Gesundheitspolitik

Fremdbesitz: Celesio/Admenta versuchen Tatsachen zu schaffen

Dubiose Übernahmeangebote – Erwerb von Apotheken "in betriebsbereitem Zustand" trotz Fremdbesitzverbot – Experten warnen: Aus für Unabhängigkeit der Apotheke

Stuttgart (cr). Celesio lässt nicht locker: Über die Firma Admenta Deutschland GmbH, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Celesio AG, bereitet sich Europas größter Pharmagroßhändler auf den Tag X vor und lässt Apothekeneigentümern dubiose Übernahmeangebote unterbreiten. In dem Apothekenkaufvertrag, der unserer Zeitung vorliegt, wird der Apotheker verpflichtet, seine Apotheke bereits heute an die Admenta GmbH zu verkaufen – in "betriebsbereitem revisionsfähigem Zustand". Dass die Vereinbarungen auf rechtlich tönernen Füßen stehen, da es sich bei der Admenta um eine Kapitalgesellschaft handelt, scheint die Freunde des Fremdbesitzes nicht zu stören.

Obwohl das Urteil des Europäischen Gerichtshofes noch aussteht, versuchen Celesio & Co. in Sachen Fremdbesitz auf Teufel komm raus Tatsachen zu schaffen – auch wenn dabei das geltende Recht aus dem Blick zu geraten scheint. Die vorliegenden Apothekenkaufverträge, die Admenta unterbreitet, sprechen eine klare Sprache: Als neuer Apothekeneigentümer möchte die Kapitalgesellschaft – wie es im Kaufvertrag heißt – "schnellstmöglich die Erlaubnis zum Betrieb der Apotheke erlangen". Die Celesio-Tochter beabsichtigt, "am gleichen Tag, an dem die Entscheidung des EuGH (zum Fremdbesitzverbot) verkündet ist", ihre Apothekenbetriebserlaubnis bei der zuständigen Behörde zu beantragen.

Unmittelbarer Eingriff in die Leitung der Apotheke

Der vorliegende Kaufvertrag lässt an Deutlichkeit nichts vermissen: Zwar soll der Eigentumsübergang an Apotheke und Warenlager erst mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises erfolgen, gleichwohl räumt der Vertrag Admenta bereits jetzt und unmittelbar das Recht ein, "im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs der Apotheke Verkäufe an Dritte vorzunehmen"! Was darunter verstanden werden kann, lässt sich erahnen: So könnte nach dem Wortlaut der Klausel Admenta z. B. unmittelbar bestimmen, welche Waren in der Apotheke verkauft werden – und zwar bereits mit Vertragsunterzeichnung und unabhängig von der vollständigen Kaufpreiszahlung. Auch ist der Käufer jederzeit berechtigt, seine vertraglich erlangten Rechte und Pflichten "auf einen von ihm ausgewählten Dritten zu übertragen". Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Entbindung von der Schweigepflicht und Entlassungen

Auch der Kaufpreis für die Übernahme der Apotheke ist konkret beziffert. Er soll in vier Raten bezahlt werden: 10 Prozent mit Abschluss des Kaufvertrags, weitere 10 Prozent mit der "vollständigen Aushändigung aller Unterlagen und vertraglich fixierter Erklärungen des Verkäufers", 20 Prozent mit Einreichung des Antrags auf Erteilung der Betriebserlaubnis und weitere 60 Prozent bei Übergabe der Apotheke. Ungeachtet der vollständigen Kaufpreiszahlung verpflichtet der Apothekenkaufvertrag den Verkäufer bereits mit Vertragsunterzeichnung, Admenta "die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Apotheke" zu übergeben. Auch muss der Verkäufer seinen Steuerberater gegenüber Admenta von der Schweigepflicht entbinden. Besonders delikat: Mit Vertragsabschluss verpflichtet sich der Verkäufer gegenüber Admenta, bestehende Arbeitsverhältnisse mit Apothekenmitarbeitern "rechtwirksam zu kündigen" und dabei entstehende "etwaige Trennungskosten" zu übernehmen.

Apothekenleiter ohne Rechte

En detail listet der Kaufvertrag auf, welche Unterlagen der Verkäufer Admenta bereits jetzt vorzulegen hat und welche wortwörtlichen Erklärungen der Verkäufer gegenüber Aufsichts- und Genehmigungsbehörden abzugeben hat. Der Verkäufer ist verpflichtet, Admenta alle Arbeitsverträge samt Liste mit Angaben über "jährliche Bruttogesamtbezüge, Sonderleistungen, Kündigungsfristen, besonderer Kündigungsschutz, Elternzeit, (Alters-)Teilzeit, Befristungen, etwaige Arbeitszeitkonten, Urlaubskonten und Bezugsräume bei Jahressondervergütungen" vorzulegen. Mit Unterzeichnung des Kaufvertrages ist es dem Verkäufer untersagt, ohne Zustimmung von Admenta neue Arbeitsverhältnisse zu begründen und bestehende Arbeitsverhältnisse zu beenden. Selbst eine Änderung von Vertragsbedingungen bestehender Arbeitsverhältnisse ist dem (bisherigen) Apothekenleiter nicht mehr gestattet. Mit geltendem Apothekenrecht dürften diese Klauseln nicht vereinbar sein. Gleichwohl ist der Verkäufer vertraglich verpflichtet, "die Apotheke bis zum Übergabetag unverändert und mit vollem Engagement weiter zu betreiben". Auch ansonsten wird im Hause Celesio/Admenta nichts dem Zufall überlassen: Sollte der Verkäufer vor der Übergabe der Apotheke versterben, sind seine Erben verpflichtet, die Apotheke "im Rahmen des geltenden Apothekenrechts so lange wie möglich und zulässig bis zum Übergabetag verwalten zu lassen". Auch Ehegatten der Verkäufer werden von Admenta an die vertragliche Kandare genommen: Sie müssen nicht nur Auskunft über ihren Familien- und Güterstand abgeben, sondern sich auch Wettbewerbsbeschränkungen unterwerfen und dem Apothekenkaufvertrag insgesamt "uneingeschränkt" zustimmen.

