Gesundheitspolitik

Sündenfall mit Siegel

Peter Ditzel

2004. Unsere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt glaubt zu spüren, worauf unsere Bürgerinnen und Bürger sehnlichst warten, nämlich den Versandhandel mit Arzneimitteln – und lässt ihn zu. Das war der Sündenfall. Zusammen mit der Freigabe der OTC-Preise brachte dies für Deutschland zwar den einen oder anderen Discount-Kampfpreis bei Paracetamol- oder Diclofenac-Präparaten, aber nicht wirklich einen Fortschritt mit sich. Eher schon viele Unsicherheiten. Ausländische Versender aus den Niederlanden, aus Großbritannien und aus der Tschechei drängen auf den deutschen Markt. Ganz zu schweigen vom Wildwuchs dubioser ausländischer Internetapotheken, die sich in erster Linie als Viagra-Bestellbuden und Einkaufsquellen für Verschreibungspflichtiges anbieten. Außerdem als Einfallstor für Arzneimittelfälschungen. Hinzu kommen aus der Versandhandelszulassung abgeleitete Gerichtsurteile, die die Apothekenpflicht aufweichen: dm und seine Pick-up-Stellen und Drogeriemärkte, die über einen Bestellservice mit Versandapotheken zusammenarbeiten.

2009, 21. April. Fünf Jahre später merkt auch die Bundesregierung, dass die Sache mit dem Versandhandel nicht ganz so sicher ist, wie man es anfangs wahrhaben wollte. Zwar stellt sie immer noch die ach so tolle Bequemlichkeit des Versandhandels für den Verbraucher heraus – obwohl jede Präsenzapotheke schneller und sicherer liefert –, räumt aber ein, dass Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen. Das jetzt im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums vom DIMDI eingeführte Sicherheitssiegel für Versandapotheken zusammen mit dem Versandapothekenregister (203 Seiten, rund 1800 Versandapotheken) soll nun für mehr Sicherheit sorgen. Jetzt muss der Internet-User erst einmal wissen, dass es ein solches Logo gibt und was es bedeutet.

Der Parlamentarische Staatssekretär Schwanitz nennt das Sicherheitssiegel ein "Qualitäts- und Transparenzinstrument", für ABDA-Präsident Wolf ist es nicht mehr als ein "Feigenblatt". Womit er wohl Recht hat.

2009, 22. April. Das Passwort des DIMDI-pdf-Dokuments ist bereits geknackt. Wie leicht es möglich ist, auf gefälschte DIMDI-Seiten zu verlinken, hat Professor Schweim, Uni Bonn, der DAZ-Redaktion zu Demonstrationszwecken vorgeführt. Das Ergebnis ist täuschend echt. Selbst in die vom DIMDI dargestellte Auflistung der Versandapotheken konnte eine Fake-Apotheke eingebaut und so als echt dargestellt werden. Welchen Wert also haben solche Schutzmechanismen?


Peter Ditzel

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