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Angst vor dem Arztbesuch?

Was Sie bedenken sollten, wenn Sie einen Kunden zum Arzt schicken

"Wenn die Beschwerden in den nächsten zwei Tagen nicht besser werden, sollten Sie lieber zum Arzt gehen" – ein guter und wichtiger Rat aus einer beratungsfreudigen Apotheke. Auch im Beipackzettel der meisten Medikamente stehen vergleichbare Hinweise. Was aber, wenn die Apothekenkunden nicht zu Patienten werden wollen und den Arztbesuch scheuen? Viele Menschen haben schlicht und einfach Angst vor Ärzten. Oder aus schlechten Erfahrungen wurde Misstrauen. Wer das bei der Beratungsarbeit in der Apotheke bedenkt, wird seine Empfehlung auf ganz besondere Weise anbringen.

Ein trauriger Grund für die Bereitschaft von Apothekenkunden, ihre Beschwerden in der Selbstmedikation zu heilen, liegt darin, dass ein Arztbesuch ihnen Angst macht. Die Beratung in der Apotheke und die selbst getragenen Kosten für Medikamente werden im Vergleich dazu als das bei Weitem kleinere Übel angesehen.

Andere Gründe, die gegen einen Arztbesuch sprechen könnten, sind leicht vorzuschieben: Es mag schwer sein, kurzfristig einen passenden Termin zu bekommen; ohne Termin sieht man einer unkalkulierbaren Wartezeit entgegen. Auch die Sorge, sich im Wartezimmer womöglich noch mit ganz anderen Keimen anzustecken, mag den einen oder anderen davon abhalten, eine Praxis zu betreten. Für privat Versicherte, die ihren jährlichen Selbstkostenanteil noch nicht ausgeschöpft haben, liegt in der Selbstmedikation durchaus auch eine attraktive Kostenersparnis.

Misstrauen schürt die Angst

Wie gegenüber einigen anderen freien Berufen auch, z. B. bei Architekten oder Rechtsanwälten, haben manche Menschen erhebliche Vorbehalte, sich zu ihren Problemen fundierten fachlichen Rat einzuholen. Schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit, Schauergeschichten aus dem Freundeskreis und drastische Darstellungen fachlicher Fehler in den Medien tun das Ihre dazu, ein gewaltiges Misstrauen gegenüber den "Weißkitteln" zu erzeugen. Schon allein dies trägt dazu bei, dass ein Kunde lieber für die nächste Packung Lutschbonbons in eine andere Apotheke geht, anstatt seine Angina zügig diagnostizieren zu lassen.

Wer mit dieser zurückhaltenden bis feindlichen Einstellung einen Arztbesuch antritt, wirkt nicht gerade koope-rativ. Dann ist schon besondere kommunikative Kompetenz des Arztes oder der Ärztin gefragt, um überhaupt eine tragfähige therapeutische Beziehung herzustellen. Wo dies misslingt, ist der Apothekenkunde wohl Ihrem guten Rat gefolgt, zum Arzt zu gehen – aber nicht selten kommt es vor, dass die neuerlich verschriebenen Medikamente zwar noch abgeholt, aber dann nicht eingenommen oder sogar (wie gerne trotzig berichtet wird) "im Klo runtergespült" werden. Compliance adieu!

Wenn der Leidensdruck zu groß wird

Offensichtlich kommt es häufig genug vor, dass die Beschwerden oder die Erkrankung nicht mit Mitteln der Selbstmedikation ausgeheilt werden können, oder dass die Symptome immer wiederkehren. Pilzerkrankungen oder rezidivierende Infektionen aller Art bieten viele Beispiele dafür. Wer Angst vor dem Arzt hat, muss einen gehörigen Leidensdruck empfinden, bis er sich überwindet und sich doch einmal vernünftig untersuchen lässt. Wurde dies lange hinausgeschoben, ist die Anspannung groß:

  • Der Patient fühlt sich ohnmächtig, weil seine Selbstmedikationsversuche nicht dauerhaft geholfen haben,
  • oder er fühlt sich diffus betrogen oder missverstanden, weil "die Apotheke" ihm nicht den erhofften Erfolg verschafft hat;
  • das verstärkt die Sorge, dass auch vom nächsten Gesundheitsberuf, nämlich beim Arzt, wenig Hilfe zu erwarten sei.