Ein Zurück gibt es nicht

Und für den Fall der Fälle, dass der EuGH den Freunden des Fremdbesitzes einen Strich durch die Rechnung macht, ist auch vorgesorgt: dann hat Admenta die Befugnis, die Rechte und Pflichten aus dem Apothekenkaufvertrag "auf einen apothekenrechtlich zulässigen Apothekenbetreiber" zu übertragen. Kurzum: Gleichgültig, ob der EuGH das bestehende Fremdbesitzverbot bestätigt oder nicht – der Verkäufer ist seine Apotheke los. Los ist der Verkäufer nach Übergabe der Apotheke auch seine bisherige Leitungsfunktion. Ein Zurück gibt es nicht. Bestandteil des Deals mit Admenta ist ein Arbeitsvertrag, in dem deutlich wird, wohin die Reise gehen soll: Der Verkäufer sichert zu, in der Fremdbesitzapotheke als Filialleiter weiter zu arbeiten. Neuer Arbeitgeber ist Admenta – mit weitreichenden Weisungsrechten: so sollen der GmbH alle Personalentscheidungen, der zentrale Wareneinkauf, die Festsetzung der Verkaufspreise, Entscheidungen über Einrichtung und Ausstattung der Apotheke bzw. "über Investitionen im Einzelfallwert von mehr als 1000 Euro" sowie über Marketing und Werbung vorbehalten bleiben. Unbeschadet seiner "Pflichten als Apothekenleiter(in)" muss der Arbeitnehmer "alle Fragen der Leitung der Apotheke vorher mit dem Arbeitgeber abstimmen" und Admenta "über alle wesentlichen Vorgänge in der Apotheke informieren".

Arbeitsvertrag: Schluss mit lustig

Der neue Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis mit dem Verkäufer mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende kündigen. Mit dem Gehalt sind automatisch bis zu 20 Überstunden monatlich abgegolten. Es gilt die 6-Tage-Woche. Außerdem kündigt Admenta in dem Vertrag an, in Ausübung seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechtes eine verbindliche "Betriebsordnung" für die Apotheke zu erlassen. In einer "Wohlverhaltensklausel" wird es dem Filialliter schließlich verboten, ohne Zustimmung seines Vorgesetzten Veröffentlichungen ("sei es durch Druck, mündlichen Vortrag, Gutachten oder auf sonstige Weise") vorzunehmen oder zu veranlassen, "die den Arbeitgeber oder mit ihm verbundene Unternehmen betreffen".

Weit mehr als nur ein Vorkaufsrecht

Zu den Apothekenkaufverträgen äußerte man sich bei Celesio/Admenta dort nicht – Anfragen in der Neckartalstraße blieben bis Redaktionsschluss ohne Resonanz. Auch bei der ABDA zeigt man sich bis dato wortkarg. Eindeutiger äußerten sich juristische Experten zu den bekannt gewordenen Geheim-Verträgen. Ein Insider: "Das ist eindeutig illegal. Die Verträge verstoßen in eklatanter Art und Weise gegen geltendes Apothekenrecht. Das sollten auch die Apotheker wissen, die sich auf den Deal mit Admenta einlassen." Insbesondere werde in den vorliegenden Verträgen – entgegen anders lautenden Meldungen – nicht nur ein Vorkaufsrecht vereinbart; vielmehr handelt es sich dabei um einen schuldrechtlich bindenden Kaufvertrag, der den Verkäufer verpflichtet, seine Apotheke nebst Good-Will, Kundenstamm, Einrichtung, Ausstattung und Warenlager zum Übergabetag zu veräußern. Gleichzeitig räumen die Vereinbarungen Admenta bereits mit Vertragsunterzeichnung unmittelbare und weit- reichende Befugnisse gegenüber dem "Strohmann-Apothekenleiter" ein – ein Fall für die Apothekenaufsicht.

Alles unter einem Dach


Die Admenta Deutschland GmbH residiert in der Stuttgarter Neckartalstraße 155 – dem Sitz der Celesio AG. Wer versucht, Admenta telefonisch zu erreichen, landet direkt bei Celesio. Die Firma ist im Handelsregister Stuttgart eingetragen. Ihr Gesellschaftszweck ist der "Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen sowie die Leitung von Unternehmen". Zwischen der Celesio und Admenta Deutschland besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.

Alleinige Gesellschafterin der Admenta Deutschland GmbH ist die Celesio AG. Celesio ist vertraglich berechtigt, der Admenta-Geschäftsführung hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen.

Geschäftsführer von Admenta Deutschland sind Tilo Köster und Carsten Tillner. Köster ist Rechtsanwalt mit Sitz ebenfalls in der Neckartalstraße 155 und Aufsichtsrat der in der Tschechischen Republik angesiedelten Celesio-Tochter Movianto Ceská republika.

Auch Tillner hat zahlreiche Celesio-Funktionen inne. Für die italienische Tochter Admenta Italia S.P.A. sitzt er im Vorstand, für die Unicare Pharmacy Ltd., Dublin, in der Geschäftsführung und für die dänische K.V. Tjellesen A/S bzw. die Movianto Danmark jeweils wiederum im Aufsichtsrat.


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