Apothekenpraxis

Jährliches "American & German Healthcare Forum" in Minneapolis

Deutschlands Filmliebhaber kennen den US-Bundesstaat Minnesota und seine Hauptstadt Saint Paul aus "Robert Altman’s Last Radio Show." DAZ-Leser mögen sich außerdem an Peter Ditzels ausführlichen Bericht über Minnesotas Apotheker vom letzten Jahr erinnern. Amerikaner assoziieren "Minnesota" mit endlosen Wintern und einsilbigen Skandinaviern. Garrison Keillor kennen sie natürlich auch. Aber welcher vernünftige Amerikaner kommt freiwillig in die eisige Tundra? Dass die Twin Cities von Saint Paul und Minneapolis auf demselben Breitengrad liegen wie Florenz ist ein von den Einheimischen streng gehütetes Geheimnis. Minnesota ist der US-Bundesstaat des Understatements. Man freut sich, wenn Erst-Besucher regelmäßig angenehm überrascht ihr Erstaunen äußern.

Minnesota als gesundheitspolitisch innovativer Staat

Unter amerikanischen Gesundheitsexperten gilt der Staat als innovationsfreudiger Ort. Managed Care, die Mayo Klinik mit ihrem patientenorientierten Ansatz, Herzschrittmacher, und erste Erfolge mit Organtransplantaten lassen sich dorthin zurückverfolgen. Aktuell und für Apotheker besonders interessant ist Minnesotas Vorreiterstellung in Sachen Medication Therapy Management. Eine Schlüsselstellung nimmt die University of Minnesota ein. Mit über 60.000 Studierenden und knapp über 4000 Wissenschaftlern ist sie Wirtschafts- und Ideenmotor für den 5-Millionen-Einwohner-Staat.

Seit 2005 trifft sich hier jedes Jahr das "who is who" der deutschen Gesundheitspolitik mit amerikanischen Gesundheitsexperten zum American & German Healthcare Forum. Gastgeber ist das interdisziplinäre Center for German & European Studies. Es wurde 1998 mit Unterstützung des Auswärtigen Amts an der Universität eingerichtet. Das diesjährige fünfte Forum (27. April bis 29. April) stand unter dem Aspekt "Gesundheitspolitische Reformen und Fortschritt." Etwa einhundert Vertreter von Industrie, Krankenversicherungen, Ärzteschaft, Apothekerschaft, Krankenhäusern, Verbänden und Politik diskutierten anstehende und gerade abgeschlossene Reformen im amerikanischen und deutschen Gesundheitsbereich.

Mehr Wettbewerb

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt stellte die Grundideen der deutschen Gesundheitsversicherung und des neuen Gesundheitsfonds vor: Jeder ist krankenversichert. Jeder zahlt denselben Prozentsatz des Einkommens in den Gesundheitsfonds. Der Fond verteilt das Geld entsprechend dem Versorgungsbedarf der Patienten. Die Qualität der medizinischen Versorgung wird durch bundeseinheitliche Standards verbessert. Mehr Wettbewerb unter Krankenversicherungen nutzt den Patienten direkt.

Das Zentralthema für die US-Teilnehmer war die anstehende Gesundheitsreform der neuen US-Regierung. Amerika steckt nicht nur in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Zahl der unter 65-jährigen Amerikaner ohne Krankenversicherung ist mittlerweile auf 47 Millionen Bürger angeschwollen. Tendenz weiter steigend. Experten schätzen, dass weitere 47 Millionen unterversichert sind. Man stelle sich vor: eine Bevölkerung von der Stärke Deutschlands lebt im reichsten Industrieland der Welt nur eine Krankheit weit vom finanziellen Ruin entfernt. Die Aussicht, dass sich dies endlich ändern lässt, war seit dem letzten großen Reformversuch 1993 unter US-Präsident Clinton niemals besser. Hubert H. Humphrey, III, Vorstandsmitglied des mächtigen US-Rentnerverbands AARP, stellte die Kernpunkte vor, die die Obama Regierung seit mehreren Monaten mit Vertretern des Gesundheitssektors in Washington diskutiert. Der derzeitige Fahrplan sieht die Verabschiedung einer umfassenden Reform bis Ende September vor. Zentral ist dabei der Versuch der Obama Regierung, eine neue Krankenkasse unter staatlicher Kontrolle zu schaffen, die in direkten Wettbewerb mit den etablierten Krankenversicherern tritt. Damit würde der Gesundheitsmarkt in den USA grundlegend verändert. Also auch hier das Motto "mehr Wettbewerb."

Deutsch-amerikanischer Austausch lohnt sich

Insgesamt hatten die amerikanischen und deutschen Teilnehmer über die drei Konferenztage beste Gelegenheit, mit knapp zwei Dutzend Rednern Aspekte der Gesundheitsreform zu diskutieren, sich in Workshops über Themen wie Medication Therapy Management, Pharmaceutical Benefit Management, und HTA auszutauschen, und – insbesondere für die deutschen Besucher attraktiv – vor Ort modellhafte Gesundheitseinrichtungen wie die Mayo Clinic in Rochester zu besuchen. Fazit der deutschen Teilnehmer: die Reise über den Atlantik lohnt sich. "Dieses Forum besticht nicht nur durch die Qualität der Vorträge und neuen Denkanstöße. Es ist auch ideal für Networking", resümierte Prof. Dr. jur. Dr. med. Alexander P.F. Ehlers. Für die US-Teilnehmer aus Minnesota, Massachusetts und Washington D.C. stand dieses Jahr der veränderte Blickwinkel im Zentrum. "Das deutsche System basiert ganz offensichtlich auf einem ausgeprägten Gemeinsinn. Wenn Gesundheitsministerin Ulla Schmidt von Solidarität spricht, benutzt sie eine für uns Amerikaner ungewohnte Terminologie. Aber das Grundgefühl der Menschen in Minnesota geht in dieselbe Richtung geht. Das so direkt zu hören ist erfrischend und verbindet", sagte Professor Dr. Stephen Schondelmeyer, Leiter des Pharmaceutical Research in Management and Economics Institute an der University of Minnesota. (Eine Tagungsdokumentation findet sich auf der Internetseite des Center for German & European Studies at the University of Minnesota) [6].

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