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Arzneimittel und Therapie
Neues zur Analgesie, Mukositis und Antiemese
Das WHO-Stufenschema mit einer sukzessiven Änderung der Schmerztherapie ist für viele Tumorpatienten wenig geeignet, da bei ihnen bereits die Basistherapie auf Opioiden aufgebaut sein sollte. Diese sind bei allen Schmerzformen wirksam, weisen keine Organtoxizität auf, können in hohen Dosen verabreicht werden und sind gut kombinierbar. Derzeit werden in der Onkologie vor allem Morphin, Fentanyl, Hydromorphon und Oxycodon eingesetzt. Bei der Auswahl eines geeigneten Analgetikums sollten folgende Kriterien beachtet werden:
- keine Variabilität bei der Bildung aktiver Metaboliten
- kein Interaktionspotenzial
- keine Immunsuppression
- sichere Galenik
- starke Analgesie, kein Ceiling-Effekt
- wenig opioidtypische Nebenwirkungen
Diese Anforderungen werden vor allem von Hydromorphon und Oxycodon erfüllt. Beide Wirkstoffe haben ein geringes Interaktionspotenzial, sind nicht immunsuppressiv, bilden keine aktiven Metaboliten und besitzen eine geringe Kumulationsgefahr.
Kurzcharakterisierung gängiger starker Opioide | |
Morphin | vor allem bei älteren Patienten problematisch wirksame Metaboliten, Kumulation der Metaboliten Immunsuppression |
Fentanyl | stark wirksam hohes Interaktionspotenzial durch CYP3A4 Pflaster problematisch bei rascher Dosisänderung |
Hydromorphon | stark wirksam gut steuerbar, keine wesentlichen Dosisanpassungen bei Niereninsuffizienz erforderlich keine aktiven Metaboliten geringes Interaktionsrisiko geringe Kumulation bei Organversagen |
Oxycodon | gute Analgesie, große therapeutische Breite keine aktiven Metaboliten wenig Interaktionen geringe Kumulationsgefahr |
Oxycodon plus Naloxon | Eigenschaften der Monosubstanz und zusätzliche Reduktion unerwünschter gastrointestinaler Nebenwirkungen |
Fixkombination aus Oxycodon und Naloxon
Durch eine Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon (Targin®) können unerwünschte gastrointestinale Wirkungen einer Opioidtherapie (Obstipation) deutlich verringert werden. Ermöglicht wird dies durch die stärkere Bindung des Opioid-Antagonisten Naloxon an die peripheren Opioid-Rezeptoren im Darmbereich, wo er Oxycodon verdrängt. Naloxon wirkt nur lokal im Darm und wird in der Leber fast vollständig verstoffwechselt und inaktiviert, so dass die zentrale, analgetische Wirkung von Oxycodon nicht beeinträchtigt wird. Die Effektivität dieser Kombination wurde in einer multizentrischen Studie mit 1178 Tumorpatienten bestätigt (18,6% der Patienten waren mit einem WHO-Stufe-I-Analgetikum, 38,0% mit einem WHO-Stufe-II-Analgetikum vorbehandelt, 35,3% erhielten bereits ein starkes Opioid der WHO-Stufe III). Nach der Umstellung auf die Fixkombination nahm die Schmerzintensität der Patienten innerhalb der vierwöchigen Beobachtungsphase von NRS 5,5 auf 3,0 ab (NRS = numerische Ratingskala von 0 bis 10). Das entspricht einer Schmerzreduktion um durchschnittlich 45%. Zudem verbesserte sich die Darmfunktion deutlich (Abnahme des Bowel Fuction Index um median 23,7 Punkte; Index von 0 bis 100). Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Obstipation und Bauchschmerzen sowie Schwindel nahmen deutlich ab. Insgesamt erhöhte sich bei allen Tumorpatienten die Lebensqualität um durchschnittlich 71%.
