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Gesundheitspolitik
Versandapotheken und Pick-up-Stellen scheiden die Geister
Während die FDP mit ihrem Antrag die "Abgabe von Arzneimitteln über Abholstellen, wie es zurzeit beispielsweise von Drogeriemärkten angeboten wird", unterbinden möchte, spricht sich die Linke für eine Begrenzung des Arzneimittelversandes auf rezeptfreie Präparate aus. Zwei Stunden standen die geladenen Sachverständigen den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses rund um diesen Themenkomplex Rede und Antwort. Dabei wurden weitgehend die bereits bekannten konträren Positionen ausgetauscht. So machte sich die ABDA für ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneien stark. ABDA-Hauptgeschäftsführer Hans-Jürgen Seitz betonte die Entzerrung von Arzneimittelabgabe und Beratung als "gravierenden Nachteil des Versandhandels". Auch könne ein Call-Center niemals eine gleiche Betreuungsqualität an den Tag legen wie eine öffentliche Apotheke. ABDA-Geschäftsführer Lutz Tisch machte deutlich, dass es neben dem Rx-Versandverbot auch erforderlich sei, Pick-up-Stellen für OTC-Präparate zu unterbinden, um eine Trivialisierung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu vermeiden. Auf ihrer Seite hatte die ABDA den Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP), den Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) (siehe hierzu auch AZ Nr. 13, 2009, S. 1). Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) und Pro Generika sprachen sich dagegen für die Beibehaltung der geltenden Regeln zum Versand aus. Der Arzneimittelversand sei eine "begrüßenswerte zusätzliche Wahlmöglichkeit für den souveränen Patienten", erklärte Pro Generika-Geschäftsführer Peter Schmidt.
Dass der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) und die European Association of Mail Service Pharmacies (EAMSP) – für die DocMorris-Chef Ralf Däinghaus sowie Celesios Mann in Berlin, Max Müller, erschienen waren – kräftig gegen die ABDA-Position argumentierten, war kaum überraschend. Ihre Vertreter betonten, dass es in den vergangenen fünf Jahren keinerlei Probleme mit in Deutschland zugelassenen bzw. anerkannten Versandapotheken gegeben habe. Insbesondere nicht mit Fälschungen. Dies sei auch nicht verwunderlich, da Versandapotheken und Präsenzapotheken schließlich aus den gleichen Quellen beliefert würden, so der BVDVA-Vorsitzende Christian Buse. Sollte es für die Verbraucher tatsächlich schwierig sein, illegale von legalen Anbietern zu unterscheiden, so werde die geplante Datenbank des DIMDI mit Sicherheit Abhilfe schaffen.
Kassen pro Versand
Für den Versand sprachen sich darüber hinaus Patientenvertreter und der GKV-Spitzenverband aus. Gerade für chronisch Kranke und Behinderte sei der Versandhandel eine "wichtige Ergänzung", erklärte Martin Danner von der BAG Selbsthilfe. GKV-Vertreter Wolfgang Kaesbach betonte, dass es den Kassen nicht um eine "Trivialisierung von Arzneimitteln" gehe, sondern darum, Versicherten "jenseits des tradierten Bezuges über öffentliche Apotheken" auch den Arzneimittelerwerb über zugelassene Versandapotheken zu ermöglichen. Auch gegen Pick-up-Stellen haben die Kassen nichts einzuwenden.
