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Es kann nur aufwärts gehen

BERLIN (ks). Seit gut zweieinhalb Jahren sind die schon seit 2003 gesetzlich verankerten Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern scharf gestellt. Für die Generikaindustrie sind diese Verträge noch immer das Top-Thema. Die DAZ sprach mit Peter Schmidt, dem Geschäftsführer des Branchenverbandes Pro Generika, über seine Erwartungen an die neue Regierung und die Schwierigkeiten bei der Auslegung der Aut-idem-Regelung. Das Gespräch führte Kirsten Sucker-Sket vom Hauptstadtbüro der DAZ.
Peter Schmidt Der Arzt kann gar keine Therapiekontrolle ausüben, wenn er nicht weiß, welche konkrete Packung sein Patient erhält.
Foto: DAZ Archiv
DAZ Herr Schmidt, die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP laufen. Was erwartet Pro Generika von der neuen Bundesregierung?

Schmidt: Aus Sicht der Generikaindustrie kann man sagen: Egal was die neue Regierung tut – schlimmer kann es eigentlich nicht werden, es kann nur noch aufwärts gehen. Unsere kühnste Hoffnung ist, dass die Rabattverträge in den Orkus der Geschichte geworfen werden. Ich bin relativ sicher, dass das Thema bei den Koalitionsverhandlungen aufgerufen wird. Damit hätten wir bereits einen ersten Erfolg errungen. Wir hoffen, dass wir klar machen konnten, dass Rabattverträge eine Menge von Problemen bringen: Das geht los mit der Verengung des Wettbewerbs nur noch auf den Preis und nicht mehr auf die Qualität von Produkten. Dazu kommt das Thema Transaktionskosten: Das BMG hat ja keine offiziellen Zahlen zu den Einnahmen aus Rabatten, die die Kassen 2008 erzielt haben, kommuniziert. Es geistert zwar die Zahl von 310 Mio. Euro durch die Welt – aber diese ist zumindest nicht ganz valide. Noch Ende September wusste das BMG nicht, ob damit die Einsparungen des zweiten Halbjahres oder des Gesamtjahres 2008 gemeint sind. Im Übrigen räumte das Ministerium ein, dass eine ganze Reihe von Krankenkassen auch nach dem 1. Juli 2008 – dem Stichtag, an dem die Einnahmen aus Rabattverträgen auf einem speziellen Konto gesondert erfasst werden sollten – diese Einnahmen weiterhin mit denen aus den gesetzlichen Zwangsrabatten in einen Topf geworfen hat. Das kriegen sie nie wieder auseinander gefieselt. Und daher kann niemand sagen, wie hoch die Einsparungen tatsächlich sind. Nun ist die Rechnung relativ leicht: Gehen wir davon aus, dass die 310 Mio. Euro die Bruttoeinnahmen der Kassen richtig wiedergeben. Dann können wir die volkswirtschaftliche Gegenrechnung machen: Die Apotheker haben kommuniziert, sie hätten für die Rabattverträge 650 Mio. Euro aufgewandt, die Ärzte zwischen 220 und 270 Mio. Euro. Um einen Euro aus Rabattverträgen einzunehmen, haben wir also drei Euro aufgewandt – das ist volkswirtschaftlich der reine Wahnsinn und ein Verlustgeschäft, das wir uns auf keinen Fall leisten können. Man kann für 2008 beinahe sagen: "Außer Spesen nichts gewesen."

2009 sieht die Sache für die Industrie nicht zuletzt wegen der AOK-Rabattverträge deutlich anders aus. Um bei der 3. Tranche der AOK-Ausschreibung den Zuschlag zu erhalten, haben sich die Unternehmen ruinöse Unterbietungsschlachten geliefert, die ihre Leistungsfähigkeit und Innovationskraft gefährden und unterminieren. Das wird bei der jetzt laufenden 4. Tranche nicht anders sein. Es ist also unsere zentrale Forderung an die neue Regierung, dass die Rabattverträge verschwinden. Denn die Existenz vieler, vor allem mittelständischer Unternehmen hängt davon ab. Sie werden, wenn die Rabattverträge, insbesondere die Molekülverträge, fortgeschrieben werden, über kurz oder lang vom Markt verschwinden. Sie halten den Druck, zu Grenzkostenpreisen zu verkaufen – gelegentlich auch deutlich darunter – nicht mehr aus. Dann ist es auch ganz schnell aus mit generischer Innovation und Biosimilars.


