfrage zufolge berichten Kettenapotheker vergleichsweise häufiger als unabhängige Apotheker über eine hohe bzw. zu hohe Arbeitsbelastung sowie häufige Unterbrechungen der Tätigkeit durch Telefonate und Anfragen. Zudem klagen sie über Personalmangel – sowohl bei den Apothekern selbst als auch beim technischen Personal. 46 Prozent der Kettenapotheker in den USA müssen der Umfrage zufolge täglich 160 und mehr Rezepte bearbeiten. Über alle Apotheken gerechnet, ergab sich eine derartige Rezeptmenge nur bei 36 Prozent, was für ein deutlich geringeres Rezeptaufkommen bei nicht bei Ketten angestellten Apothekern spricht.
Geschwindigkeit als Qualitätskriterium
In amerikanischen Kettenapotheken muss es offenbar vor allem schnell gehen. In seinen Richtlinien gibt Walgreen seinen Apothekern laut USA today vor, dass sie nicht mehr als zwei Minuten zum Bearbeiten eines Rezeptes benötigen dürfen. Für die Beratung eines Kunden mit einer neuen Verordnung bleibt da keine Zeit, wird ein ehemaliger Walgreen-Apotheker zitiert. Und auch die zweite große amerikanische Apothekenkette CVS legt dem Bericht zufolge hauptsächlich Wert auf Geschwindigkeit bei der Abgabe und überprüft ihre Angestellten auch auf die Einhaltung der vorgegebenen Zeiten. Als Anreiz für die Erfüllung der Zeitvorgaben erhalten Walgreen-Apotheker einen Bonus, der teilweise von der Steigerung des Rezeptvolumens abhängt, heißt es in dem Bericht. Und auch CVS-Apotheker würden hieran gemessen und honoriert.
Auf Kosten der Arzneimittelsicherheit gehen die Geschwindigkeitsvorgaben den beiden Unternehmen zufolge nicht. Sie berufen sich auf ihre Sicherheitssysteme, mit deren Hilfe die Fehlerrate bei der Abgabe auf ein Prozent reduziert worden sei. Der nun publik gewordene Fall des fünfjährigen Jungen sowie zahlreiche weitere Fälle von Abgabefehlern – teilweise mit tödlichem Ausgang – sprechen allerdings eine andere Sprache.
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