Arzneimittel und Therapie

Hohe Harnsäurespiegel bremsen Fortschreiten

Das Ergebnis ist nicht ganz neu: Bereits 2008 veröffentlichten US-amerikanische Wissenschaftler die Ergebnisse einer Studie, nach der Teilnehmer mit besonders hohen Harnsäurespiegeln zu Studienbeginn letztlich nur halb so häufig ernsthaft an Morbus Parkinson erkrankten. Die Auswertung einer seit 1987 laufenden Studie zur Therapie von Parkinson-Patienten kommt jetzt zu einem ähnlichen Ergebnis. Fraglich bleibt, ob diese Befunde zu einer Empfehlung für eine purinreiche Kost bei beginnender Parkinson-Erkrankung führen können.
Morbus Parkinson Erhöhte Harnsäurespiegel wurden mit einer verlangsamten Progression der Parkinson-Erkrankung in Zusammenhang gebracht. Eine therapeutische Anwendung gestaltet sich wegen der möglichen Folgen einer Hyperurikämie jedoch als problematisch.
Foto: Deutsche Parkinson Vereinigung e. V.

Harnsäure ist als Folge einer Mutation im Uricase-Gen des Menschen das Endprodukt des Purinabbaus. Bei fast allen Säugetieren hingegen wird Harnsäure zum Allantoin abgebaut. Eine Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut wird als Hyperurikämie bezeichnet und kann zu Gicht führen. Andererseits wurde gemutmaßt, dass Harnsäure als Antioxidans möglicherweise einen Schutz gegen die Zerstörung dopaminerger Neuronen in der Substantia nigra des Gehirns und somit vor Morbus Parkinson bietet. Hinweise auf eine solche mögliche Schutzfunktion hatte es bereits früher gegeben.

Suche nach Wirkstoffen mit neuroprotektiver Wirkung

Seit 1987 waren in der Datatop (Deprenyl and Tocopherol Antioxidative Therapy of Parkinsonism)-Studie rund 800 Parkinson-Patienten im Frühstadium der Erkrankung mit Selegilin oder Vitamin E behandelt worden, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und mit der späteren Progression der Erkrankung bis zur Notwendigkeit einer L-Dopa-Behandlung verglichen. In den seinerzeit konservierten Proben des Blutserums und des Liquor cerebrospinalis wurde jetzt die Harnsäurekonzentration bestimmt. Bei den Studienteilnehmern mit den höchsten Harnsäurespiegeln wurde die letzte Stufe der Behandlungsmöglichkeiten tatsächlich seltener erreicht. Eine schützende Wirkung von Harnsäure war allerdings bei den Patienten, die mit Vitamin E behandelt wurden, nicht nachweisbar. Es war somit keine additive Wirkung der beiden Antioxidanzien zu beobachten. Seit dem Beginn der Datatop-Studie sind mittlerweile mehr als 20 Jahre vergangen, und die Wissenschaftler konnten auch den Einfluss des Harnsäurespiegels auf die Sterblichkeit untersuchen. Wegen der zahlreichen gesundheitlichen Probleme als Folge einer Hyperurikämie wurde in der Gruppe der Teilnehmer mit den höchsten Harnsäurespiegeln dann auch eine um etwa die Hälfte höhere Sterblichkeit nachgewiesen. Da höhere Harnsäurespiegel aber auch einen positiven Effekt auf die Progression anderer neurodegenerativer Erkrankungen wie Demenz haben, halten die Autoren es für sinnvoll, weiterführende Untersuchungen durchzuführen. Als Möglichkeiten werden eine zusätzliche Supplementierung mit α-Tocopherol bei Patienten mit niedrigen Harnsäurespiegeln oder diätetische Maßnahmen wie die Erhöhung der Zufuhr von Fructose oder Purinen diskutiert. Pharmakologische Optionen könnten die Administration von Purinmetaboliten oder des Harnsäureprecursors Inosins sein.

 

Quelle

Schwarzschild, M.A.; et al.; Parkinson Study Group. Serum urate as a predictor of clinical and radiographic progression in Parkinson’s disease. Arch Neurol. 2008; 65(6): 716 – 723.

Ascherio, A.; et al.: Urate as a predictor of the rate of clinical decline in Parkinson disease. Arch Neurol. Oct 2009; doi:10.1001/archneurol. 2009.247.

 

Dr. Hans-Peter Hanssen

 

 

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