Arzneimittel und Therapie

Möglichst wenig Stoffe auf die Haut

Die Haut von Säuglingen und Kleinkindern ist bei der Geburt zwar komplett angelegt, sie muss jedoch noch reifen und reagiert in vielen Punkten anders als die Haut von Erwachsenen. So kann die Haut von Kleinkindern viele Wirkstoffe sehr gut resorbieren. Der Pädiater Prof. Dr. Peter Höger aus Hamburg rief dazu auf, bei Säuglingen und Kleinkindern möglichst wenig Arzneimittel und Hilfsstoffe auf der Haut einzusetzen.
Empfindliche Haut Im ersten und zweiten Lebensjahr sollte kein Harnstoff eingesetzt werden, da er hier noch nicht vertragen wird und zu einem Brennen frühren kann. Auch der Entzündungshemmer Bufexamac gilt als obsolet, da er schwere Kontaktekzeme auslösen kann.
Foto: Pampers

Bei der Geburt sind Epidermis und Dermis noch nicht miteinander verzahnt: die Haut des Neugeborenen ist empfindlich und neigt zur Blasenbildung. Später kommt es zu einer zunehmenden Vernetzung und zu einer weiteren Dickenzunahme der Dermis. Auch die Schweißdrüsen funktionieren zu Beginn noch nicht richtig, und die Thermoregulation ist mangelhaft. Die epidermale Lipidbarriere bildet sich ebenfalls erst im Laufe des ersten Lebensjahres aus. Bis dahin ist der Wasserverlust der Haut noch relativ hoch, und das Stratum corneum ist nur wenig hydratisiert. Die Haut des Neugeborenen ist deshalb zu Beginn noch sehr trocken und rau, die typische rosige Babyhaut entwickelt sich erst nach zwei bis vier Monaten. Frühgeborene können vor dem hohen Wasserverlust durch Einreiben mit Sonnenblumenöl geschützt werden. Wegen der physiologischen Besonderheiten ist die Barrierefunktion der Haut bei Säuglingen und Kleinkindern nicht so stark ausgeprägt. Viele Substanzen werden in einem wesentlich stärkeren Ausmaß resorbiert als bei Erwachsenen. Dazu tragen die Talgdrüsen bei, die auf der Babyhaut bereits vollständig angelegt sind und als Einfallskrater für die Resorption von Wirkstoffen dienen können. Da sie sich auf einer relativ kleineren Oberfläche verteilen, ist ihre Dichte auf einem Quadratzentimeter Haut größer als bei Erwachsenen. Weil zudem die Hautoberfläche von Kleinkindern im Verhältnis zum Körpervolumen 2,5- bis 3-fach größer ist als bei Erwachsenen, können viele Substanzen nach perkutaner Aufnahme im kindlichen Organismus zu relevanten Blutspiegeln führen.

Säuglinge und Kleinkinder sind durch transkutan resorbierte Wirkstoffe besonders gefährdet. Relevant ist dies unter anderem für Salicylate und Alkohol, die zu lebensgefährlichen Intoxikationen führen können. Weitere toxikologisch bedenkliche topische Arzneimittel sind Neomycin, das Höger wegen der Resistenzen und seiner nephro- und ototoxischen Wirkung als völlig obsolet bezeichnete, sowie Clioquinol, Benzocain, Prilocain und PVP-Iod. Der Entzündungshemmer Bufexamac sei ebenfalls obsolet, da er schwere Kontaktekzeme auslösen könne. Höger warnte auch vor dem Missbrauch topischer Glucocorticoide, der im Extremfall zu einem Cushing-Syndrom führen kann. Im ersten und zweiten Lebensjahr sollte ebenfalls kein Harnstoff eingesetzt werden, da er hier noch nicht vertragen wird und zu einem Brennen, zum so genannten "Stinging effect", führen kann. Als einziges Feuchthaltemittel für Kinder unter drei Jahren empfahl Höger Glycerin in einer Dosierung von 5 bis 10%.

Auf Sonnenschutz achten

Höger rief dazu auf, die Haut von Babys und Kleinkindern möglichst wenig Substanzen auszusetzen. Das gelte auch für Pflegemittel, deren Emulgatoren und Konservierungsstoffe ebenfalls durch die Haut in den Organismus gelangen. Ebenso können Sonnenschutzfilter transkutan absorbiert werden, so sei bei Kindern schon Oxyphenon im Urin nachgewiesen worden. Über die Auswirkungen sei zwar nichts bekannt, aber dort gehöre es "definitiv nicht hin", so Höger. Er empfahl, bei Kindern ausschließlich Mikropigmente anzuwenden, da diese nicht resorbiert werden. Außerdem sollten Säuglinge und Kleinkinder nicht direkt der Sonne ausgesetzt werden und mit Kleidung und einer Kopfbedeckung geschützt werden.

 

Quelle

Prof. Dr. Peter Höger, Hamburg: "Die Haut im Säuglings- und Kleinkindesalter: Besonderheiten und Therapie", Pharmacon Meran, 9. Juni 2009.

 

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