DAZ Es heißt nun ja auch, die Idee der Rabattverträge war vor allem, die Preise der patentgeschützten Arzneimittel zu reduzieren …

Schmidt: Diese Absicht, ist sicherlich löblich, doch die Politik hat die Anreize falsch gesetzt. Rabatte leben doch von der einfachen Binsenweisheit "tausche Preis gegen Menge". Dieser Tausch kann nur unter einer gewissen Drucksituation funktionieren. Und die ist nur gegeben, wenn der Hersteller Konkurrenten hat. Hat der Hersteller dagegen eine Alleinstellung im Markt, kann er seinen eigenen Preis natürlich durch Rabatte senken, aber er wird nie die Chance haben, das durch eine Steigerung der Menge zu kompensieren. Ein forschender Hersteller mag aus anderen Gründen Rabatte gewähren, etwa wenn er der Festsetzung eines Höchstpreises entgehen will oder weil er etwas gegen sein Hochpreisimage tun will. Aber betriebswirtschaftlich indiziert ist das nicht. Das funktioniert leider nur im Generikamarkt.


DAZ Andere Kassen versuchen sich nun mit anderen Formen der Wirkstoff-Ausschreibung. Was halten Sie von der geplanten Ausschreibung der Barmer, die allen Bietern einen Zuschlag erteilen will, deren Gebot sich in einem vorgegebenen Rabattrahmen bewegt?

Schmidt: Auf den ersten Blick sieht dies für die Unternehmen sicher akzeptabler aus als das, was die AOK und andere gemacht haben. Aber das müssen wir uns noch im Detail angucken, noch ist der Rabattrahmen, den sich die Barmer vorstellt nicht bekannt.


DAZ Die AOK und die Arzneimittelhersteller ringen seit Monaten um die Definitionen "gleicher Indikationsbereich" und "identische Packungsgröße" im Rahmen der Aut-idem-Regelung. Nun hat das LG Hamburg vergangene Woche per einstweiliger Verfügung entschieden, dass es beim Aut-idem-Austausch genüge, wenn die Normgrößen der verordneten und der abgegebenen Packung übereinstimmen, eine nummerische Identität der Stückzahlen sei nicht erforderlich. Das kann Pro Generika doch nicht gefallen?

Schmidt: Aut idem ist ein ewig junger Schlager. Das muss vom Gesetzgeber so oder so geklärt werden – ob es bei den Rabattverträgen bleibt oder nicht. Was den Begriff "identische Packungsgröße" betrifft, waren wir uns bisher alle einig, dass eine 100er-Packung nur durch eine 100er Packung ausgetaucht werden kann, also die Stückzahl übereinstimmen muss. Jetzt hat die AOK in Sachen Omeprazol einen etwas problematischen Rabattpartner erwischt, der nicht marktgängige Packungsgrößen in den Verkehr gebracht hat. Grundsätzlich beginnt bei Omeprazol die N3-Packung bei 51 und endet bei 100 Stück. Nun gibt es Unternehmen, die bieten Packungen mit 56, 60, 98, 100 Tabletten an – die eine oder andere dieser Packungsgrößen ist vermutlich der betriebswirtschaftlich rationalen und nachvollziehbaren Strategie von Unternehmen geschuldet, ihre Produkte der Substitution zu entziehen. Wenn der Arzt eine 98er Packung von der Firma xy verordnet und das rabattierte Produkt 100 Tabletten enthält, darf nach der bisherigen Lesart – die die Apotheker teilen – nicht substituiert werden. Denn 98 ist nicht 100. Ich denke die AOK hat – zumal Omeprazol der umsatzstärkste generische Wirkstoff ist – ihre Felle davon schwimmen sehen. Eigentlich hätte sich der Marktanteil des rabattierten Omeprazol relativ schnell bei 20, 30 oder 40 Prozent einpendeln müssen. Er liegt aber zwischen sechs und zehn Prozent. Das heißt: Die Apotheken weigern sich in vielen Fällen, das vom Arzt verordnete Omeprazol gegen das rabattierte Produkt auszutauschen. Das hat die AOK nicht ruhen lassen. Sie hat den Rechtsgutachter Professor Kingreen gefunden, der ihr bestätigt hat, dass es nicht auf die Stückzahl ankomme, die in der jeweiligen Packung enthalten ist, sondern darauf, dass die jeweilige Packung derselben Normgrößenkategorie zugeordnet ist. N3 kann danach also gegen N3 ausgetauscht werden, völlig unabhängig von der Stückzahl der Einzeldarbietung.

