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- DAZ 30/2009
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Pharma und Partner
WDA Sommerakademie 2009
In seinem Eröffnungsvortrag beschäftigte sich Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Oberender mit der Krise in der Weltwirtschaft und im deutschen Gesundheitswesen. Nach seiner Prognose ist das Tief noch nicht erreicht, sondern wird vor allem nach der Bundestagswahl und im ersten Quartal 2010 sehr deutlich zu spüren sein. Der zur Finanzierung der Kassen geschaffene Gesundheitsfonds werde sich zu einem Milliardengrab entwickeln und die Kassen dürften auch trotz der Sonderumlage nicht in der Lage sein, die Defizite zu bestreiten. Die allgegenwärtige Finanzkrise und Gesundheitskrise in der BRD sind nach Auffassung des Ökonomen kein Marktversagen, sondern eindeutig Staatsversagen. Die Krise im Gesundheitswesen sei Ausfluss einer Illusion der Politik der Machbarkeit und Planbarkeit. Die Politik wäre gut beraten, auf staatliche Interventionen zunehmend zu verzichten und anstelle dessen mehr wettbewerbliche Elemente im Gesundheitswesen einzuführen. Die gegenwärtige Krise bedeute nicht das Ende der Marktwirtschaft, sondern offenbare lediglich die Reihe von Gefahren, die jedem marktwirtschaftlichem System immanent sind.
Die Weltwirtschaft biete langfristig gute Perspektiven und für die gegenwärtigen Probleme seien Lösungen in Sicht. Anders beurteilte Oberender die Aussichten im Gesundheitswesen. Die Perspektiven seien, trotz des immens steigenden Gesundheitsmarktes, aufgrund der Überregulierung eher schlecht und für die permanente Krise seien keine Lösungsansätze vorhanden.
Ähnlich herbe Kritik übte Dr. Peter Kraus, der sich mit den Auswirkungen der Rabattverträge auseinandersetzte. Die bestehenden Rabattverträge engten den Apotheker in seiner fachlichen Rolle zunehmend ein und beschränkten die Freiheitsgrade deutlich. Letztendlich führten die Rabattverträge zu einer Verlagerung der Therapiehoheit vom Arzt hin zur Krankenkasse. Insoweit seien sie nur ein politisches Mittel zum Zweck, die Arzneimittelversorgungskompetenz gänzlich auf die Krankenkasse zu übertragen. Die Marktmacht der Kassen, insbesondere der AOK, mache es fast unmöglich, sich einem Rabattvertrag zu entziehen, auch wenn hierdurch die Erträge der Hersteller ausgepresst werden wie reife Zitronen. Ein spezielles Problem sieht Kraus im Widerspruch zwischen AMG und SGB V bei der Auslegung des Indikationsbereiches. Hier gebe es noch zahlreiche offene Haftungsfragen, die kurzfristig gelöst werden müssen.
Mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Apotheken im Geschäftsjahr 2009 beschäftigte sich Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover Steuerberatungsgesellschaft. Der Apothekenspezialist gab einen Ausblick, wie sich die 15. AMG-Novelle bzgl. der Großhandels-Rx- Vergütung auf die Ertragssituation der Apotheken ausgewirkt hätte. Glücklicherweise wurde der Entwurf nicht umgesetzt, so dass die Apotheken hier zunächst von erheblichen Einkommensverlusten verschont geblieben sind. Die Trendprognose von Diener für 2010 zur wirtschaftlichen Entwicklung im Apothekenbereich war äußerst durchwachsen. Durch die knappe Finanzsituation im Sektor GKV werde es voraussichtlich zu raschen, neuen Kostendämpfungsgesetzen kommen, die sich zweifelsohne vor allen Dingen auf den Bereich Arzneimittel konzentrieren werden. Für die unmittelbare Zukunft sei es wichtig, dass die Apotheken ihr Geschäftsmodell aus Kundensicht überdenken, um ggf. im OTC-Bereich Boden wett zu machen.
Beachtliche, betriebliche Einsparungen konnte Karl-Heinz Schubert aus der Sonnen-Apotheke, Wolfhagen, vorweisen, der Planung, Konzeption und Einführung eines automatisierten Warenlagers schilderte. Der Automateneinsatz hat zu erheblichen, organisatorischen Veränderungen im Bereich der Warenwirtschaft geführt und deutliche Personal- und Zeitresourcen zu Tage gefördert. Der Vortrag stieß aufgrund eines hohen praktischen Nutzens auf reges Interesse bei den Teilnehmern und führte zu einem umfangreichen Erfahrungsaustausch.
