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Große Freude, böser Kater

Der 19. Mai 2009 – er wird uns in Erinnerung bleiben. Tag der Entscheidung in Luxemburg. Für alle Apotheker in Deutschland und Europa, die auch in Zukunft als Angehörige eines freien Heilberufs ihre Aufgaben in der Arzneimittelversorgung wahrnehmen wollen, ist es ein historischer Tag. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sein mit großer Spannung erwartetes Urteil verkündet: Das Fremdbesitzverbot, wonach nur Apotheker Apotheken besitzen und betreiben dürfen, nicht aber Berufsfremde oder Kapitalgesellschaften, ist europarechtskonform. Allen systematisch verbreiteten Unkenrufen zum Trotz kollidiert das Fremdbesitzverbot nicht mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht.

In einer jahrelangen Kampagne war versucht worden, uns das Gegenteil einzutrichtern: Apotheken in der Hand von Apothekern – das sei ein Auslaufmodell; es werde große Ketten in der Hand mächtiger Kapitalgesellschaften geben; Gegenwehr sei nutzlos; spätestens der EuGH werde dem System von Apotheken in der Hand von Apothekern europaweit den Todesstoß versetzen. Publikationen wurden lanciert, Kongresse und Foren in Fülle veranstaltet, um diese Thesen zu transportieren.

Die Lobby der Kettenfans hat selbst viele von denen verunsichert, die – wie wir – im "Approbationsgebot" (das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot ist nichts anderes) ein wirksames Instrument des Verbraucherschutzes sehen. Statt einfach einmal ein bisschen froh zu sein, melden sich gleich wieder eingefleischte Berufspessimisten zu Wort. Der Kampf gehe weiter. Die andere Seite habe zu viel investiert, um jetzt klein beizugeben. Sie werde nun national versuchen, was auf Europaebene nicht geklappt hat. Das ist ja alles richtig. Aber könnten unsere Voraussetzungen für nächste Runden der Auseinandersetzung besser sein, als nach diesem EuGH-Urteil? In welchem politischen Lager – außer bei den Grünen – gibt es denn Mehrheiten für Apothekenketten? Hat sich nicht der Bundestag nahezu geschlossen gegen Apothekenketten ausgesprochen? Den Pessimisten sei gesagt: Wer die Hoffnung begräbt, begräbt auch seine Zukunft: In dubio pro spe!

Den Realitäten ins Auge zu sehen, und trotzdem weiter zu kämpfen, war nicht immer einfach. Wer Optimist blieb, war oft ziemlich einsam. Denn auch fast die gesamte Wirtschaftspresse ist den Parolen der Lobby der Kettenprotagonisten auf den Leim gegangen. Das ist nur zum Teil verständlich: Große Gesellschaften, möglichst börsennotiert, die neue Märkte erobern wollen – davon verstehen sie etwas; das ist "sexy" für unsere Kollegen in der Wirtschaftspresse – in Bericht und Kommentar. Freie Berufe, traditionsreiche zumal, mögen sie auch angesehen sein, sind eher langweilig; davon verstehen sie wenig. Deshalb liest man jetzt vom "Tiefschlag" für Celesio, dem "bösen Erwachen", der "Schlappe" für DocMorris: Katerstimmung ist dort angesagt. Immerhin herrsche jetzt Klarheit, meinte Celesio-Chef Oesterle ernüchtert. Das sei ein klassischer Fall von Galgenhumor – kommentierte das Handelsblatt.

Wir aber dürfen uns freuen. Das Urteil ist sehr klar, sehr strukturiert, sehr schlüssig: Es erkennt an, dass Fremdbesitzverbote zwar die Niederlassungsfreiheit beschränken (Art. 43 EG), auch entsprechen sie nicht der Vorschrift des EG-Vertrages, wonach niederlassungsrechtlich Gesellschaften natürlichen Personen gleichzustellen sind (Art. 48). Diese Beschränkungen der Verkehrsfreiheiten seien jedoch gerechtfertigt und geeignet, gleichzeitig aber auch nicht zu weitgehend, um "eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung sicherzustellen". Der deutsche Gesetzgeber mache von seinem Bewertungsspielraum, wie und auf welchem Niveau er Regelungen zum Schutz der Gesundheit seiner Bevölkerung treffe, beim Fremdbesitzverbot angemessen Gebrauch. Er könne präventiv – "ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist" – Schutzmaßnahmen treffen.

Mit diesem eindeutigen Urteil lässt sich bestens argumentieren, auch wenn Celesio, DocMorris oder andere Apothekenkettenbefürworter nun auf der nationalen Karte versuchen sollten, was ihnen über die Brüsseler Bande – unter Instrumentalisierung der EU-Kommission – nicht gelungen ist.

Das Urteil ist nicht zuletzt auch eine schallende Ohrfeige für den ehemaligen saarländischen Justiz- und Gesundheitsminister Hecken und seinen Staatssekretär Schild (beide CDU). Ihr seltsames und anmaßendes Rechtsverständnis liegt nun offen zu Tage. Sie haben der niederländischen Kapitalgesellschaft DocMorris NV eine Apothekenbetriebserlaubnis erteilt, die nicht nur (was schon bislang unbestritten war) deutschem Recht widersprach; sie ist (wie jetzt entschieden ist) auch durch Europarecht nicht sanktioniert. Die Frage nach politischen Konsequenzen ist angebracht – zumal der Deal ja in einer Kommission ausgekungelt wurde, deren Zusammensetzung bis heute geheim gehalten wird. Allerdings wissen wir, dass der DocMorris-Anwalt Dieckmann ihr angehörte – was allein schon ein Skandal für sich ist.


Klaus G. Brauer

Klaus G. Brauer

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