Therapie oraler Mukositis
Die orale Mukositis gehört zu den besonders belastenden Nebenwirkungen einer Chemo- und Strahlentherapie und ist in einer ausgeprägten Form häufig dosis- und therapielimitierend. Sie tritt sehr häufig unter einer kombinierten Radio-Chemotherapie auf und hängt von den eingesetzten Zytostatika sowie persönlichen Risikofaktoren ab. Folgen einer ausgeprägten Mukositis sind Mangelernährung, starke Schmerzen, eine verminderte Lebensqualität und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Bereits vor Einleiten einer zytotoxischen Therapie sollten prophylaktische Maßnahmen (Zahnsanierung, Dentalprophylaxe, Mundspülungen, Meiden lokaler Irritationen) getroffen werden. Zur Behandlung werden unterschiedliche Substanzen eingesetzt, viele von ihnen experimentell und nur einige wenige aufgrund evidenzbasierter Empfehlungen (s. Tabelle). In einer prospektiven, randomisierten und doppelblinden Studie mit einer übersättigten Calciumphosphatlösung (Caphosol® ; Medizinprodukt von Eusa Pharma) wurden bei Hochrisikopatienten gute Ergebnisse erzielt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe reduzierte die Anwendung von Caphosol® Dauer, Häufigkeit und Schweregrad der oralen Mukositis, was sich unter anderem in einem geringeren Morphinbedarf und einer verkürzten Dauer der Mukositis niederschlug. Bislang sehen aktuelle Leitlinien die Gabe des Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten Aprepitant (Emend®) bei hoch emetogenen Therapieschematas und bei moderat emetogenen, Anthrazyklin- und Cyclophosphamid-haltigen Behandlungen vor (jeweils zusätzlich zur Gabe eines 5-HT3 -Antagonisten und Dexamethason). Bei allen anderen moderat emetogenen Regimen empfehlen die Leitlinien einen 5-HT3 -Antagonisten und Dexamethason. In einer multizentrischen Studie mit rund 850 Probanden wurde nun gezeigt, dass der Zusatz von Aprepitant auch bei anderen moderat emetogenen Zytostatika einen Benefit für den Patienten aufweist. Die Hälfte der Studienteilnehmer erhielt zur Emesisprophylaxe eine Dreierkombination bestehend aus Ondansetron (Tag 1), Dexamethason (Tag 1) und Aprepitant (Tag 1 bis 3), die andere Hälfte eine Zweierkombination bestehend aus Ondansetron (Tag 1 bis 3), Dexamethason (Tag 1) und Placebo (Tag 1 bis 3). Unter der Dreierkombination erreichten 76% der Probanden den primären Studienendpunkt (keine Emesis innerhalb von fünf Tagen nach der Chemotherapie); unter der Zweierkombination waren es lediglich 62%. Auch führte die Dreierkombination zu einem häufigeren kompletten Ansprechen (kein Erbrechen und keine Bedarfsmedikation) als die Zweierkombination. (69% vs. 56%). Aprepitant wurde gut vertragen, Art und Häufigkeit unerwünschter Ereignisse waren in beiden Studienarmen ähnlich. Das Fazit der Studie: Die Dreierkombination bietet bei einer Vielzahl moderat emetogener Therapieregime einen signifikant besseren Schutz vor Übelkeit und Erbrechen als die konventionelle Zweierkombination. Auf der Basis dieser Ergebnisse wird derzeit eine Erweiterung der Antiemese-Richtlinien diskutiert.
Tab. 1: Aktuelle Mukositis-Richtlinien | ||
Empfehlungen | ||
patientenkontrollierte Morphintherapie | symptomatische Gabe bei Hochdosistherapien und Stammzelltransplantation | Evidenzgrad 1 A |
3-D-Bestrahlungsplanung | Minimierung der Mukositis unter Radiotherapie | Evidenzgrad II B |
Benzydamin | Prophylaxe der radiogenen Mukositis | Evidenzgrad IA |
Kryotherapie | Prophylaxe bei 5-FU-Bolusgabe | Evidenzgrad II A |
Vorschläge | ||
Mundpflegeprotokoll | Prophylaxe der Mukositis | Evidenzgrad III B |
Lasertherapie | Mukositis unter Hochdosischemotherapie oder Radio-Chemotherapie | Evidenzgrad II B |
Quelle
Dr. Thomas Nolte, Wiesbaden; Prof. Dr. Petra Feyer, Berlin; Prof. Dr. Hans-Joachim Schmoll, Halle: "Supportivtherapie in der Onkologie", München, 10. Juli 2009; veranstaltet von der Eusa Pharma GmbH, Mundipharma GmbH, Roche Pharma AG und MSD Sharp & Dohme GmbH.
Rapoport B., et al.: Aprepitant for the prevention of chemotherapy-induced nausea associated with a of moderatly emetogenic chemotherapies. Support Care Cancer, online 1.7.2009.
Papas AS., et al.: Post-transplant complications. A prospective trial for the prevention of mucositis in patients undergoing hematopoietic stem cell transplantation. Bone Marrow Transplantation 31, 705 – 712 (2003).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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