Die Union interessierte sich zudem für die Frage der Not- und Wochenenddienste von Versandapotheken. Während Buse betonte, dass jede deutsche Versandapotheke auch eine Präsenzapotheke sei, die selbstverständlich denselben gesetzlichen Pflichten unterliege, sieht man die Lage bei der ABDA etwas differenzierter. Zu beachten sei die unterschiedliche Finanzierung dieser Gemeinwohlpflichten, betonte Tisch. Während die Vor-Ort-Apotheken auf ihre lokalen Einnahmen angewiesen seien, könnten Versandapotheken von ihrem viel weiteren Kundenkreis profitieren. Zudem warnte Tisch, dass gerade Apotheken in ländlichen Gebieten gefährdet seien – und mit ihnen die flächendeckende Versorgung –, wenn die Versandapotheken die strukturschwachen Regionen für sich entdecken. Unterstützt wurde die Position vom Göttinger Rechtsprofessor Christian Stark. Dagegen konterte der Rechtsanwalt Prof. Martin Uechtritz, es sei schlicht "Nonsens", wenn behauptet werde, der Versandhandel gefährde den Notdienst. Dafür müsste zunächst die Apotheke als solche ökonomisch gefährdet sein – und dann die flächendeckende Versorgung. Dies sei anhand der Daten der ABDA keinesfalls erkennbar. Insgesamt hält Uechtritz das Rx-Versandverbot für "evident ungeeignet", um etwaigen Gefahren entgegenzuwirken, die er selbst ohnehin nicht erkennen kann. Wie auch sein Kollege Prof. Christian Dierks führte er aus, dass das Argument, der Europäische Gerichtshof habe es in seinem 2004 ergangenen Urteil dem nationalen Gesetzgeber überlassen, ein Rx-Versandverbot zu einzuführen, den Weg zurück nicht legitimieren könne. Maßstab für diese Entscheidung sei schließlich die Gefährdung der Gesundheit gewesen. Angesichts des nunmehr vorhandenen Erfahrungshorizontes – 2004 wurde in Deutschland der Arzneimittelversandhandel zugelassen – komme dem Gesetzgeber nunmehr nur noch eine "beschränkte Einschätzungsprärogative" zu, so Uechtritz. Mit dem FDP-Antrag setzte sich der vierte Einzelsachverständige auseinander, der Berliner Rechtsprofessor Helge Sodan. Ein Verbot von Pick-up-Stellen werfe zwar viele verfassungs- und europarechtliche Fragen auf – insgesamt sei es jedoch gerechtfertigt, so sein Fazit.
Bei den Grünen und der Linken standen Fragen zur Beratung im Vordergrund. Allerdings bekam Martina Bunge (Linke) vom VDPP gänzlich andere Antworten als Biggi Bender (Grüne) von der EAMSP. So betonte der Apotheker und VDPP-Vertreter Florian Schulze, dass eine Beratung per Hotline ganz praktische Probleme mit sich bringe: So sei etwa die richtige Anwendung eines Inhalationsgerätes oder von Insulin-Sticks weitaus besser in einer Präsenzapotheke zu erklären. Zudem sei über ein Call-Center keine "empathische Kommunikation" möglich. "Es geht darum, den Patienten dort abzuholen, wo er steht", so Schulze, und das funktioniert seines Erachtens nur, wenn der Apotheker den Kunden leibhaftig vor sich sieht. Dagegen sagte Müller von der EAMSP, dass die anonyme Beratung der Versandapotheken vor allem für Kunden mit vermeintlich "dummen" oder "peinlichen" Fragen von Vorteil sei. Dies zeige sich etwa bei den Patientenanfragen, die bei DocMorris eingehen, und die nicht im Zusammenhang mit einem Kauf von Arzneimitteln stünden. Däinghaus und Buse betonten zudem die proaktive Beratung von Versandapotheken, wenn dort Auffälligkeiten bei den Bestellungen auffielen.
Nächste Station Bundesrat
Über das weitere Schicksal der Anträge muss nun der Gesundheitsausschuss des Bundestages befinden. Ob die Anhörung den unentschlossenen Abgeordneten in ihrer Meinungsfindung weitergeholfen hat, scheint fraglich – ebenso, dass die Anträge der beiden Oppositionsfraktionen mit breiter Zustimmung in der SPD und der Union rechnen können. Als nächstes wird das Thema Versandhandel am 3. April im Bundesrat auf der Tagesordnung stehen. Möglicherweise konnten die bei der Anhörung ebenfalls anwesenden Vertreter der Länder hierfür Erkenntnisse gewinnen.
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