Selbstmedikation

Infektabwehr aus der Natur bei akuter Bronchitis

Im Zuge der zunehmenden Antibiotikaresistenzen erhalten pflanzliche Mittel als gut verträgliche und wirksame Alternative zur Therapie von Atemwegserkrankungen einen immer höheren Stellenwert. Auch der Pflanzenextrakt der südafrikanischen Kapland-Pelargonie (Umckaloabo®) wird immer häufiger eingesetzt. Kürzlich wurde ein neuer Wirkmechanismus für das Phytotherapeutikum postuliert.

Bei dem standardisierten Extrakt aus den Wurzeln der südafrikanischen Kapland-Pelargonie handelt es sich um ein Arzneimittel, das in zahlreichen placebokontrollierten Doppelblindstudien seine Wirksamkeit und Verträglichkeit bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen und Kindern dokumentierte. Er hat daher schon für die Kleinen ab einem Jahr eine Zulassung zur Therapie der akuten Bronchitis erhalten. Die Cochrane-Collaboration hat jüngst die Ergebnisse von acht randomisierten, doppelblinden klinischen Studien mit Umckaloabo® an mehr als 1750 Patienten in einer Metaanalyse zusammengefasst und beurteilt. In der Auswertung aus dem Juli dieses Jahres kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass der Pflanzenextrakt eine effektive Linderung der Symptome Husten, Verschleimung, Schnupfen und Halsschmerzen erzielen kann. Sie bestätigen somit die Wirksamkeit und gute Verträglichkeit des Phytotherapeutikums.

Antimikrobielle Effekte

Schon in der Vergangenheit wurde die antiinfektive Wirkung gegen Viren und Bakterien über verschiedene Mechanismen erklärt. Neben einer Stimulation des respiratorischen Flimmerepithels, wurden eine ausgeprägte Immunmodulation aufgrund einer Aktivierung von Makrophagen und einer gesteigerten Phagozytose sowie antibakterielle Effekte durch Hemmung der Adhäsion von Krankheitserregern an Zellen der Atemwegsschleimhaut beschrieben.

Inzwischen konnte ein weiterer Wirkmechanismus beobachtet werden, der sich sowohl gegen Viren als auch gegen Bakterien richtet. So wird für den Wurzelextrakt eine stimulierende Wirkung auf die Freisetzung von Abwehrstoffen des unspezifischen Immunsystems, den sogenannten Defensinen, postuliert.

Defensine

Defensine sind Peptide mit antimikrobieller Wirkung gegen Bakterien, Pilze und einige Viren. Diese Eiweißmoleküle werden ja nach Position der in ihnen enthaltenen Cysteine in alpha- und beta-Defensine unterteilt. Sie sind im Tier- und Pflanzenreich weit verbreitet und schon länger bekannt. Mittlerweise sind sie auch beim Menschen entdeckt worden. Humane Defensine werden als Bestandteil des unspezifischen Immunsystems in neutrophilen Granulozyten (phagozytische Leukozyten) und in den Keratinozyten der Haut produziert. Als Wirkmechanismus wird vermutet, dass die antimikrobiellen Peptide die Zellmembran der Erreger angreifen, indem sie sich an bestimmten Stellen der Membran kreisförmig anlagern und an diesen Stellen diese perforieren, wodurch die Erreger platzen und zugrunde gehen.

