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Interpharm 2009
Von Monopolisten und modernen Robin Hoods
Als Ausgangspunkt für die Diskussion wählte Rotta das Schlussplädoyer von Generalanwalt Yves Bot zum Fremdbesitzverbot vor dem Europäischen Gerichtshof. Im Vorfeld hatte die Mehrheit der Presse – auch das Handelsblatt – geschrieben, es sei sicher, dass dieses Verbot aus europäischer Sicht rechtswidrig sei. Bot hatte in seinem Plädoyer jedoch festgestellt, dass das Gegenteil der Fall sei. "Wie kam diese Falscheinschätzung zustande?", stellte Rotta die Frage in den Raum. Die politische Debatte sei zuvor stets in Richtung Liberalisierung gegangen, meinte Thelen. In der Presse sei so die Stimmung entstanden, dass der Markt Deregulierungen brauche. Auch er selbst sei zu dieser Überzeugung gekommen. Den provokanten Einwurf Rottas, ob es nicht sein könne, dass er und seine Kollegen dabei ihrer eigenen Suggestion oder gar den Einflüsterungen Dritter zum Opfer gefallen seien, wies Thelen von sich. Seine Einstellung sei vielmehr aus der Erfahrung heraus entstanden, die er in anderem Zusammenhang gemacht habe. Thelen nannte als Beispiel das "Optikerurteil" des Europäischen Gerichtshofs: "Da haben wir gesehen, dass das Angebot an Brillen nach der Deregulierung billiger geworden ist. Diese positive Erfahrung haben wir gedanklich auf den Apothekenmarkt übertragen." Erstaunlich für ABDA-Pressesprecher Bellartz war die Reaktion der Presse nach dem Schlussplädoyer. "Natürlich haben wir uns bei der ABDA gefreut, haben jedoch beschlossen, diese Freude nicht nach außen zu tragen, sondern den Ball lieber flach zu halten." Trotz dieser Zurückhaltung konnte man am Tag nach dem Schlussplädoyer in mehr als 90 Prozent der Printmedien negative Äußerungen über die Apotheker lesen. So hatte auch Thelen vom "gefestigten Apothekenmonopol" geschrieben.
Apotheke als Versorgungsmarkt
Bellartz zufolge geht die Diskussion hier in die falsche Richtung. Wenn man von "Monopol" spricht, meint man in der Regel ein Marktmonopol. Im Zusammenhang mit der Apotheke sollte man nach Ansicht von Bellartz allerdings weniger an einen Markt im wirtschaftlichen Sinn als vielmehr an einen individualisierten, personalisierten Versorgungsmarkt denken. "Da stellt sich dann die Frage, ob die Apotheke überhaupt in eine Zeitung wie das Handelsblatt gehört. Meiner Meinung nach ist sie besser in der Regionalzeitung aufgehoben, weil die näher an diesem individualisierten Versorgungsmarkt, an den Menschen, dran ist. Eine Wirtschaftsberichterstattung ist für Versorgungsmärkte ungeeignet." Dem stimmte Rotta zu. Er bezeichnete es als paradox, dass namentlich in der Wirtschaftspresse immer noch eifrig am Robin-Hood-Image von DocMorris gebastelt werde – und das auch noch nachdem Europas größter Pharmagroßhändler Europas größte Versandapotheke gekapert hatte: "Celesio/DocMorris als Protagonist der Entrechteten und Beladenen; 21.500 Apotheken als wettbewerbsfeindliche und politisch sakrosankte Monopolkapitalisten. Warum lassen Sie sich so instrumentalisieren? Wo bleibt Ihre journalistische Kritikfähigkeit und Recherchefreudigkeit, sobald es um die beiden Porsche-Fahrer Däinghaus und Oesterle geht?", fragte Rotta den Handelsblatt-Redakteur. Die Apotheker hätten nach Kräften dazu beigetragen, dieses Image in der Presse zu stärken, verteidigte sich Thelen. "Es wurde doch über Jahrzehnte hinweg nur auf standespolitischen Privilegien beharrt. Die Apotheker waren vollkommen kritikresistent und zudem vielfach herablassend gegenüber Journalisten." So sei das Bild entstanden, das sich bis heute hartnäckig in der veröffentlichten Meinung hält und das nun mühsam aufgebrochen werden müsse.
Im Zusammenhang mit DocMorris ging Thelen auf den Wegfall der Preisbindung für OTC-Arzneimittel ein. Er kritisierte, dass sich trotz der Freigabe kaum etwas bei den Preisen getan habe. "Wenn in einer Stadt 100 Prozent der Apotheken ihre OTC-Arzneimittel trotz der Möglichkeit der Preisgestaltung zum vom Hersteller empfohlenen Abgabepreis verkaufen, liegt doch die Vermutung nahe, dass das Konglomerat der Apotheken die Preise oben halten will", meinte Thelen. Und es sei doch logisch, dass man dann die Ankündigung von DocMorris-Chef Däinghaus, mit ihm werde es endlich billiger, positiv aufgreife.
Apotheker denken um
Thelen räumte allerdings ein, dass mittlerweile ein Umdenken bei den Apothekern einsetze. "Wir sehen, dass die Apothekerschaft ihre Verantwortung für eine kostenbewusste Arzneimittelversorgung wahrnimmt." Für viele frühere Kritikpunkte gebe es heute keinen Anlass mehr. So habe sich z. B. durch die Einführung des Fixaufschlags die Kritik, Apotheker seien Preistreiber, erledigt. Er wünsche sich jedoch insgesamt, dass die Apotheker hier noch aktiver würden. Sie sollten sich Thelen zufolge weniger von außen lenken lassen, sondern von sich aus Vorschläge zur wirtschaftlichen Versorgung der Patienten machen. Bellartz nahm dies als Wunsch an die ABDA an. Er äußerte seinerseits den Wunsch an die Wirtschaftsredakteure, bei ihrer Berichterstattung stets kritisch hinzuschauen. So sei es falsch, die Austauschbarkeit von Arzneimitteln als Instrument der Wirtschaftlichkeit hochzujubeln und dabei zu vergessen (oder nicht zu wissen), welche Folgen ein Austausch für den einzelnen Patienten haben könne. Hier sollte mehr nachgefragt werden, um die Zusammenhänge richtig publizieren zu können. Rotta meinte zusammenfassend, es habe sich in der Diskussion gezeigt, dass sowohl bei den Apothekern als auch bei der Presse offenbar ein Umdenken stattfinde. Von Seiten der Presse wünschte er sich, dass sie das mittlerweile vorhandene positivere Bild der Apotheke stärker nach außen transportiert und auch bei den Robin Hoods kritisch hinschaut. ral
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