Zoonosen

Affenmalaria – auch für den Menschen gefährlich!

Eine der am weitesten verbreiteten Infektionserkrankungen unter den Wirbeltieren ist die Malaria. Sie befällt sowohl Vögel und Reptilien als auch Säugetiere, unter diesen vorwiegend Nager und Primaten. Heute sind mehr als 30 Spezies der Gattung Plasmodium bekannt, die Primaten infizieren können [1], davon sind vier Spezies (Plasmodium falciparum, P. vivax, P. ovale und P. malariae) die Malariaparasiten des Menschen. Doch die Abgrenzung zu den Parasiten der Affen ist nicht so strikt, wie es lange Zeit schien – und diese Erkenntnis kann in Einzelfällen über den Erfolg einer Behandlung entscheiden. Denn zum Teil sind die Malariaparasiten des Menschen eng mit denen verschiedener Affen verwandt. Im Laufe der Entwicklung hat es vermutlich häufiger einen Transfer von Malariaparasiten zwischen Menschen und Affen gegeben.

Bis in die 1960er Jahre herrschte die Auffassung: Affenmalaria ist für Affen und humane Malaria ist für Menschen [3]. Erst ein Laborunfall änderte dies. Im Jahre 1960 wurden mehrere Personen auf natürlichem Wege, das heißt durch den Stich infizierter Mücken, mit Plasmodium cynomogli infiziert. Die Mücken hatten die Parasiten von einem Laboraffen aufgenommen, der zuvor im östlichen Malaysia gefangen worden war. Um herauszufinden, welche weiteren, bei Affen vorkommenden Malariaparasiten für den Menschen infektiös sind, wurde Freiwilligen das Blut infizierter Affen injiziert. Am Rande sei bemerkt, dass diskutiert wurde, ob diese Experimente nicht vielleicht den Sprung der Retroviren (HIV) von Affen auf Menschen ermöglicht haben könnten [4]. In weiteren Untersuchungen konnte unter Laborbedingungen auch die Übertragung via Mücke vom Affen auf den Mensch für folgende Malariaparasiten nachgewiesen werden: Plasmodium cynomogli, P. brasilanum, P. eylesi, P. knowlesi, P. inui, P. schwetzi und P. simium. 1965 wurde dann auch erstmals eine natürliche, d. h. in freier Wildbahn erworbene Infektion mit P. knowlesi beobachtet. Solche Zoonosen galten in der Folgezeit eher als Kuriositäten denn als eine ernstzunehmende Gefahr, zumal die meisten Infektionen mit Affenmalaria einen vergleichsweise milden Verlauf gezeigt hatten [5].

Um das Jahr 2000 fiel auf, dass in einer bestimmten Region des malaysischen Teils der Insel Borneo ungewöhnlich viele Infektionen mit Plasmodium malariae diagnostiziert wurden und diese darüber hinaus einen untypischen Verlauf zeigten. Normalerweise sind P.-malariae-Infektionen chronisch und asymptomatisch mit niedrigen Parasitämien. Bei diesen Infektionen waren jedoch weitaus größere Zahlen von Erythrozyten befallen und es zeigte sich eine deutliche Symptomatik. Darauf wurde die klassischerweise lichtmikroskopische Erregerklassifizierung mit molekularbiologischen Methoden (nested PCR) überprüft. Bei nur vier von 312 Proben, die lichtmikroskopisch als Plasmodium malariae identifiziert wurden, konnte dieses Ergebnis mittels nested PCR bestätigt werden. Dagegen waren 216 dieser vermeintlichen Plasmodium-malariae-Isolate tatsächlich P. knowlesi [7]. Die lichtmikroskopische Unterscheidung von Plasmodium knowlesi von humanen Malariaparasiten ist extrem schwierig, weil die Ringstadien von P. knowlesi denen von P. falciparum und die Trophozoiten- und Schizontenstadien denen von P. malariae zum Verwechseln ähnlich sind. Eine Nachuntersuchung archivierter Blutproben aus dem Jahr 1996 zeigte, dass P. knowlesi nicht neu beim Menschen aufgetreten war, sondern dass Infektionen mit diesem Parasiten auch schon früher stattgefunden haben, allerdings als Plasmodium-malariae-Infektionen fehldiagnostiziert wurden [8]. Bevor moderne molekularbiologische Methoden zur Verfügung standen, war die Unterscheidung von P. malariae und P. knowlesi sehr aufwendig: Blut von Malariapatienten wurde Rhesusaffen (M. mulatta) injiziert. Starben die Rhesusaffen schnell an Malaria, so war es P. knowlesi, das im Gegensatz zu P. malariae in Rhesusaffen schnell tödlich verlaufende Infektionen verursacht.

