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Gesundheitsfonds auf dem Prüfstand

Finanzierung von Leistungen langfristig sichern

Am 27. September 2009 sind alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, den 17. Deutschen Bundestag zu wählen. Umfragen zufolge wissen aber viele Menschen noch nicht, welcher Partei sie ihre Stimme geben sollen. Als Orientierungshilfe vergleicht ADEXA – Die Apothekengewerkschaft Aussagen der Parteien zu verschiedenen Fragestellungen.

Gesundheitspolitik findet sich als Thema in allen Wahlprogrammen. Heiß diskutiert werden – wie nicht anders zu erwarten war – der Gesundheitsfonds bzw. die Bürgerversicherung und die Finanzierung verschiedener Leistungen bei einer steigenden Zahl an chronisch kranken Patienten. Einstimmigkeit herrscht hingegen bei der Prävention: Alle politischen Gruppierungen wollen das Thema durch entsprechende Programme oder Gesetze nach der Wahl auf den Weg bringen.


Die CDU/CSU legt Wert darauf, dass alle Bürgerinnen und Bürger – unabhängig von Einkommen, Alter oder Risiko – in den Genuss einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung kommen. Tragende Säulen müssten weiterhin die freien Berufe sein, heißt es im Programm zur Bundestagswahl.

Eine staatliche Einheitsversicherung lehnt die Union dabei ab. Kassenpatienten sollten weitaus mehr Wahlfreiheit haben, etwa durch zusätzliche Selektivverträge. Die finanzielle Belastung der Bürger dürfe jedoch nicht stärker strapaziert werden: Eigenverantwortliche Vorsorge statt aufgezwungener Lösungen sei hier das Gebot der Stunde. In diesem Kontext ist geplant, den "zentralistischen Ansatz des Gesundheitsfonds" aufzuweichen. Einsparungen bzw. Qualitätssteigerungen erhofft man sich durch mehr Wettbewerb. Neben diesen Anpassungen sind stärkere Korrekturen beim Risikostrukturausgleich der Kassen und beim Honorar der Ärzte geplant.

Auch für Patientenrechte setzt sich die Union ein, etwa in Form einer Gesetzesvorlage. Das gilt ebenso für die elektronische Gesundheitskarte: Prinzipiell wird deren Einführung zwar begrüßt, jedoch unter der Prämisse, dass sowohl sensible Patientendaten geschützt werden als auch die Akzeptanz bei allen Leistungs-erbringern gewährleistet ist.


Eine gerechte Versicherung gegen Lebensrisiken wie Krankheit und Pflegebedürftigkeit funktioniert der SPD zufolge am besten mit dem Modell der Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege. Durch die Einbeziehung aller Einkommensklassen und -arten würde "ein solidarischer Anreiz geschaffen, um steigende Kosten des Gesundheitssystems zu tragen". Alle Angestellten und Selbstständigen zahlen ein, wobei Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils gleiche Anteile beizusteuern hätten. Bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage schlagen diverse Einkünfte zu Buche, etwa Kapitalerträge, Miet- oder Pachteinkünfte. Flexiblere kollektive und selektive Verträge ergänzen das Konzept.

Als wichtige Aufgabe sehen die Sozialdemokraten, die wohnortnahe Versorgung sicherzustellen sowie den Bedarf an Fachkräften zu decken. Allerdings benötigt die Gesundheitspolitik "bessere und transparentere Patientenrechte". Eine Gesetzesinitiative soll die Gesundheitsbranche bei der Fehlervermeidung, dem Risikomanagement sowie bei der Schadensregulierung unterstützen. In diesem Zusammenhang kritisiert die Partei auch die elektronische Gesundheitskarte, bei der vor allem im Bereich des Datenschutzes noch zu hohe Risiken zu erwarten sind.


Die FDP will den "weiteren Marsch in Richtung Staatsmedizin und Einheitskasse" verhindern: Statt des Gesundheitsfonds bevorzugen die Liberalen ein kapitalbezogenes Prämiensystem mit "mehr Wahlfreiheit, Wettbewerb und Effizienz". Versicherte könnten selbst entscheiden, welche Gefahren sie abdecken wollen und Versicherungen ist es gestattet, individuelle Risiken bei den Beiträgen mit einzukalkulieren. Die notwendige Grundversorgung für Kinder bzw. sozial Schwache soll dabei ohne Zuschläge und ohne Praxisgebühr auskommen. Mehr Kontrolle der ärztlichen Behandlung erhofft man sich von dem Verfahren, dass Praxen die Rechnungen direkt an ihre Patienten schicken. Die Versicherten reichen diese zur Kostenerstattung an die Kassen weiter.

