Wirtschaft

DAX: Platz da – die Bären kommen!

Die Deutsche Bank patzt – und der DAX bricht ein

(hps). Wenn Analysten erst einmal anfangen, optimistisch zu werden, ist für den Privatanleger Vorsicht angebracht. So lautete an dieser Stelle der Tenor der letzten Woche. Und in der Tat – die Reaktion der Börse ließ nicht lange auf sich warten. Von der Euphorie zu Jahresbeginn ist nichts mehr übrig.

Die aktuelle Marktlage

Die "Frankfurter Allgemeine" stellte schon die Frage: "Wann werfen die Bullen an der Wall Street das Handtuch?" Tatsächlich scheinen die Investoren jetzt langsam vor den schlechten Quartalsergebnissen in die Knie zu gehen. In Frankfurt gingen zunächst von dem unerwartet hohen, zusätzlichen Liquiditätsbedarf der Commerzbank regelrechte Schockwellen aus und lieferten einen Vorgeschmack auf die anstehende Bilanzsaison. Am letzten Montag eröffnete dann traditionell Alcoa den Reigen der Berichtssaison – und patzte. Der Verlust im 4. Quartal fiel höher als erwartet aus. Am Dienstag folgte Metro. Das Handelshaus konnte 2008 den Um-satz zwar steigern, präsentierte sogar ein zufriedenstellendes Weihnachtsgeschäft, gab sich aber für 2009 zurückhaltend. Einen richtigen Schock löste dann letzten Mittwoch die Deutsche Bank aus, die in einer Vorabmeldung einen Verlust von nahezu 5 Mrd. Euro im 4. Quartal bekannt gab. Untermalt wurde dies gleichzeitig von einem schwachen Ausblick von Siemens. Danach war an der Börse Schluss mit lustig.

Aus der Perspektive der Analysten

Analysten der Allianz Global Investors äußern die Hoffnung, dass die Aktienmärkte den neuen Belastungen standhalten können. Sie verweisen dabei auf die relativ niedrige Bewertung der Aktien, die bereits einen hohen Grad an Pessimismus widerspiegelte. Auch die hohen Cashbestände der Investmentfonds stimmen die Experten optimistisch. Aufgehellte Minen auch bei den Strategen der MM Warburg. Sie spekulieren im Zuge seiner Amtseinführung auf eine kleine "Obama-Rallye". Je schlechter die Wirtschaftsnachrichten, so scheint es, umso wahrscheinlicher wird Obamas milliardenstarkes Rettungspaket. Dem können sich indes die Experten der LBBW nicht anschließen. Die Analysten aus Stuttgart zeigen sich enttäuscht über den neuerlichen Rutsch unter die 5000er Marke beim DAX und sehen das Börsenbarometer unter 4500 Punkten. Charttechniker sehen schließlich einen breit angelegten Seitwärtskanal im Bereich zwischen 4000 bis 5150 Punkten.

Der besondere Anlage-Tipp zum Jahresauftakt

Ende Oktober 2008 erschien eine Wirtschaftsmeldung, die man schon ganz genau lesen musste: BP übertraf im 3. Quartal 2008 mit einem Rekordgewinn von über 10 Mrd. Dollar die Erwartungen der Analysten. Das Besondere daran: Der Ausstoß stagnierte bei ca. 3,66 Mio. Tonnen Öl. Für die großen Ölmultis ein generelles Problem. Die Produktion lässt sich auf dem gegenwärtigen, relativ niedrigen Investitionsniveau in Förderanlagen zur Erschließung neuer Ölfelder kaum mehr steigern. Um die Förderung auch in Zukunft zu sichern, wären indes gigantische Investitionen notwendig. Etwa zur Ausbeutung von kanadischem Ölsand oder von Tiefseevorkommen. Damit sich das rechnet, wären allerdings Ölpreise von 70 bis 80 Dollar pro Barrel notwendig. Nun ist der Preis fürs Schwarze Gold jedoch in Folge der Rezessionsängste von ca. 150 Dollar im Sommer letzten Jahres auf nunmehr nur noch gut 40 Dollar abgestürzt. Für fast alle Öl produzierenden Länder ein Minusgeschäft. So benötigt Russland ein Preisniveau von mindestens 75 Dollar, um rentabel arbeiten zu können. Der Iran sogar 90 Dollar. Und selbst bei den Saudis liegt die Gewinnschwelle immer noch bei 55 Dollar pro Barrel. Logische Konsequenz: Die Förderer fahren ihre Investitionen gewaltig zurück. Das Ölsandprojekt in Kanada wurde bereits komplett gestoppt. Die Projekte zur Erschließung der Tiefseevorkommen vor der Küste Westafrikas und Brasiliens stehen auf dem Prüfstand. Die russischen Firmen Rosneft und Gazprom haben Liquiditätsprobleme. Selbst das Königreich Saudi-Arabien überprüft nun seine Großprojekte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Banken gegenwärtig viele Projekte nicht mehr finanzieren wollen. Und über die Erforschung und Förderung alternativer, erneuerbarer Energieformen braucht man bei dem aktuellen Ölpreisniveau erst gar nicht zu reden.

