DAX: Ernüchterung schleicht sich von hinten an

Profis sehen 5180 DAX-Punkte als Pflichtprogramm – und was bringt die Kür?

(hps). Die Begeisterung über die Quartalszahlen hat sich schnell abgekühlt. Die Zahlen aus der zweiten Berichtswoche fielen durchwachsen aus. Ein kräftiges Anziehen der Konjunktur ließen sie bislang nicht erkennen. Dennoch scheinen die Profis an ihrem Ritual festhalten zu wollen und das bisherige DAX-Hoch nochmals ins Visier zu nehmen. Auch wenn sie damit steigende Unternehmensgewinne vorwegnehmen, von denen man auf absehbare Zeit nur träumen kann.

Nach dem guten Start in die Berichtssaison wächst die Hoffnung auf eine Stabilisierung der Ertragslage der Unternehmen. Die Freude darüber scheint jedoch nicht in Begeisterung umzuschlagen. Die Börsenumsätze sind nach wie vor gering. Viele Profis starren gebannt auf die vom Bundesverband der deutschen Investmentbranche (BVI) publizierten Zahlen, wonach die Spezialfonds gegenwärtig einen Cash-Anteil von aktuell 11 Prozent halten und mit einer historisch niedrigen Quote von 12 Prozent in Aktien investiert sind. Wenn nun diese Barschaft auch noch in Aktien flösse, ja dann …

Inzwischen sind den anfänglich guten Zahlen eher durchwachsene Ergebnisse gefolgt. Dennoch zeigen sich viele Profis hierzulande erstaunlich gelassen. Mit schlechten Quartalsergebnissen hätte man ohnehin gerechnet, außerdem neigten sich die traditionell schwachen Börsenmonate Juli bis September langsam dem Ende zu, man freue sich schon auf den Herbst. Manche Anleger scheinen sogar schon über eine mögliche Jahresendrallye nachzudenken.

In der englischsprachigen Wirtschaftspresse herrscht allerdings ein zurückhaltender Ton. Dort beobachtet man mit Argwohn, dass immer mehr Unternehmen ihre Gewinnsituation nur dank radikaler Kostensenkungsmaßnahmen in den Griff bekommen hätten, nicht aber aufgrund höherer Nachfrage. Es entstehe der Eindruck, dass sich die Dinge zwar stabilisierten, nicht aber wirklich verbesserten. Die Geduld der Investoren sei aber begrenzt. Ein schlechtes zweites Quartal würden sie noch vergeben, nicht aber auch noch ein wachstumloses drittes und viertes Quartal. Für das Nachrichtenmagazin CNN ist die Sache klar: Wenn die Absatzzahlen nicht anziehen, wird es auch nicht zu Neueinstellungen kommen. Und ohne neue Jobs gibt es in einer konsumorientierten US-Ökonomie auch kein Wachstum. Die in der letzten Woche veröffentlichten Unternehmenszahlen deuten tatsächlich in diese Richtung. Zum Beispiel fiel der Gewinneinbruch bei Caterpillar, beim Chemieriesen DuPont oder auch bei der Deutsche Post AG zwar geringer aus als erwartet. Dies war aber einzig der Kostenbremse im Personalbereich zu verdanken. "Land unter" meldete auch United Technologies. Als wirklich frustrierend erwiesen sich indes die Ausblicke der als verlässliche Gewinnbringer bekannten Firmen Yahoo und Apple. Hervorragende Zahlen im zweiten Quartal, aber reduzierter Ausblick auf die zweite Jahreshälfte. Ein Hinweis darauf, dass sich die konjunkturelle Erholung weit schwieriger gestalten dürfte als von der Börse erhofft – und bereits eingepreist wurde.

Aus der Perspektive der Analysten

Während die DZ-Bank weiterhin stabile Quartalsergebnisse und einen neuen Anlauf auf die 5180 Punkte im DAX erwartet, sieht die Landesbank Berlin in dem jüngsten Aufschwung am Markt nur eine technische Reaktion auf die zuvor erlittenen Verluste. Die Beobachter der Unicredit sehen den Börsenaufschwung erst im Herbst kommen und sehen dann den DAX auf 5100 Punkte klettern. Auch die Profis von HSBC Trinkaus erwarten den richtigen Börsenaufschwung erst im Herbst. Letzte Woche haben die Credit Suisse und Goldman Sachs ihre Prognosen für den Aktienmarkt auf Jahressicht nach oben gesetzt.

Optimistische Goldman Sachs

Das Investmenthaus Goldman Sachs blickt hoffnungsfroh auf die US-Konjunktur und hat das Kursziel für den amerikanischen S&P Index zum Jahresende um 15 Prozent auf 1060 Zähler angehoben. Keine Aufsehen erregende Sache, möchte man meinen. Ungewöhnlich ist das Vorgehen dennoch: Goldman Sachs argumentiert, dass die Nachfrage in den USA durch Arbeitslosigkeit und nachlassenden Impulsen der Konjunkturprogramme weiter schwach bleibe. Die Experten des Investmenthauses gehen daher davon aus, dass es in 2010 zu einem weiteren Hilfspaket der US-Regierung kommen wird. Der Clou: Das neue Konjunkturprogramm haben die Experten kurzerhand schon in ihre Wirtschafts- und Aktienprognose mit eingerechnet. Jetzt muss man also nur noch der amerikanischen Regierung kurz Bescheid sagen….

