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Der Morgen des Gerichtsurteils
Es lag eine Spannung in der Luft, wie man sie nur von richtig guten Thrillern her kennt. Kurz vor neun Uhr begann sich der große Gerichtssaal im Alten Palais des Europäischen Gerichtshofs zu füllen. Kläger und Beklagte trafen ein, schauten sich nicht in die Augen. Aufmunternde Worte tauschte man nur untereinander aus. Die Nerven lagen auf beiden Seiten blank, zumal vor wenigen Tagen Gerüchte kursierten, wonach es bereits erste Hinweise auf den für das Fremdbesitzverbot negativen Ausgang des Verfahrens geben sollte. Es waren nur Gerüchte, die sich nicht bestätigen sollten.
9.30 Uhr: Die beteiligten Anwälte, die im Saal Platz genommen hatten, standen auf und verließen den Saal durch eine Seitentür, um die Richter zu begrüßen, die sich noch im Raum hinter dem Gerichtssaal befanden. Nach wenigen Minuten kehrten sie zurück und nahmen Platz. Das ist die Gepflogenheit.
9.40 Uhr: Der Gerichtsdiener ließ einen Gong erklingen. Die große Tür an der Frontseite des Saals öffnete sich, die Richter traten ein, um ihre Plätze einzunehmen. Die Zuhörer standen von den Plätzen auf. Mit den Worten "L‘audience est ouverte" eröffnete der Vorsitzende die Sitzung, man durfte sich wieder setzen.
Mehrere Urteile standen zur Verkündung an, das Urteil in Sachen Fremdbesitzverbot und Niederlassungsfreiheit wurde als erstes verlesen, in deutscher Sprache:
"In der verbundenen Rechtssache C-171/07 und 172/07, Apothekerkammer des Saarlandes ... und andere gegen Saarland und das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales, hat der Gerichtshof, Große Kammer, für Recht erkannt: Die Artikel 43 EG und 48 EG stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, die Personen, die keine Apotheker sind, den Besitz und den Betrieb von Apotheken verwehrt." Das war alles. Kurz und knapp auf den Punkt gebracht. Will heißen: Das deutsche Fremdbesitzverbot ist mit EU-Recht vereinbar. Wir haben gewonnen!
Während sich die Gesichtszüge der Anwälte auf der Klägerseite sichtlich entspannten, breitete sich die große Enttäuschung bei DocMorris-Chef Däinghaus, seinen Prozessvertretern, der angereisten Celesio-Mannschaft und beim Vertreter des Saarländischen Ministeriums, Staatssekretär Wolfgang Schild, aus.
Noch musste man einige Minuten still im Saal sitzen bleiben und weitere Urteilsverkündungen in den jeweiligen Landessprachen anhören. Dann endlich, kurz vor zehn, öffneten sich die Saaltüren. Zuhörer und Medien stürmten nach draußen, wo man bereits die ausführliche Pressemitteilung des Gerichts in Empfang nehmen konnte, die den kargen Urteilssatz erläuterte.
ARD, ZDF, Rundfunk-Journalisten – und die DAZ – stürzten sich auf die Prozessbeteiligten, um erste Statements einzuholen. Bemerkenswert: Der Vertreter der saarländischen Apothekerkammer, Kammerpräsident Manfred Saar, war für die Medien der erste Interviewpartner. Saar war sichtlich erfreut: ein Sieg für die Patientensicherheit und die deutschen Apotheken. Auch die Saarbrücker Apothekerin Neumann-Seiwert strahlte: Wir werden die Sektkorken knallen lassen.
Däinghaus im Scheinwerferlicht der Medien versuchte vor den Mikrofonen seine Enttäuschung zu kaschieren und gab sich gewohnt lässig: Man bedauere das Urteil, es sei ein Rückschlag für den Wettbewerb in der Apothekenlandschaft. Aber, wie es so seine Art ist, sah er im Urteil auch einen Sieg. Man habe gewonnen, da man ein tolles Markenpartnerkonzept aufbaue und noch viele Ideen und Eisen im Feuer habe. Es war ihm trotzdem anzumerken, dass er nicht allzu glücklich war. Da sein Arbeitgeber bereits die Ketten ausgerufen und Verträge über Apothekenzukäufe abgeschlossen hatte, konnte dieses Urteil nur eine große Enttäuschung für Celesio sein. Im Internet konnte man verfolgen, wie die Aktie des Pharmahändlers geradezu nach unten schoss. Der Prozessvertreter von DocMorris, Professor Koenig, gestand da schon ohne Umschweife ein, dass es eine große Enttäuschung war. Mit diesem Ausgang des Urteils hatte er einfach nicht gerechnet ...
Peter Ditzel
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