Persönliche Denkfallen

Zu diesen schwierigen Voraussetzungen für einen Arztbesuch kommen bei manchen Menschen noch persönli-che Denkfallen, die der Apothekerin oder der PTA wahrscheinlich bereits im Beratungsgespräch aufgefallen sind:

1. Die Einstellung "das muss ich aushalten", oft auch: "Das ist eben in meinem Alter so." Manche Menschen assoziieren bestimmte Probleme als typisch für ihr Alter (entsprechend: für ihr Geschlecht, für ihren Beruf …) und glauben einfach nicht, dass die Beschwerden mit einer geeigneten Behandlung (oder Lebensweise) vollkommen zu kurieren oder erheblich zu lindern wären. Beispiel: viele Formen der Harninkontinenz.

2. Die Wahrnehmung "mir hört ja keiner zu", "mir glaubt ja keiner", ohne dass das Gegenüber eine Chance bekommt, den Kunden vielleicht doch ernst zu nehmen: Diese Denkfalle macht sich z. B. bemerkbar, indem Kunden ihre Antworten wie fixe Textbausteine abgeben. Unterbricht man sie, dann müssen sie den Baustein wie eine Gedichtstrophe noch mal von vorn aufsagen. Diese Kunden hören kaum zu, weil sie so sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Diese Menschen gewinnt man am ehesten mit ganz kurzen, sehr zugewandt gesprochenen Sätzen.

3. Der Pessimismus "dagegen kann man nichts machen", "da muss man durch": Hervorragend zu beobachten ist diese Denkfalle beim Thema Schnupfen. Offensichtlich kann ein Schnupfen mehr oder weniger unangenehm verlaufen, sich ausbreiten bis in die Stirnhöhle oder in die unteren Atemwege oder eben ein kleiner Schnupfen bleiben. Erstaunlich viele Menschen verweigern sich jedoch der Einsicht, dass sie auf ihre Erkrankung eben doch noch Einfluss nehmen können. Sie beharren darauf: "Ein Schnupfen dauert mit Medikamenten eine Woche, und ohne auch." Eine differenziertere Wahrnehmung wäre schon ein Gewinn.

Wer als Betroffener diesen Denkfallen erliegt, wird den freundlichen Hinweis seiner Apotheke, "wenn …, dann sollten Sie lieber zum Arzt gehen" reflexhaft mit der Wiederholung der o. g. Einstellungen quittieren. Als Repräsentantin oder Repräsentant der Apotheke haben Sie mit dem Verweis auf den Arztbesuch Ihre Pflicht getan; aber reizt es Sie nicht manchmal, noch einen Schritt weiter zu gehen? Oder haben Sie Ihre eigene Erklärung, "manchen Kunden kann man einfach nicht helfen"?

Den Kunden ernst nehmen

Wer mit diesen Denkfallen seiner Kunden professionell umgehen will, braucht eine absolut geduldige, offene innere Haltung seinen Patienten gegenüber. Sämtliche Rhetoriktricks wirken nämlich nur, wenn die Betroffenen sich ernst genommen fühlen, und das ist schwer zu spielen. Authentisches Interesse am Gegenüber kommt am besten an; "Gegenargumente" sind jetzt fehl am Platz. Weiter kommt man mit einer Bestätigung, die eine kleine Provokation enthält, z. B.:

  • "Sie sind skeptisch, was ein Arzt da noch Neues herausfinden könnte, nachdem wir ja schon einige Möglichkeiten diskutiert haben."
  • "Sie möchten es lieber nicht so genau wissen, was eigentlich der Grund für Ihre häufigen Beschwerden ist. Lieber halten Sie das weiterhin aus."
  • "Sie riskieren lieber, dass es noch schlimmer wird, anstatt sich jetzt schon eine genaue Diagnose zu holen."

Der Ton macht die Musik: Sprechen Sie diese Sätze absolut gelassen und zugewandt aus, ganz ohne Vorwurf, auch ohne "lauernden Ton" nach dem Motto "na, beißt er jetzt an?" Lassen Sie dem Anderen Zeit, über Ihren zusammenfassenden Satz nachzudenken. Manchmal wird man sich seiner widerstrebenden Haltung erst be-wusst, wenn man sie von anderen gespiegelt bekommt. Wer sich dabei ernst genommen fühlt, ist vielleicht zum ersten Mal bereit, selbstkritisch nachzudenken: "Will ich das tatsächlich? – Nein, eigentlich nicht!"