Musterdepot und Strategie

Bei Daimler ist man mit Hochfahren der Produktion auch im Kurs nach oben geschossen. Der heutige Kurs bei 30 Euro entspreche einem DAX von rund 5200 Punkten. Das wird nicht gut gehen. Der Put-Schein auf Daimler: Citibank (WKN CG0TKZ) mit Laufzeit September und Basis von 28 Euro, also rund 2 Euro unterhalb der heutigen Notierung.

DAX am 23. Juli (15.10 Uhr): 5110 Punkte.

Aktie
zum
Kurs
Tipp
vom
Kurs
aktuell
Veränderung
in %
Strategie
DWS Russia
74,38
14.01.
107,83
+ 45%
Verkauft 29.4.
ThyssenKrupp Put
0,12
28.01.
0,13
+ 8%
Verkauft 20.2.
Lufthansa Put
0,09
28.01.
0,10
+ 11%
Verkauft 20.2.
Telecom Put
0,48
04.02.
0,76
+ 58%
Verkauft 12.2.
RWE Put
0,25
04.02.
0,35
+ 40%
Verkauft 12.2.
Metro Put
0,12
25.02.
0,18
+ 50%
Verkauft 2.3.
ThyssenKrupp Put
0,11
11.03.
0,17
+ 29%
Verkauft 1.4.
M.A.N. Put 06/09
0,15
29.04.
0,22
+ 47%
Verkauft 14.5.
BMW Put 06/09
0,16
27.04.
0,48
+ 200%
Verkauft 14.5.
SAP-Put 08/09
WKN: GS10NS
1,30
04.06.
1,60
+ 91%
Verkauft 17.6.
BMW Put 08/09
WKN: CG4XRR
0,15
11.06.
0,31
+ 107%
Verkauft 24.6.
Henkel Put 07/09
WKN: CM3PRW
0,02
21.05.
0,01
– 50%
Verkauft 8. 7.
BMW Put 09/09
WKN: CG4KMB
0,19
02.07.
0,32
+ 68%
Verkauft 8. 7.
BMW Put 05/09
0,18
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Bayer Put
0,31
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 05/09
0,13
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Salzgitter Put
0,28
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put
0,37
25.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
SAP Put
0,08
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Deutsche Bank Put
0,32
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 06/09
WKN: CM2JUG
0,21
16.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Deutsche Börse Put 06/09
WKN: CM1KEZ
0,26
20.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Caterpillar Put 06/09
WKN: CG3DFN
0,15
23.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put 06/09
WKN: AA1AE0
0,18
13.05.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 09/09
WKN: DB94LX
0,18
28.05.
0,10
– 44%
Halten
Henkel Put 08/09
WKN: CG4XXB
0,076
18.06.
0,01
– 87%
Halten
Salzgitter Put 09/09
WKN: CM2YZH
0,48
25.06.
0,20
– 58%
Halten
Deutsche Bank 09/09
WKN: CB43VU
0,28
25.06.
0,10
– 64%
Kaufen
RWE Put 09/09
WKN: CG0ZTP
0,20
16.07.
0,14
– 30%
Kaufen
Deutsche Börse Put 09/09
WKN: CG0PFW
0,34
16.07.
0,23
– 32%
Kaufen
Daimler Put 09/09
WKN: CG0TKZ
0,11
23.09.
neu
Kaufen
zum Vergleich:
DAX seit 8. 1.
4871,00
5110,00
+ 5%
Die Angaben zu Aktienkäufen im Musterdepot und im Artikel sind nur fiktiv zu verstehen, es handelt sich dabei keinesfalls um Kaufempfehlungen.

Aus der Sicht des Querdenkers

Die Optimisten sind hartnäckig. Nachdem die guten Zahlen von Intel die Bullen zu einem Tänzchen am Parkett eingeladen hatten, wurde auch sofort wieder das alte DAX-Hoch bei 5180 Punkten herumgereicht. Reine Charttechnik – man will es eben noch mal wissen. Eine kurzfristige Aktion, mit vorausschauendem Handeln haben technische Orientierungspunkte nichts zu tun. Für die Profis genügt es daher auch schon, wenn die Unternehmensgewinne weniger stark rückläufig sind als befürchtet. Ausreichend, um Kundengelder hin und her zu schichten. Zu mehr reicht es allerdings auch nicht angesichts dieser Magerkosten an Quartalsergebnissen. Der erhoffte Wachstumsschub im 3. Quartal wird ausbleiben. Die Unternehmen sind froh, wenn sie sich auf dem gegenwärtigen Niveau stabilisieren können. Es fehlt einfach an echtem Wachstum. China alleine kann es nicht richten und Amerikas Arbeitslose müssen das Kostenmanagement ihrer Großunternehmen ausbaden. Das vorsichtige Aufstocken der Lagerbestände mag zwar den freien Fall abfedern, kann aber den Trend nicht umkehren. Deshalb ist der momentane Börsenaufschwung auch nur das Werk von ein paar Institutionellen, die mit geradezu absurden Ideen die Wende herbeireden wollen – siehe Goldman Sachs. Doch die große Masse der Anleger bleibt passiv. Mit Recht. Sie wissen, dass die Bullen auch diesmal nicht weit kommen werden. Gesucht sind überzeugende Fakten. Aber wo will man die auch finden in einer Welt, in der sich Finanzminister Geithner und US-Notenbankchef Bernanke zunehmend als Luftnummern erweisen? Jenseits aller Gesundbeterei klettern die Ausfälle der US-Kreditkartenfirmen auf den höchsten Stand seit 26 Jahren und – um vollends auf die rosa Brille zu treten – in den USA steigen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe schon wieder. Es muss wohl erst schlechter werden, bevor es besser wird. Und ein DAX über 5000 Punkte passt da nicht ins Bild.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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