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Wirtschaft
DAX: 4000er Marke bleibt ein Thema
Die aktuelle Marktlage
Die Datenlage ist erdrückend und von den großen Rettungspaketen, die rund um den Globus geschnürt werden, weiß man, dass sie – wenn überhaupt – ihre Wirkung nur sehr langsam entfalten werden. Dennoch keimte an den Börsen zuletzt etwas Hoffnung auf. Die bislang veröffentlichten Unternehmensergebnisse waren zwar fast ausnahmslos schlecht, aber nicht ganz so schlecht wie befürchtet. Zudem sorgte die Hoffnung auf eine "Bad Bank", die die ganzen schlechten Schuldpapiere aufkaufen soll, für Auftrieb. Im Zuge der Berichterstattung verunsicherte zunächst American Express mit einem enormen Gewinneinbruch infolge steigender Zahlungsausfälle im Kreditkartengeschäft. Doch die Börse hatte Schlimmeres erwartet – die Aktie stieg. Und nach diesem Schema gingen die Anleger dann auch bei Texas Instruments, Yahoo und bei der Wells Fargo Bank vor. In Deutschland wusste Siemens mit einem guten 4. Quartal zu überzeugen. Ob hier allerdings auch der optimistische Ausblick gerechtfertigt ist, wenn gleichzeitig die Auftragseingänge des Unternehmens um 8 Prozent zurückgehen, ist für viele Analysten fraglich. Bevor es schlechter wird, haben sich die Herren Vorstände jedenfalls schnell noch ihre Gehälter erhöht. Dann folgte SAP mit einem schwachen Ausblick. Aber auch hier sahen die Investoren das Glas halb voll und werteten die Aktie kräftig auf.
Aus der Perspektive der Analysten
Die Experten setzen mehrheitlich auf weiter fallende Kurse, wobei sich die Stimmen derer mehren, die den DAX durch die 4000er Marke rauschen sehen. Nur wenige hoffen noch auf eine Bodenbildung auf dem jetzigen Niveau. Vereinzelt wagen sich aber auch ein paar Optimisten aus der Deckung. Sie sehen in den guten Quartalszahlen und dem ermutigenden Ausblick von Siemens ein positives Signal. Auch in Übersee locken bereits Meldungen, die nicht ganz so katastrophal ausfallen wie befürchtet, schon wieder Käufer an. Dennoch geht die überwiegende Mehrheit der Analysten davon aus, dass es sich hierbei nur um eine technische Korrektur handelt.
Der Anleihenmarkt – der Trojaner der Kreditkrise
Regierungen rund um den Globus pumpen Milliarden in die Märkte, um die Weltwirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren. An den Börsen geht die bange Frage um: Werden diese Verzweiflungsakte irgendwann tatsächlich Früchte tragen? Die Antwort darauf lautet: Sehr wahrscheinlich ja. Aber damit ist das Problem nicht gelöst. Denn die gigantischen Rettungspakete müssen finanziert werden – durch Verkauf von Staatsanleihen an den internationalen Rentenmärkten. Dort hofft man, die Investoren bei Laune halten zu können. Aber genau das wird immer schwieriger. Seit Monaten trieb es die Anleger aus den Aktienmärkten in den sicheren Hafen der Rentenmärkte. Die Renditen der Festverzinslichen entwickeln sich dabei gegenläufig zu den Kursen. Inzwischen haben die Rentenmärkte ein Niveau erreicht, das man nur noch als absurd bezeichnen kann.
Die Renditen sind derart niedrig, dass man über die nächsten Jahre schon von einer Inflation nahe Null ausgehen müsste. Aber die Märkte sind mit ihrer Zinsphantasie am Ende. Viele Notenbanken bewegen sich bereits auf eine Null-Zins-Politik zu, die geldpolitischen Mittel zur Stimulation der Wirtschaft sind ausgereizt. Mehr noch. Das Renditeniveau könnte sogar deutlich ansteigen, wenn Staaten wie Irland, Portugal, Spanien oder Griechenland – alles Länder mit erdrückender Schuldenlast – ihr frisches Geld nur noch zu einem höheren Zinssatz bekommen. Für Anleihen ist das pures Gift. Es droht der Absturz. Dann werden die Notenbanken Unternehmensanleihen aufkaufen müssen, um das Schlimmste zu verhindern. Bei der Bank von England (BoE) ist man diesbezüglich bereits in der Planungsphase.