Und so wird es dann kommen: Während weltweit jährlich ca. 6 Prozent der bekannten Ölquellen versiegen, bleiben die erforderlichen Neuinvestitionen aus. Löst sich die Weltwirtschaft irgendwann aus der Rezession, wird das Angebot mit der Nachfrage nach Öl nicht Schritt halten können. Der Preis wird steigen, was – das lehrt uns schon die jüngste Vergangenheit – Spekulanten in den Markt locken wird. Dass dabei der bisherige Rekordpreis von 147 Dollar pro Barrel überboten wird, dürfte dann nur eine Frage der Zeit sein.

Wo der Rubel rollt

Der schnelle Reibach wird mit Energieaktien nicht zu machen sein. Aber über den mittelfristigen Anlagehorizont gesehen sollte fallweise eine Vervielfachung des Einsatzes nicht überraschen. Wer Direktinvestitionen in Aktien Öl-fördernder Unternehmen tätigen will, sollte die großen Ölmultis bevorzugen. Bei kleineren Unternehmen besteht die Gefahr, dass so mancher Förderer den ruinösen Wettbewerb nicht überleben wird. Erste Adressen sind allen voran der Branchenführer Exxon, Chevron, BP und Royal Dutch Shell. Interessant auch die brasilianische Petrobras, die bereits 2007 als "Investmentidee" im Handelsblatt vorgestellt wurde. Alle Aktien sind an deutschen Börsen erhältlich.

Wer lieber auf Investmentfonds mit Schwerpunkt Öl setzen will, kann Anteile am iShares DJ Stoxx 600 Oil &Gas (WKN 634476) erwerben. Der Fonds bildet den europäischen DJ Stoxx 600 Oil & Gas ab, also die Vertreter der europäischen Öl- und Gasindustrie mit Schwerpunkt auf Aktien aus Großbritannien. Dieses Investment trägt eher konservativen Charakter.

Ein besonderes Schmankerl ist dagegen der Fonds der Deutschen Bank DWS Russia (WKN 939855). Hierin sind insbesondere der russische Gasmonopolist Gazprom und die staatliche Rosneft hoch gewichtet. Dieser Fonds weist eine wesentlich höhere Schwankungsbreite auf, denn das Wohl und Wehe dieses Wertpapiers ist – neben der Ölpreisentwicklung – auch von den Schwankungen beim Rubel abhängig (siehe Grafiken).

Der besondere Charme daran: Man setzt auf halbstaatliche Unternehmen. Außerdem ist die russische Wirtschaft zu ca. 70% auf Öl- und Gasexporte angewiesen. Wenn die Energiepreise wieder anziehen, sollte dies satte Währungsgewinne über einen stärkeren Rubel nach sich ziehen.

Wenn Sie also nicht gerade der Meinung sind, die Weltwirtschaft verschwände demnächst dauerhaft in einem schwarzen Rezessionsloch, dann setzen Sie jetzt mit Öl/Gasaktien oder Fonds auf die Zukunft. Den Ärger über wieder erstarkte Heizöl- und Benzinpreise werden Sie dann mit einem Lächeln übergehen können.

Musterdepot

Mit dem DWS Fonds Russia wird im Musterdepot erstmals ein Investmentfonds aufgenommen und – das ist ebenfalls eine Premiere – ein eher mittelfristiges Ziel verfolgt. Der DWS Russia bietet einen ganzen Korb von russischen Öl- und Gasförderern an, was als Direktanlage von Deutschland aus schwer machbar ist. Die Raffinesse dürfte allerdings in der Währungsspekulation liegen. Dafür braucht man Geduld, denn Weltwirtschaft wie Ölpreis stehen gleichermaßen vor einem steinigen Weg. Lassen Sie daher den Fonds wie guten Wein erst mal ruhen. DAX am 15. Januar (Beginn): 4390 Punkte.

Aus der Sicht des Querdenkers


Den Aktionären liegt naturgemäß der eigene Geldbeutel am nächsten. Will sagen: Die gigantische Staatsverschuldung ist Investoren gleichgültig. Zumindest solange der Schuldner zahlungsfähig bleiben. Und das wird er. Denn ein insolventes Amerika nützt niemandem, am wenigsten den großen Gläubigernationen aus Asien. Was am Ende für die Investoren von Interesse sein wird, sind niedrige Zinsen, billiges Öl, hohe Liquidität, ein günstiges Bewertungsniveau an den Börsen und natürlich die vom Staat übernommenen Risiken. Im Grunde genommen der Stoff, aus dem eine Hausse gemacht ist. Doch auf kurze Sicht gilt die Devise: Aktien fallen lassen! Wie bereits in der letzten Ausgabe angekündigt, verschlechtert sich die technische Situation an den Börsen zusehends, die Märkte bauen gegenwärtig die Übertreibungen zur Jahreswende ab. Eine interessante Phase, aber definitiv noch keine Kaufkurse. Strategie: Weiter ruhig bleiben und abwarten. Eventuelle Kurserholungen werden sich als kurzatmig erweisen. Der DAX dürfte wieder die 4000er Marke ins Visier nehmen. Und selbst das muss noch nicht das letzte Wort sein


Peter Spermann


Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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