Schnelle und exakte Diagnosestellung erforderlich

Die natürlichen Wirte von Plasmodium knowlesi sind der Südliche Schweinsaffe (Macaca nemestrina) und der Javaneraffe (Macaca fascicularis). In diesen Affen verlaufen die Infektionen normalerweise mild und chronisch. Im Gegensatz zu der Infektion mit P. malariae, die als vergleichsweise ungefährlich gilt, ähnelt der Verlauf der Infektion des Menschen mit P. knowlesi viel mehr der mit P. falciparum, dem gefährlichsten Malariaparasiten des Menschen. Da P. knowlesi von allen Malariaparasiten die kürzeste Replikationszeit von nur 24 h (P. falciparum 48 h; P. malariae 72 h) [1] hat, können in kürzester Zeit sehr viele Erythrozyten befallen werden. Verzögerungen in der Diagnosestellung oder der Einleitung einer adäquaten Therapie, etwa in der irrigen Annahme, man habe einen Fall einer weniger gefährlichen P.-malariae-Infektion vorliegen, könnten schnell zu schweren Komplikationen führen. So wurden zwischen 2004 und 2005 im malaysischen Teil Borneos vier Todesfälle durch P. knowlesi nachgewiesen. Die tödlichen Komplikationen ähnelten denen der schweren Falciparum-Malaria, es traten Leber- und Nierenversagen, Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) und nicht beherrschbare Hypotensionen [7] auf.

Überträger der P.-knowlesi-Parasiten sind Mückenarten, die ihre Blutmahlzeiten sowohl von Affen als auch von Menschen beziehen. Die Gefahr einer Infektion besteht daher immer dort, wo sich die Menschen den Lebensräumen der natürlichen Wirte nähern oder in diese eindringen. Obwohl unter experimentellen Bedingungen eine natürliche Übertragung (d. h. via Mücke) von Mensch zu Mensch möglich ist, sind solche Ereignisse in der Natur bisher noch nicht nachgewiesen worden. Es erscheint daher im Moment noch verfrüht, von Plasmodium knowlesi als dem fünften Malariaparasiten des Menschen zu sprechen [9]. Voraussetzung hierfür wäre ein stabiler Infektionszyklus Mensch-Mücke-Mensch, wofür es aber zur Zeit noch keinerlei Beweise gibt. Noch sind die Infektionen mit P. knowlesi als echte Zoonosen anzusehen [5, 10]. Diese sind jedoch in großen Teilen des südostasiatischen Raums anzutreffen: Im malaysischen Teil Borneos, auf der malaysischen Halbinsel, in Singapur, auf den Philippinen und in Thailand [10]. Gefährdet sind hier nicht nur Einheimische, sondern auch Reisende, wie drei nach Europa bzw. in die USA importierte Fälle zeigen. Auch hier muss man sich der Gefahr durch P. knowlesi bewusst sein. Denn die aufgrund der lichtmikroskopischen Untersuchung von Blutausstrichen allzu leicht mögliche Verwechslung mit P. malariae könnte für den betroffenen Patienten fatale Folgen haben. Es wurde daher empfohlen, jede in den betroffenen Gebieten erworbene Malaria, bei der lichtmikroskopisch P. malariae gefunden wurde, so ("with a sence of urgency") zu behandeln, als ob sie durch P. knowlesi verursacht wäre [7, 10]. Da Affen im Gegensatz zu Menschen keine Malariatherapeutika verwendet haben, sind ihre Malariaparasiten gegenüber den gängigen Malariatherapeutika empfindlich [2]. Die nach den gebräuchlichen Einnahmeschemata betriebene Chemoprophylaxe bietet jedoch keinen Schutz gegen P. knowlesi, da die intrahepatische Entwicklungsphase dieser Parasiten länger dauert, als die der vier üblichen Malariaparasiten des Menschen.

Glossar

Der Südliche Schweinsaffe (Macaca nemestrina) ist eine Primatenart aus der Gattung der Makaken.

Der Javaneraffe , Langschwanzmakak oder Krabbenesser (Macaca fascicularis) ist eine Primatenart aus der Gattung der Makaken.

Nested PCR: zweistufige Polymerase-Kettenreaktion mit zwei verschiedenen Primer-Sets, die die Spezifität der DNA-Vervielfältigung erhöht.

Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS): massive Reaktion der Lunge auf verschiedene schädigende Faktoren.

Unbekannte Malariaparasiten bei Schimpansen

Das Beispiel von P. knowlesi zeigt, dass Erreger der Malaria bei Affen durchaus für den Menschen relevant werden können. Weitere Kandidaten außer P. knowlesi könnten P. cynomogli und P. inui sein, denen im Gegensatz zu P. knowlesi ein weitaus größeres Spektrum an Vektoren zur Verfügung steht [5; 10]. Insgesamt sind die Wechselbeziehungen zwischen der Malaria bei Affen und bei Menschen nur unzureichend bekannt. Erst kürzlich wurden zum ersten Mal bei einem Schimpansen Malariaparasiten gefunden, die mit einer Variante des humanen Malariaparasiten P. ovale genetisch identisch waren [11]. Im letzten Monat wurde auch über die Entdeckung eines bisher unbekannten Malariaparasiten bei Schimpansen berichtet, der mit dem humanen Malariaparasiten P. falciparum verwandt ist [12]. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit solcher Parasiten für den Menschen ist jedoch Vorsicht angebracht. Der neu entdeckte, Plasmodium gaboni genannte Parasit weist eine geringere genetische Ähnlichkeit zu P. falciparum auf, als der seit langem bekannte Malariaparasit P. reichenowi, der Schimpansen und Gorillas befällt. Alle Versuche, Menschen durch die Übertragung von Blut befallener Affen mit P. reichenowi zu infizieren, waren indes erfolglos [1].

 

Quelle

 [1] Coatney, G.R., Collins, W.E., Warren, M. & Contacos, P.G.: The Primate Malarias. CD-ROM version 1.0 edn. Altlanta, FL: CDC Division of Parasitic Disease. (2003) [originally published in 1971].

 [2] White, N J.: Sharing malarias. The Lancet. 363 (2004), 1006.

 [3] Coatney, G.R.: The simian malarias: Zoonoses, anthroponoses, or both? The American Journal of tropical medicine and hygiene. 20 (1971), 795 – 803.

 [4] Gilks, C.: AIDS, monkeys and malaria. Nature. 354 (1991), 262 – 263.

 [5] Collins, W.E. and Barnwell, J.W.: Plasmodium knowlesi: Finally Being Recognized. The Journal of Infectious Diseases. (2009), 1107 – 1108.

 [6] Singh, B., Sung, L.K., Matusop, A., Radhakrishnan, A., Shamsul, A.S.G., Cox-Singh, J., Thomas, A., Conway D.J.: A large focus of naturally acquired Plasmodium knowlesi infections in human beings. The Lancet. 363 (2004), 1017 – 1024.

 [7] Cox-Singh, J., Davis, T.M.E., Lee, K-S., Shamsul, S.S.G., Matusop, A., Ratnam, S., Rahman, H.A., Conway D.J., and Singh. B.: Plasmodium knowlesi Malaria in Human Is Widely Distributed and Potentially Life Threatening. Clinical Infectious Diseases. 46 (2008), 165 – 171.

 [8] Lee, K-S., Cox-Singh, J., Brooke, G., Matusop, A., Singh, B.: Plasmodium knowlesi from archival blood films: Further evidence that human infections are widely distributed and not newly emergent in Malaysian Borneo. International Journal for Parasitology. (2009) im Druck.

 [9] White, N J.: Plasmodium knowlesi: The Fifth Human Malaria Parasite. Clinical Infectious Diseases. 46 (2008), 172 – 173.

 [10] Galinski, M.R., and Barnwell J.W.: Monkey malaria kills four humans. Trends Parasitol. im Druck.

 [11] Duval, L. Nerrienet, E., Rousset, D; Mba S.A.S., Houze, S., Fourment, M., Le Bras, J., Robert, V., Ariey, F. Chimpanzee Malaria Parasites related to Plasmodium ovale in Aftica. PLOS One. 4 (2009), e5520.

 [12] Ollomo, B., Durand, P., Prugnolle, F., Douzery, E., Arnathau, C., Nkoghe, D., Leroy, E., Renaud, F.: A New Malaria Agent in African Hominids. PLOS Pathogens 5 (2009), e1000446.

 

 

Autor

Prof. Dr. Martin Schlitzer
Institut für Pharmazeutische Chemie
Philipps-Universität Marburg
Marbacher Weg 6
35032 Marburg
E-Mail: schlitzer@staff.uni-marburg.de

 

 

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