Die Liberalen sehen private Krankenversicherungen neben den gesetzlichen Trägern als wichtige Bausteine des Gesundheitssystems. Dementsprechend sei hier der Wettbewerb zu stärken. Um auch die Zukunft der Pflegeversicherung sicherzustellen, müssten neue Lösungen gefunden werden, beispielsweise durch die Abkopplung der Beiträge von der demographischen Entwicklung.

In einem Moratorium zur elektronischen Gesundheitskarte begrüßte die Partei zwar Perspektiven, die sich aus dem Einsatz der Telematik zur Verbesserung der Versorgung und der Abläufe im Gesundheitswesen ergeben. Das bisherige Konzept wird aber abgelehnt, da "Sicherheit, Finanzierung, Technik und Akzeptanz nicht gewährleistet werden können".

Selektivverträge

Selektivverträge sind im Gegensatz zu Kollektivverträgen Vereinbarungen, die nicht mit allen GKVen oder Vertragsärzten getroffen werden. In der Politik werden Selektivverträge auch als Direktverträge bezeichnet, da nicht die Kassenärztlichen Vereinigungen beteiligt sind, sondern einzelne Ärzte direkt mit Krankenkassen eine Vertragsbindung eingehen.

Nach Ansicht von Bündnis 90/ Die Grünen braucht das deutsche Gesundheitssystem eine grundlegende Finanzreform. Es sei "aberwitzig, dass sich bisher ausgerechnet die wirtschaftlich leistungsfähigsten und im Regelfall auch gesündesten Bevölkerungsgruppen dem Solidarausgleich entziehen können". Dementsprechend bleibt die Partei der Bürgerversicherung treu, auch bei der Absicherung von Pflegerisiken. Nur so könne eine "Zwei-Klassen-Medizin" vermieden werden.

Das Wahlprogramm beinhaltet, separate Kosten wie Zuzahlungen bei Medikamenten oder die Praxisgebühr abzuschaffen. Durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze wollen die Politiker erreichen, weitaus mehr Bürgerinnen und Bürger in der gesetzlichen Krankenversicherung zu halten. Zudem sollen alle Einkommensarten in die Berechnung des Obolus mit einfließen.

Die Grünen setzen auf "gut abgestimmte Behandlungsabläufe ohne Redundanzen", um Kosten zu sparen. Dazu kann die elektronische Gesundheitskarte einen wertvollen Beitrag leisten, allerdings nur, "wenn die Optimierung der Gesundheitsversorgung und der Datenschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden".

Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds funktioniert momentan nach dem Umlageverfahren: Beiträge der Arbeitgeber und der Angestellten fließen zusammen mit Steuersubventionen ein. Dieses Budget verteilt sich auf alle Versicherten, wobei pro Kopf eine Pauschale angesetzt wird, je nach Alter und Krankheitsbild.

Damit "alle Menschen in Deutschland die gleichen Chancen auf Gesundheit haben", plant Die Linke radikale Änderungen: Medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Versorgungszentren sollen wieder verstaatlicht und über eine entsprechende Planung bundesweit auch in strukturschwachen Regionen angesiedelt werden. Zuzahlungen zu Medikamenten bzw. die Praxisgebühr wären dann hinfällig. Außerdem kehrt Die Linke wieder zum Anspruch aller Versicherten auf Brillen und Zahnersatz zurück.

Zur Finanzierung zahlen alle Bürger im Rahmen einer solidarischen Bürgerversicherung einen Beitrag, der sich nur nach dem Einkommen ohne Bemessungsobergrenze richtet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben gleiche Anteile beizusteuern. Auch soll der Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel abgesenkt werden – sieben Prozent sind im Gespräch. Über Positivlisten will Die Linke regeln, welche Medikamente erstattungsfähig sind, und zwar bundesweit zum Festpreis.

Den Gesundheitsfonds lehnt die Partei ab: "Die Versicherten werden zusätzlich belastet, die Arbeitgeber entlastet." Auch die elektronische Gesundheitskarte stößt nicht auf Gegenliebe. Eine Speicherung der personenbezogenen Daten wird nicht befürwortet; vielmehr soll das Konzept auf der Freiwilligkeit der Patienten beruhen.

Michael van den Heuvel

Keine Wahlempfehlung

ADEXA – Die Apothekengewerkschaft bietet mit den "Wahlprüfsteinen" Vergleichsmöglichkeiten aller Parteien zur verschiedenen Themen an. Diese Information ist als Orientierungshilfe gedacht – ADEXA gibt aber bewusst keine Empfehlung für ein bestimmtes Lager oder eine bestimmte Partei.

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