Biologische Vielfalt schützen und nutzen

1992 wurde auf der Naturschutzkonferenz in Rio de Janeiro die UN-Biodiversitätskonvention verabschiedet. Rund 190 Staaten haben seither die Rio-Konvention unterzeichnet, die im Dezember 1993 in Kraft trat. In ihr erkennen die Unterzeichner die Bedeutung und den Wert biologischer Vielfalt (Biodiversität) "in ökologischer, genetischer, sozialer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, erzieherischer, kultureller und ästhetischer Hinsicht" an. Damit reichen die Ziele der Rio-Konvention weit über bisherige Naturschutzabkommen hinaus. Neben dem Artenschutz geht es vor allem um die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen. Und der Lösung der damit verbundenen Probleme. Denn es besteht ein Ungleichgewicht in den Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Denn es sind vor allem Entwicklungsländer, die über einen großen Artenreichtum verfügen. Ihnen fehlen aber häufig die finanziellen oder wissenschaftlichen Mittel, diese Ressourcen selbst zu nutzen. Die Industrienationen sind dazu in der Lage. Sie vermarkten die aus traditionell genutzten Medizinalpflanzen gewonnenen Wirkstoffe sehr erfolgreich. Mit einem "gerechten Vorteilsausgleich" die Herkunftsländer z. B. am Gewinn zu beteiligen oder Technologie- und Wissenstransfer in die ärmeren Länder zu fördern ist ein Schwerpunkt der Rio-Konvention. Auch die Nutzung der Wurzel von Pelargonium sidoides (Umckaloabo®) fällt unter diese Konvention, da Südafrika 1995 sie ratifiziert hat. Im Süden Afrikas wurden Dekokte aus Pelargonium-Arten (Umcká loabó bedeutet in der Zulu-Sprache "schwerer Husten") in der traditionellen Heilkunst verwendet. Die Wurzeln gelangten schon 1897 durch den Engländer Charles Henry Stevens nach Europa. Stevens litt an Tuberkulose und wurde durch Einnahme eines Auszuges aus der Wurzel geheilt. Die Behandlung der Tuberkulose hat heutzutage keine Bedeutung mehr. Die aktuelle Forschung zu Umckaloabo® konzentriert sich auf den Einsatz bei akuten und chronischen Atemwegsinfekten. Die Pflanze wurde mit modernen wissenschaftlichen Methoden untersucht, das wirksame Prinzip beschrieben und einer kommerziellen Nutzung zugänglich gemacht. Dabei wurden beträchtliche finanzielle und personelle Ressourcen aufgewendet, damit die speziellen Anforderungen der europäischen Arzneimittelbehörden erfüllt werden. In Form eines Saftes werden in Umckaloabo® die Inhaltsstoffe aus Pelargonium sidoides gegen Husten und Bronchitis erfolgreich eingesetzt. Der Hersteller, die Dr. Willmar Schwabe GmbH, unterstützt als weltweit agierendes Unternehmen viele Maßnahmen zum gerechten Vorteilsausgleich in den Herkunftsländern. Zwingend ist dabei das nachhaltige und verantwortliche Sammeln der Pflanzen auf Basis von gültigen Sammelgenehmigungen, um den dauerhaften Erhalt der Pflanzen in ihrem natürlichen Habitat sicherzustellen. Die entsprechenden Genehmigungen werden von der Regierung und in jeder Region bei den betroffenen lokalen Gemeinschaften eingeholt, deren traditionelles Wissen genutzt werden soll. Geben beide ihre Zustimmung, so werden gegenseitige Vereinbarungen über die konkrete Nutzung im Sinne eines benefit sharings getroffen. Mit einer in Südafrika gegründeten Firma wird der Bevölkerung vor Ort ein Einkommen gesichert. Dort werden von über 100 Mitarbeitern und geschulten Sammlern ca. 90 Medizinalpflanzen in Plantagen angebaut bzw. wild gesammelt sowie Extrakte und Tinkturen hergestellt. Darüber hinaus fördert Schwabe in Südafrika die Erforschung einheimischer Medizinalpflanzen, finanziert Förderprojekte an den pharmazeutischen Fakultäten der südafrikanischen Universitäten und unterstützt die Ausbildung der Pharmazeuten.

Quelle

 

 29th Annual Conference of the Academy of Pharmaceutical Sciences of South Africa, 23. bis 26. September 2008, Rustenburg.

 

 P. sidoides - botanical source of a traditional remedy and a modern herbal medicinal product (EPs® 7630), 25.09.2008, veranstaltet von der Dr. Willmar Schwabe GmbH, Karlsruhe. 

 


ck

Körpereigene Abwehrstoffe

Man geht davon aus, dass die menschliche Haut neben ständig produzierten antimikrobiellen Peptiden, die vermutlich das Wachstum und die Zusammensetzung der normalen Hautflora kontrollieren, weitere Defensine bei Kontakt mit gefährlichen Mikroorgansimen bilden kann. Diese Defensine sind speziell gegen den Erreger wirksam, der sie induziert und sollen wahrscheinlich eine Infektion im Anfangsstadium verhindern helfen. Die Defensine gehören somit zu ersten körpereigenen Abwehrlinie im Rahmen der angeborenen Immunität. Ein Mangel an Defensinen kann zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber bakteriellen Infektionen führen. So konnte bei Patienten mit atopischer Dermatitis eine verminderte Abwehr von Staphylococcus aureus nachgewiesen werden und auch bei Morbus Crohn wird eine verminderte Defensin-Produktion diskutiert.

Steigerung der Produktion von Defensinen

In einer Studie aus dem Jahr 2007 konnte gezeigt werden, dass auch Pflanzenextrakte einen Einfluss auf die Aktivität der humanen Defensine haben können. So produzieren unter dem Einwirken des standardisierten Extraktes aus Pelargonienwurzeln neutrophile Granulozyten signifikant mehr antimikrobielle körpereigene Peptide. Zudem wurde unter Zugabe des Pflanzenextraktes bei gleichzeitiger Konfrontation mit Erregern nochmals eine Steigerung der Produktion und Freisetzung an Defensinen dokumentiert. Die Untersuchungsergebnisse lassen somit eine Basisstimulation der angeborenen Immunabwehr und einen gewissen infektprophylaktischen Effekt sowie eine Optimierung der Infektbekämpfung mit Umckaloabo® vermuten. Es ist bislang nicht geklärt, welche Einzelstoffe des Extraktes für die Effekte verantwortlich sind. Man geht davon aus, dass die Wirkung auf dem Gesamtextrakt beruht.

 

Quelle

Prof. Dr. rer. nat. Jens-Michael Schröder, Kiel; Priv.-Doz. Dr. med. Michael Igel, Bonn; Dr. med. Traugott Ullrich, Ettlingen: "Defensine – die trickreiche Abwehrwaffe der Natur gegen Bakterien, Viren & Co", Hamburg, 28. Oktober 2008, veranstaltet von der W. Spitzner Arzneimittelfabrik GmbH, Ettlingen.

 


Apothekerin Gode Meyer-Chlond

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.