Arzneimittel und Therapie

Erster monoklonaler Antikörper gegen Interleukin 12 und 23

Für die Therapie der Plaque-Psoriasis stehen bislang verschiedene Biologics zur Verfügung, die sich gegen den Entzündungsmediator TNF-alpha richten. Mit Ustekinumab (Stelara™) kommt nun ein Biologic mit einem neuen Wirkprinzip auf den Markt: Der humane monoklonale Antikörper richtet sich gegen die beiden Interleukine 12 und 23, die eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der Psoriasis spielen. Zugelassen ist das Präparat für die Second-line-Therapie von erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis.

Besonderer Vorteil für den Patienten: Nach einer Loading-dose muss Ustekinumab nur noch alle zwölf Wochen subkutan appliziert werden.

330.000 bis 495.000 Menschen in Deutschland leiden unter einer mittelschweren bis schweren Psoriasis. Sie sind topisch nicht mehr zu behandeln, sondern benötigen wirksame systemische Therapieregimes. Intensive Forschungsarbeiten in den vergangenen Jahren haben zu grundlegenden Veränderungen im Verständnis der Erkrankung geführt (siehe Kasten "Pathophysiologie der Psoriasis"), die den Weg zu neuen Therapieansätzen eröffneten. So wurde auch entdeckt, dass die beiden Interleukine 12 und 23 von zentraler Bedeutung in der Pathogenese dieser T-Zell-vermittelten chronischen Autoimmunerkrankung sind und deshalb geeignete Angriffspunkte für eine zielgerichtete medikamentöse Intervention darstellen.

IL 12 und 23: Schlüsselrolle in der Psoriasispathogenese

Interleukin 12 und 23 werden bei Psoriasispatienten überexprimiert und regen naive T-Zellen an, in TH1- und TH17-Zellen zu differenzieren. Diese T-Zellen schütten dann inflammatorische Zytokine aus, die die psoriatische Entzündung und die Plaquebildung in Gang setzen. So produzieren TH1-Zellen neben TNF-alpha auch Interferon-gamma, TH17-Zellen neben TNF-alpha auch IL-17 und IL-22. Die wiederum fördern die Gefäßneubildung und die Lymphozyteninvasion, aber auch die Hyperplasie der Keratinozyten und die Akanthose. "Interleukin 22 ist wichtig für epidermale Veränderungen", betonte Prof. Dr. Kristian Reich, Hamburg. Der neue humane monoklonale Antikörper Ustekinumab richtet sich gezielt gegen eine Untereinheit der beiden Interleukine 12 und 23 und hemmt so diesen pathologischen Prozess. Die Einführung von Ustekinumab bewertete Prof. Dr. Jörg Prinz von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der LMU München als "zukunftsweisenden Schritt für die Psoriasistherapie und die Lebensqualität der Betroffenen".

Interleukine

Als Interleukine werden Zytokine bezeichnet, die vorzugsweise die Lymphozytenfunktion stimulieren. Heute sind mehr als 70 Interleukine bekannt, ihre Wirkung ist dabei höchst unterschiedlich. So spielt Interleukin 12 eine zentrale Rolle bei der T-Helferzell-1(TH-1)-Immunantwort und hat Einfluss auf den Verlauf von intrazellulären Infektionen. Bei vielen Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise rheumatoider Arthritis, multipler Sklerose und Morbus Crohn kann Interleukin 23 die Bildung von T-Zellen anregen, die sich anschließend gegen den eigenen Körper richten.

Ustekinumab auf dem Prüfstand

In den beiden Phase-III-Studien Phoenix 1 und Phoenix 2 wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit des neuen Wirkprinzips bei 1996 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis untersucht. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, bei dem sich eine mindestens 75%ige Verbesserung im Psoriasis Area and Severity Index (PASI-75-Ansprechen) vom Behandlungsbeginn bis zur Woche zwölf erreichen ließ. Die Patienten erhielten zu Beginn der Studie, nach vier Wochen und nachfolgend alle zwölf Wochen entweder 45 mg Ustekinumab oder 90 mg Ustekinumab als subkutane Applikation. Der primäre Endpunkt wurde unter der 45-mg-Dosierung von 67% der Patienten erreicht. Unter Placebo waren es dagegen nur 3 bis 4%. Nach 28 Wochen lag die Responderrate noch etwas höher, nämlich bei 70% unter 45 mg Ustekinumab, bei 79% unter 90 mg Ustekinumab.