Die Chancen und Möglichkeiten der patientenindividuellen Verblisterung stellte Apotheker Hans-Werner Holdermann dar. Die patientenindividuelle Verblisterung sei eine qualitativ hochwertige, pharmazeutische Leistung, welche Wirtschaftlichkeit und Compliance des Patienten in der Arzneimittelversorgung deutlich verbessern könne.
Wie man mit wenig Geld gutes Marketing macht und welche Instrumente und Strategien man dabei einsetzt, um die vorhandenen Resourcen in der Apotheke zu nutzen, schilderte Apotheker Walter Wolf von der Glückauf-Apotheke in Bochum. Gemeinsam mit den Teilnehmern entwickelte er auf der apothekeneigenen EDV und den vorhandenen Softwareprodukten eine Mailing-Aktion, die auch eine Werbeagentur nicht hätte besser gestalten können.
Mit "nahezu atemloser" Spannung verfolgten die Teilnehmer den Auftritt von Prof. Dr. Lutz Michalski, der sich mit den aktuellen Rechtsproblemen der Apotheker beschäftigte. Im zentralen Mittelpunkt standen dabei seine Analyse des EuGH-Urteils zum Fremdbesitzverbot sowie das Thema Versandhandel und Pick Up-Stellen. Auch die Anwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung auf den Versand durch ausländische Internetapotheken sowie das Thema Aussenschalter, standen im Mittelpunkt seiner spannenden und mit großem Engagement vorgetragenen Ausführungen. Hierbei zeigte sich, dass seine im Jahr 2007 bei der Sommerakademie vorgetragenen Thesen zum Fremdbesitzverbot, vom EuGH vollumfänglich bestätigt wurden.
Eine gänzlich andere Sprache lernten die Teilnehmer im Vortrag von Klaus Holling kennen, der für die Apotheker die Sprache der Sinne und das emotionale Marketing propagierte. Holling begeisterte die Teilnehmer immer wieder durch Motivationsschübe und vermittelte mitunter Einsichten, die so einfach, wie wirkungsvoll sind.
Zahlreiche Anregungen konnten sich die Teilnehmer auch während des Vortrags von Dr. Andreas Kaapke vom Institut für Handelsforschung der Universität Köln, holen, der sich mit Unternehmens- und Apothekenkonzepten beschäftigte. Kaapke machte den Apothekern Mut für die Zukunft und rief zu aktivem Handeln auf, ohne jedoch in wilden Aktionismus zu verfallen. Auch innovative Ideen bedürfen einer gründlichen Planung, bevor sie in die Umsetzungsphase gehen. Dies zeigte sich im anschließenden Apotheken Check Up, in dem Kaapke gemeinsam mit den Apothekern Klaus Mellis, Krefeld, und Jens Wiegland, Nierstein, Apothekenkonzepte vorstellte und prüfte. Mellis nutzt dabei sein Multi-Level-Marketing, um Synergieeffekte der vorhandenen Partner im regionalen Umfeld zu nutzen und integrative Versorgungsstrukturen zu entwickeln. Es gibt keinen Bereich, den der agile Apothekenunternehmer nicht zu nutzen weiß.
Dass Filialisierung auf dem Land kein einfaches Unterfangen ist, lernten die Teilnehmer von Jens Wiegland, der ein nicht alltägliches Filialisierungskonzept verfolgt. Dabei werden zentrale Dienste, wie Rezepturherstellung, Verwaltung, Controlling, Einkauf und Rechnungswesen in der Filialzentrale durchgeführt. In den einzelnen Standorten sorgt eine Automatisierung des Warenlagers bei weitestgehendem Wegfall der Warenpräsentation (Sichtwahl und Freiwahl) für einen gänzlich anderen Betriebsablauf. In der anschließenden Diskussionsrunde konnten die Referenten viele Erfahrungen und Eindrücke an die Teilnehmer weitergeben.
Der nächste Studienkurs "Praktischer Betriebswirt für die Pharmazie" der WDA Wirtschaftsakademie Deutscher Apotheker startet im November 2009. Anmeldungen und weitere Informationen erhalten Sie unter www.wda-akademie.de. Absolventen haben zudem die Möglichkeit, durch Belegung eines Zusatzsemesters und das Schreiben einer Masterarbeit den internationalen Titel MBA "Health Care Management" zu erwerben. Der nächste Kurs startet ebenfalls im November 2009.
*Wirtschaftsakademie Deutscher Apotheker GmbH (WDA), Strahlenbergerstraße 112, 63067 Offenbach, Internet: www.wda-akademie.de
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