Ein eventueller Crash bei den Staatsanleihen gilt an den Kapitalmärkten als das größte Risiko überhaupt, denn das Volumen dieser Papiere übertrifft mit 7500 Milliarden Euro alles. Die Konsequenzen für den Aktienmarkt kann man sich leicht ausmalen. Daher der Tipp: Machen Sie einen Bogen um Anleihen. Mit dem "sicheren Hafen" ist es hier nicht mehr weit her. Parken Sie freie Gelder lieber zu Tagesgeldkonditionen.
Musterdepot und Strategie
Die momentane Aufwärtskorrektur nutzen wir zum Positionsaufbau von Put-Optionsscheinen, um von fallenden Notierungen zu profitieren. Ausgewählt wurden: Lufthansa Put der BNP Paribas, Basis 10 Euro (aktueller Kurs 10,10), Laufzeit März 09 mit der WKN BN2FYY. Daneben auch ThyssenKrupp Put der Citigroup, Basis 16 Euro (aktuell 16,60), Laufzeit März 09 mit der WKN CG1DQL. Beide Unternehmen haben für das 1. Quartal einen negativen Ausblick geliefert. Die gewählte Optionsbasis liegt nah am aktuellen Kurs, die Laufzeit ist relativ lange gewählt. Anlagehorizont: zwischen zwei bis drei Wochen. DAX am 29. Januar (13.00 h): 4464 Punkte.
Aus der Sicht des QuerdenkersDie derzeitige Erholung an den Weltbörsen ist Mumpitz (dieser Ausdruck stand übrigens schon im 19. Jhd. als Börsenjargon am Berliner Parkett für "schwindelhafte Gerüche"). Sie ist rein technisch bedingt. Hätte der Anstieg tatsächlich Substanz, wären die Notierungen für Rohöl mitgezogen. Stattdessen sucht man sich für den Kursaufschwung irgendwelche Argumente, und wenn sie noch so unsinnig sind. Doch die Realität sieht anders aus: Alleine letzte Woche verkündeten unter anderem die US-Unternehmen Caterpillar, Pfizer und Sprint Nextel an einem einzigen Tag den Abbau von insgesamt 66.000 Stellen. Damit summiert sich der Arbeitsplatzabbau in den USA seit Jahresbeginn bereits auf fast 200.000. Die Folgen: Der private Konsum wird weiter einbrechen, noch mehr Kreditverträge werden platzen und bei der Staatsverschuldung muss man sich langsam fragen, ob der eine oder andere Staatsbankrott überhaupt noch zu verhindern ist – mit verheerenden Konsequenzen für Renten- und Aktienmärkte. Vor diesem Hintergrund bleibt der Blick auf die 4000er Marke beim DAX gerichtet. Erst mit dem Durchbrechen dieser Linie wird sich die Talfahrt beschleunigen und werden Schnäppchenjäger angezogen – die erste, wirkliche Trading-Chance des Jahres. Dann wird es interessant, denn die Gegenreaktion ist durchaus für 10 bis 20 Prozent gut. Allerdings: Nachhaltig dürfte auch diese Rallye nicht sein. Inwieweit die Hoffnung auf bessere Zeiten bereits gegen Ende des 1. Quartals aufkeimen und dann tatsächlich die Wende am Aktienmarkt bringen könnten, ist noch unklar. Aus heutiger Sicht erscheint dieser Zeitpunkt verfrüht. Bleiben wir also bei der Indianertaktik: Lauern, zuschlagen und sich schnell zurückziehen. Die wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen lassen ein längerfristiges Engagement einfach nicht zu. Peter Spermann Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers. |
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