Steckbrief: Ustekinumab

Handelsname: Stelara

Hersteller: Janssen-Cilag GmbH, Neuss

Einführungsdatum: 15. Februar 2009

Zusammensetzung: Eine Durchstechflasche mit 0,5 ml Injektionslösung enthält 45 mg Ustekinumab. Jede Durchstechflasche enthält 45 mg Ustekinumab in 0,5 ml. Sucrose, Histidin, Histidinhydrochlorid-Monohydrat, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke.

Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Durchstechflasche, 4973,72 Euro, PZN 2918653.

Stoffklasse: Pharmakotherapeutische Gruppe: Interleukin-Rezeptor-Inhibitoren. ATC-Code: L04AC05.

Indikation: Zur Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis, bei denen andere systemische Therapien einschließlich Ciclosporin, Methotrexat und PUVA nicht angesprochen haben, kontraindiziert sind oder nicht vertragen wurden.

Dosierung: Initiale Dosierung 45 mg in Woche 0 subkutan, gefolgt von einer 45-mg-Dosis in Woche 4 und dann alle zwölf Wochen.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile; klinisch relevante aktive Infektion.

Nebenwirkungen: Sehr häufig: Infektion der oberen Atemwege, Nasopharyngitis. Häufig: Cellulitis, Virusinfektion der oberen Atemwege; Depression; Schwindel, Kopfschmerzen; pharolaryngeale Schmerzen, verstopfte Nase; Diarrhö; Pruritus; Rückenschmerzen, Myalgie; Müdigkeit, Erythem an der Injektionsstelle.

Wechselwirkungen: Hinweise auf eine Wechselwirkung mit anderen gleichzeitig verabreichten Arzneimitteln gibt es nicht. Lebendimpfstoffe sollen nicht zusammen mit Ustekinumab gegeben werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Bei Patienten mit einer chronischen Infektion oder einer rezidivierenden Infektion in der Vorgeschichte soll Ustekinumab mit Vorsicht angewendet werden; wenn ein Patient eine schwere Infektion entwickelt, darf er vor Abklingen der Infektion Ustekinumab nicht wieder erhalten; auch Patienten mit aktiver Tuberkulose dürfen Ustekinumab nicht erhalten. Immunsuppressiva wie Ustekinumab können das Risiko von malignen Tumoren erhöhen; bei Patienten mit malignen Tumoren in der Vorgeschichte sollte mit Vorsicht vorgegangen werden. Wenn eine anaphylaktische oder andere schwere allergische Reaktion auftritt, sollte die Verabreichung von Ustekinumab sofort abgebrochen und eine geeignete Therapie eingeleitet werden. Es wird nicht empfohlen, Lebendvirusimpfstoffe oder Lebendbakterienimpfstoffe gleichzeitig mit Ustekinumab zu verabreichen. Wird die gleichzeitige Anwendung von anderen Immunsuppressiva und Ustekinumab oder ein Wechsel von anderen biologischen Immunsuppressiva in Erwägung gezogen, soll mit Vorsicht vorgegangen werden.

Kein Rebound!