Ich halte das schon juristisch für reichlich gewagt, aber noch wichtiger ist aus meiner Sicht, dass die Therapiehoheit in diesem Punkt vom Arzt auf die Krankenkasse übergeht. Der Apotheker kann ja so nach der Lesart AOK, Kingreen, LG Hamburg, jederzeit substituieren, wenn nur die Normgröße übereinstimmt. Wenn der Arzt also eine 56er Packung verordnet, hat die Apotheke eine 98er an AOK-Versicherte abzugeben. Wir meinen aber, dass die Therapiehoheit, gerade was die Verordnungsmenge anbelangt, allein beim Arzt liegen muss. Er trägt ja schließlich die Verantwortung für die rationale Auswahl von Art und die Menge des Arzneimittels. Die Krankenkasse hat sich aus diesem Kernbereich der Therapiehoheit komplett herauszuhalten. Zu denken ist auch an die Therapiesicherheit: Der Arzt kann gar keine Therapiekontrolle ausüben, wenn er nicht weiß, welche konkrete Packung sein Patient erhält. Bekommt dieser eine 98er statt einer 100er Packung mag man das noch für okay halten – ganz deutlich wird die Problematik aber, wenn er 56 Tabletten verordnet hat, der Patient aber 98 Stück erhält. Nun kann man die Fragwürdigkeit der exzessiven Auslegung à la AOK und Prof. Kingreen im Falle Omeprazol im Hinblick auf das relativ geringe Risikopotenzial dieser Substanz zwar klein reden und herunterspielen. Aber bei anderen Präparaten sieht das deutlich anders aus, denken Sie z. B. an Herz-Kreislauf-Präparate. Mit der Therapiesicherheit dürfen wir nie und unter keinen Umständen spielen. Deshalb gilt: 100 muss 100 bleiben. Auch und gerade in der Apotheke.


DAZ Erwarten Sie noch eine Klarstellung aus den Rahmenvertragsverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband?

Schmidt: Nein, ich erwarte und hoffe, dass die Apotheker das genauso sehen wie wir. Diese ganzen Ungereimtheiten müssen aber dadurch aus der Welt geschafft werden, dass der Gesetzgeber klare und eindeutige Rahmenbedingungen für das Aut idem setzt. Der Begriff "gleicher Indikationsbereich" muss ebenso präzisiert werden wie das Kriterium "identische Packungsgröße". Bis dahin sollten die Apotheker auch nichts am Rahmenvertrag ändern. Ich habe die Hoffnung, dass die neue Regierung klipp und klar sagt, Compliance, Therapiehoheit und -sicherheit seien ihr wichtiger als die geschäftlichen Interessen einzelner Unternehmen und die Einsparinteressen der Krankenkassen. Der Gesetzgeber muss als deus ex machina in Erscheinung treten und den gordischen Knoten durchschlagen.


DAZ Herr Schmidt, wir danken für das Gespräch.

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