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Im Westend nichts Neues
Die vom ehemaligen Vorsitzenden der AOK Berlin, Rolf Dieter Müller, moderierte Runde war mit dem Geschäftsführer der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände, Karl-Heinz Resch, dem Gründer und Vorstandsvorsitzenden von DocMorris, Ralf Däinghaus, dem Fachanwalt für Medizinrecht und Spezialisten für Apothekenrecht, Dr. Valentin Saalfrank, sowie dem Professor für Handels-, Gesellschafts-, Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und der Technischen Universität Berlin, Prof. Dr. Jürgen Kessler, hochkarätig und kontrovers besetzt. Durch eine kurzfristige Absage von MdB und ordentlichem Mitglied des Gesundheitsausschusses, Eike Hovermann, fehlte allerdings ein Politiker, der möglicherweise durch Informationen zu geplanten politischen Weichenstellungen den Fokus der Runde etwas mehr auf die künftigen Entwicklungen hätte setzen können.
Die Statements der Teilnehmer gaben einen umfangreichen und fundierten Überblick über die Entwicklungen der letzten Jahre, enthielten aber wenig Neues. Däinghaus provokante Bemerkungen wie jene, dass der Versandhandel überhaupt erst ein breites Bewusstsein für die Apotheken und die Bedeutung des Beratungsgesprächs geschaffen hätte, führten ebenso wenig zu weiteren Diskussionen wie Reschs trockene Antwort darauf: Die Zukunft wird pharmazeutisch entschieden, nicht ökonomisch, denn der Apotheker hat Pharmazie studiert, nicht Ökonomie. Weitere Ausführungen, welche Entscheidungen er nun für die weitere Zukunft erwarte und welche Perspektiven er dabei sehe, blieb der ABDA-Geschäftsführer dem Publikum schuldig.
Auch die Fakten, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Laufe der Jahre vom Fall des Versandhandelsverbots 2003 bis hin zum Statement von Generalanwalt Yves Bot zum Fremd- und Mehrbesitzverbot im Dezember 2008 geschaffen und vorgegeben hat, wurden mit den bekannten Pros und Kontras aufgelistet. Die Richtung, in die der Weg der Entscheidungen weist, wurde aber weder weiter beleuchtet, noch eingeschätzt oder perspektivisch gedeutet.
Sicher kann man einwenden, dass visionäre Ideen in der Regel nicht in einer kontrovers besetzten Runde von Interessensvertretern entwickelt werden, dennoch kann man davon ausgehen, dass die Vertreter auf der Grundlage ihrer Position zumindest vage Vorstellungen eines Zukunftskonzepts haben. Ein Austausch über ihre damit verknüpften Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen oder Befürchtungen hätte den Zuhörern einen Eindruck von diesen Ideen sowie möglicherweise die eine oder andere Frage bezüglich der Zukunft des Pharmamarktes beantwortet.
Zum Stichwort "Vermeidung von Wechselwirkungen durch kompetente Beratung in der Apotheke" nannte Resch schließlich doch noch einen für ihn interessanten und zukunftsträchtigen Lösungsansatz, der die Einzelapotheke in ihrer Bedeutung für die Arzneimittelversorgung gegenüber der Versandapotheke aufwerten könnte: die Haus- bzw. Stammapotheke, die eine individualisierte Betreuung des Kunden auf der Grundlage seiner persönlichen Gesundheitsinformationen leistet und ihn dadurch zu binden vermag. Die Idee ist gut, aber nicht neu, und bislang gibt es von keiner Seite einen wirklichen Vorstoß in diese Richtung – wie etwa ein konkretes Konzept oder Kosten-Nutzen-Modelle.
Und das Fazit zur Zukunft? "Nur eins ist stetig, und das ist der Wandel", bemühte Ralf Däinghaus ein viel zitiertes Bonmot, um seine Sicht des deutschen Apothekenmarktes plakativ, aber vage zu beschreiben. Diesbezüglich waren sich dann am Ende auch ausnahmsweise alle Teilnehmer auf dem Podium einig: Die Umwälzungen im Pharmamarkt gehen weiter. Und in welche Richtung? Das konnte oder wollte zumindest im Berliner Wirtschaftsgespräch niemand wirklich sagen.
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