Was passiert, wenn Ustekinumab abgesetzt wurde, untersuchte Phoenix 1 im weiteren Verlauf der Studie. Ustekinumab wurde bei Respondern nach 40 Wochen randomisiert abgesetzt und die Patienten bis zur 76. Woche weiter beobachtet. Unter Verum blieb die Wirksamkeit erhalten, während es nach dem Absetzen zu einem ganz allmählichen Wirkverlust kam, allerdings ohne Rebound-Effekt. "Wird Ustekinumab erneut gegeben, sprechen die Patienten wieder an", so Reich. Die Phoenix-2-Studie untersuchte zusätzlich die Intensivierung des Regimes bei Teilrespondern. Patienten, die sich im PASI um ≥ 50 bis < 75 verbessert hatten, wurden in Woche 28 randomisiert und entweder mit dem üblichen Erhaltungsregime weiterbehandelt oder auf eine intensivere Behandlung in achtwöchigem Abstand umgestellt. Davon profitierten nur Patienten, die mit der 90-mg-Dosierung behandelt wurden. Eine Intensivierung auf 90 mg alle acht Wochen könnte demnach einen Vorteil bringen. Sie ist bislang jedoch noch nicht zugelassen (siehe unten).

Im Head-to-head-Vergleich mit Etanercept überlegen

Im direkten Vergleich zwischen Ustekinumab und einem anderen Biologic, nämlich Etanercept in hoher Dosis, erwies sich Ustekinumab als überlegen. Nach zwei subkutanen Injektionen in Woche 0 und 4 hatten unter 45 mg Ustekinumab 68% nach zwölf Wochen einen PASI-75-Wert erreicht, dagegen nur 57% der Patienten, die Etanercept 50 mg als subkutane Injektion zweimal wöchentlich über zwölf Wochen erhalten hatten. Ein PASI 90 wurde nach zwölf Wochen von 36% unter Ustekinumab, dagegen nur von 23% unter Etanercept erreicht.

Pathophysiologie der Psoriasis

In den vergangenen Jahren hat sich das Verständnis der Psoriasis grundlegend geändert:

  • von der gestörten Keratozytenproliferation zur T-Zell-vermittelten Autoimmunreaktion
  • von der Hauterkrankung zur Systemerkrankung mit erhöhter kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität und verkürzter Lebenserwartung
  • von unspezifischen Therapieansätzen wie Methotrexat oder Cyclosporin zur gezielten Intervention mit Biologics

Sicherheitsprofil bislang auf Placeboniveau

Das Sicherheitsprofil über den bislang zu überblickenden Zeitraum von 40 bzw. 76 Wochen lag auf Placeboniveau. Laut Fachinformation waren etwa Infektionsrate und Rate schwerer Infektionen bei mit Ustekinumab behandelten Patienten und mit Placebo behandelten Patienten ähnlich. Etwa 5% der Patienten entwickeln unter Ustekinumab Antikörper. Die Wirksamkeit war dann zwar tendenziell niedriger, das Vorliegen von Antikörpern schließt jedoch ein klinisches Ansprechen nicht aus.

Zulassung als Second-line-Therapie

Ustekinumab ist in der 45-mg-Dosierung zugelassen für Erwachsene, die auf andere systemische Therapien, einschließlich Cyclosporin, Methotrexat und PUVA, nicht angesprochen haben, bei denen für diese Therapien eine Kontraindikation besteht oder die sie nicht vertragen. Die Dosierung beträgt 45 mg. Sie wird in Woche 0 subkutan verabreicht, gefolgt von einer 45 mg Dosis in Woche 4, nachfolgend dann alle 12 Wochen. Bei Patienten mit einem Körpergewicht über 100 kg wird die 90-mg-Dosis eingesetzt. Kommt es nach 28 Behandlungswochen nicht zu einem Ansprechen, sollte ein Absetzen der Therapie erwogen werden. Und: Nicht jeder Mediziner sollte Ustekinumab einsetzen. Es ist vorgesehen für die Anwendung unter der Leitung und Überwachung eines in Diagnose und Behandlung der Psoriasis erfahrenen Arztes.

 

Quelle
Prof. Dr. Kristian Reich, Hamburg, Prof. Dr. Jörg Prinz, München, Dr. Klaus Strömer, Mönchengladbach: "Stelara – Neue Horizonte für Patienten mit Psoriasis", München, 12. Februar 2009, veranstaltet von der Janssen-Cilag GmbH, Neuss. 

 


Apothekerin Dr. Beate Fessler

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