Der Angst begegnen

Wenn Sie jemanden überzeugen wollen, seine Beschwerden mit einem Arzt abzuklären, sollten Sie sich auch sprachlich auf die Einstellung dieses Patienten beziehen: Manche Menschen möchten eher "weg von" etwas kommen, andere eher "hin zu" etwas gelangen. An den Verben, die der Patient selbst gebraucht, kann man meist gut hören, zu welcher Weltanschauung unter diesen beiden er tendiert: Der "weg von"-Patient sagt, "ich will diese ständige Heiserkeit loswerden", ein "hin-zu"-Patient sagt, "ich will wieder ganz normal sprechen können".

In beiden Fällen dürfen Sie Ihrem Kunden bzw. Patienten etwas unterstellen: Nämlich dass er oder sie ja eigentlich daran interessiert ist, gesund zu werden und diese Beschwerden dann möglichst nicht wieder zu bekommen, schon gar nicht, etwas Gefährliches zu verschleppen. Diese Unterstellung ist ein Aussagesatz, den Sie auch nicht hinterfragen sollten, sondern mit dem Sie – im besten Falle – Ihrem Gegenüber ein "Ja" entlocken.

Beispiele für Empfehlungen, "weg von":

  • "Sie wollen ja nicht, dass wir in die falsche Richtung behandeln."
  • "Sie wollen ja nicht etwas verschleppen, was wir übersehen haben."
  • "Sie wollen das ja nicht alle paar Monate wieder erleben."

Beispiele für Empfehlungen, "hin zu":

  • "Sie wollen ja eine klare Diagnose, was eigentlich dahinter steckt."
  • "Sie wollen ja ganz sicher sein, dass das nur ein harmloser Infekt ist."
  • "Sie wollen das ja ein für alle Mal loswerden."

Alle diese Erwägungen zielen auf den Nutzen des Arztbesuchs, und zwar nicht so sehr auf rationale, vernünftige Gründe, sondern auf das ganz subjektive Empfinden des Menschen, der vor Ihnen steht.

Das Vertrauen in die Apotheke nutzen

Für all diese verbalen Klimmzüge, um Kunden und Kundinnen trotz deren Angst zu einem Arztbesuch zu bewegen, gibt es eine wunderschöne Abkürzung, nämlich wenn Ihre Kunden Ihnen vertrauen und deswegen zum Arzt gehen, einfach weil sie Sie nicht enttäuschen wollen und weil sie es Ihnen recht machen wollen, so wie Sie sich bisher auch bemüht haben, es Ihren Kunden recht zu machen.

Ein von mir sehr geschätzter Apotheker hat mir in einem solchen Fall außerordentlich einfühlsam geholfen. Ich fragte nach einem Präparat für bestimmte Beschwerden; er dachte kurz nach und sagte: "Das haben Sie doch schon ein paar Mal gehabt, meine ich." Ich fühlte mich leicht ertappt und sagte, "ja, das scheint wohl meine schwache Stelle zu sein." Man konnte zusehen, wie er sich überlegte, was er mir jetzt am besten rät; es dauerte einige Sekunden, bis er sagte: "Wissen Sie, vielleicht ist das ja ganz harmlos. Aber mir wäre es trotzdem lieber, Sie würden das mal bei einem Facharzt (er nannte die Fachrichtung) genauer anschauen lassen. Das ist wirklich keine große Sache. Wenn Ihre Beschwerden immer wieder auftauchen, sollte man das einfach mal grundsätzlich abklären."

Ich hatte, ehrlich gesagt, überhaupt keine Lust auf einen Arztbesuch. Schon allein bei der Vorstellung, einem mir völlig fremden Menschen Auskunft über mich zu geben, regte sich intensiver Widerstand in mir. Aber ich vertraute diesem Apotheker, weil er mich bisher immer gut beraten hat, egal worum es ging. Und ich war beim Arzt – alles in Ordnung, es war wirklich "keine große Sache". Aber ich habe erfahren, was hinter meinen Beschwerden alles hätte stecken können und war froh, dass mich dies alles nicht betrifft! Und wenn es doch nicht so harmlos gewesen wäre, hätte ich keinen Tag versäumen wollen, um das Problem vernünftig zu behandeln.


Vera Naumann,
Kommunikation & Organisation. www.vera-naumann.de

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