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Der moderne Pranger …

Peter Ditzel

... oder ein längst überfälliges Werkzeug für mehr Transparenz im Gesundheitswesen? Die AOK will ein neues Ärzte-Bewertungsportal im Internet einrichten. Im Studenten- und Hochschulbereich gibt es Bewertungsportale schon seit einiger Zeit, beispielsweise das Internetportal spickmich.de für die Bewertung von Schulen durch die Schüler oder MeinProf.de. Dort können Studenten Bewertungen ihrer Uni oder aber auch Bewertungen von Professoren, Dozenten und Lehrveranstaltungen abgeben (zum Beispiel zu den Themen Fairness, Material, Verständlichkeit oder auch Spaß).

Auch für Ärzte gibt es seit geraumer Zeit Arzt-Bewertungsportale, auf denen sich die Patienten austoben und ihre Meinung über ihre Ärzte ablassen können. Beispiele für solche Portale sind DocInsider, MedMonitor (für Kliniken), Helpster oder Imedo. Diese Portale haben in den letzten Monaten richtig Aufwind bekommen, nachdem ein Gericht die Betreiber der Bewertungsplattform von der Vorabprüfungspflicht befreit hatte. Dennoch – und das dürfte auch notwendig sein – geben solche Portale an, dass sie Filter eingebaut haben, damit auf diesen Portalen keine Beleidigungen oder Behauptungen aufgestellt werden, die das Persönlichkeitsrecht verletzen. Ärzte fühlen sich in diesen Portalen nicht selten an den digitalen Pranger gestellt. Sie können sich kaum gegen die dort gemachten Äußerungen über ihre Leistungen wehren.

Jetzt will also auch Deutschlands Gesundheitskasse AOK auf dem Markt der Bewertungsportale mitmischen. Damit dürfte dieser Markt neuen Auftrieb bekommen. Unter dem Oberbegriff des AOK-Gesundheits-Navi erhalten die Verbraucher ein neues Service-Tool. Die AOK geht dabei von ihrem Leitbild des mündigen Versicherten aus. Der Gesundheits-Navi beinhaltet 16 unterschiedliche Funktionen, sie reichen vom Krankenhaus-Navigator über das Pflegeheim bis hin zur Suche der Notdienst-Apotheke. Laut AOK wird beispielsweise allein der Pflegeheim-Navi täglich von 1500 Menschen in Anspruch genommen.

Ab 2010 will die AOK ihren mehr als 24 Millionen Versicherten die Möglichkeit geben, Leistung und Service der rund 185.000 niedergelassenen Ärzte über den AOK-Ärzte-Navigator im Internet zu bewerten. Das gibt einen Durchbruch in Sachen Transparenz der ärztlichen Leistung. Was früher dem Zufall überlassen bleiben musste (Wie finde ich einen guten Arzt? Wie gut ist der Arzt, den ich mir ausgesucht habe?), kann bald mithilfe dieses Portals unter sachlichen Kriterien angegangen werden. Wirklich? Ärztefunktionäre laufen bereits jetzt dagegen Sturm und wettern gegen diese Art von Ärzte-TÜV. Zwar mussten sie bisher schon mit den oben genannten Bewertungsportalen leben, doch wenn die größte gesetzliche Krankenversicherung ein solches Portal ins Leben ruft und mit entsprechender werblicher Power ihre Versicherten darauf aufmerksam macht, dann dürfte dies eine andere Qualität bekommen. Nach Ansicht der AOK können die Patienten sehr wohl Servicequalität, Praxisorganisation, Wartezeiten und ihre Einbindung in die ärztliche Beurteilung bewerten. Einige Arztfunktionäre halten davon jedoch wenig: diese Meldungen der Patienten hätten nur subjektiven anekdotischen Charakter ohne größere Aussagekraft. Man könne über Online-Bewertungsportale nicht herausfinden, ob ein Arzt ein guter oder schlechter Arzt sei, meint denn auch die Bundesärztekammer. Dazu brauche man eine wissenschaftlich valide Qualitätssicherung. Außerdem könne sich der Arzt kaum vor Falschaussagen und Verleumdungen schützen, weshalb die Bundesärztekammer gegen den AOK-Arzt-Navi ist. Um dem vorzubeugen, will die AOK ihr Portal anders aufbauen: Wer eine Bewertung abgibt, wird dies nicht anonym tun können, sondern er muss sich zuvor über seine AOK-Mitgliedsnummer identifizieren.

Mein Fazit: Kaum noch vorstellbar, wie man früher auf Arztsuche gehen musste. Von Kassen und Ärztekammern war nichts zu erfahren. Man war auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen, auf Tipps von Freunden und Bekannten. Oder man hat einfach nur Telefonbücher gewälzt. Einerseits entspricht es also dem Zeitgeist, dass man Informationen über Ärzte, auch über deren Leistungsangebot im Internet findet, zusammentragen kann und sich ein Bild über die Leistungen eines Arztes machen kann. Andererseits: Wer einem Arzt Böses will, kann Schindluder damit treiben. Er kann falsche Bewertungen abgeben, er kann andere animieren, diesen Arzt abzuwerten, ebenso könnte ein Arzt Patienten und Freunde beeinflussen, positive Bewertungen abzugeben. Oder er könnte sich selbst mehrfach positiv bewerten. Bleibt auch die Frage offen, wie Bewertungen gelöscht werden können, wenn ein Arzt seine Leistungen verbessert hat. Kann es hier also überhaupt ein objektives Bewertungsverfahren geben? Bei aller Liebe zur Transparenz: ein bisschen Pranger wird wohl immer bleiben.

Ach ja, es gibt bereits Bewertungsportale für Apotheken, zum Beispiel jameda.de – noch sind nicht allzu viele Apotheken bewertet. Das könnte sich bald ändern. Vielleicht plant die AOK oder eine andere Kasse mit der gleichen Power bereits einen Apotheken-Navi?


Peter Ditzel

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