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Umfrage: Pharmazeutische Bedenken überwiegen

Wenn es nach dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ginge, würde die "Pille danach" aus der Rezeptpflicht entlassen, da es keine medizinischen Sicherheitsbedenken gäbe (siehe AZ Nr. 43, S. 3). Auch Pro Familia macht sich dafür schon lange stark. Eine aktuelle Umfrage unter Mitgliedern der Apothekengewerkschaft ADEXA ergab, dass die meisten die Freigabe kritisch sehen: Die möglichen Nebenwirkungen seien zu gravierend, um das hochdosierte Hormonpräparat in die Selbstmedikation zu entlassen.

Viele der Befragten bewerten das Nebenwirkungsrisiko der Pille mit 1,5 mg Levonorgestrel als zu hoch, um solch ein Präparat in der Apotheke ohne frauenärztliche Verordnung abzugeben. "Es handelt sich dabei um ein Hormonpräparat mit nicht unwesentlichen Nebenwirkungen. Magen-Darm-Beschwerden sind sicher die leichtesten. Aber es kann eben auch zu Menstruationsstörungen (Zwischenblutungen, Verschiebung des Zyklus, verstärkte Blutung usw.) führen. Dabei ist zu bedenken, dass auch sehr junge Frauen bzw. Mädchen ‚freien‘ Zugang hätten, bei denen sich der Zyklus noch nicht stabilisiert hat. Das Präparat kann auch heftiges Erbrechen zur Folge haben, sodass die Einnahme wiederholt werden muss. Gegen die Übelkeit wird oft MCP als Komedikation mitverordnet. Dies bleibt weiterhin verschreibungspflichtig", schreibt eine Approbierte aus Kiel. Auch das erhöhte Risiko von Thrombosen wird als Gegenargument genannt.

Außer den Nebenwirkungen wird die Gefahr gesehen, dass aus der einmaligen Notfallmedikation ein mehr oder weniger regelmäßiger Ersatz für die normale Verhütung wird – frei nach dem Motto: "Es gibt ja die Pille danach, dann brauche ich ja nicht anders vorzusorgen" (siehe Kasten). Dazu schreibt eine PTA aus Hamburg: "Wenn ich mir hier in der Gegend die jungen Mädels ansehe. … Die gehen damit sehr locker um und würden bei einer verschreibungsfreien Abgabe sicher des Öfteren in der Apotheke stehen und nach der ‚Pille danach‘ fragen. Damit würde die Funktion des Notfallmedikaments wegfallen und auf Dauer eventuell doch mehr Nebenwirkungen auftreten."

Apothekerin Dr. Mana Majdpour vom Landesvorstand Westfalen-Lippe bezieht sich auf die ablehnende Haltung vieler Frauenärzte: "Berechtigt ist das Bedenken der Frauenärzte, denn sie begleiten ihre Patientinnen in der Übernahme der Verantwortung für ihre Gesundheit und die der ungeborenen Lebewesen!" Statt einer Freigabe plädiert sie "1. für die Bekanntmachung der ‚Mädchensprechstunde’, 2. für die finanzielle Unterstützung der Frauen mit geringem Einkommen, damit sie sich die normale Pille leisten können, und 3. für die Verbesserung der Beratungsqualität bei der Verordnung der Pille danach, statt deren Verharmlosung."

Hinterfragt werden auch eventuelle finanzielle Motive: "Ich finde es mehr als bedenklich, dass verschreibungspflichtige Medikamente freiverkäuflich werden, um Krankenkassen aus der Übernahmepflicht zu entlassen", so die Bremer Landesvorsitzende.

Und ein Approbierter aus Hessen schreibt: "Wenn dieses hochwirksame, sehr verantwortungsvoll anzuwendende Medikament freigegeben werden sollte, hat die Pharmaindustrie wieder einmal erfolgreiche Lobbyarbeit geleistet."

In eine ähnliche Richtung zielt die Stellungnahme einer PTA aus Berlin: "Ich denke, die Firmen wollen dies aus wirtschaftlichen Gründen, da die Verordnungen nicht mehr das bringen, was sie sich vorstellen. Aber was mache ich mit Patienten, die viele verschiedene Präparate einnehmen, diese aber nicht alle nennen können? Wer übernimmt die Haftung?"

Rezept "jedes Wochenende"


Die "Pille danach": Eine Geschichte aus dem Notdienst

3 Uhr morgens in einer Apotheke im Ruhrgebiet in der Nähe einer Disco: Nachdem ich einer jungen Frau auf Verordnung hin die "Pille danach" mit den entsprechenden Einnahmehinweisen ausgehändigt habe, fragte ihre Begleiterin, ob sie auch eine Packung haben kann. Nachdem ich auf die Verschreibungspflicht und die damit verbundene frauenärztliche Untersuchung hingewiesen habe, sagte meine Kundin: "Das können Sie sich alles ersparen. Ich gehe jedes Wochenende zu dem Krankenhaus, in dem sie mich kennen, und ich hole mir das Rezept. Und untersucht werde ich auch nicht mehr." Anscheinend gehört die "Pille danach" zum Wochenendprogramm mit Discobesuch dazu!

Argumente pro Freigabe

Allerdings gibt es auch Stimmen und Argumente für die Entlassung aus der Rezeptpflicht: "Sinnvoll wäre es, wenn auf diese Weise die Schwangerschaften von jungen Mädchen reduziert werden könnten", so eine Hamburger Aktive.

Und eine Apothekerin aus Baden-Württemberg schreibt: "Die Pille danach kann aus der Verschreibungspflicht entlassen werden, da in der Realität beim Notdienstarzt, der ja meist kein Frauenarzt ist, in aller Regel keine weiteren Untersuchungen vorgenommen werden können. Entweder der Arzt verordnet dann sofort, oder die Frauen machen eine weitere Station in der Klinik, um dann dort von einem Frauenarzt gesehen zu werden. In jedem Fall vergeht wertvolle Zeit, da die Pille umso sicherer wirkt, je früher sie angewandt wird."

Als Voraussetzung für die Freigabe nennt eine PTA aus Niedersachsen, dass das Apothekenpersonal ausführlich geschult wird, damit die notwendige Beratung zu Neben- und Wechselwirkungen sichergestellt ist. Eine Beratung bei der Abgabe nach festgelegtem Schema wie beispielsweise bei Formigran fordert eine hessische ADEXA-Aktive für den Fall einer Freigabe.

Und aus Bremen schreibt ein ADEXA-Mitglied: "Sowohl für die betroffenen Frauen als auch für die Apothekenangestellten würde die Freigabe die Situation erleichtern. Samstag – kein Arzt zur Verfügung (ärztlicher Notdienst? Beratung? Das kann man, denke ich, vergessen), ‚Herumgeeiere‘ in der Apotheke: Der Vorschrift gehorchen oder der Frau in der Not helfen? Dem könnte man mit der Freigabe entgehen!" –

"Die Ausnutzung der Freigabe würde sicherlich nicht zu einer dramatischen Zunahme der Einnahme führen, denn die Frauen müssten die Tabletten ja selber bezahlen. Vorsicht oder andere Verhütungsmethoden ständen damit immer noch im Vordergrund!"


Diskutieren Sie mit!

Schreiben Sie uns Ihre Meinung zur möglichen Freigabe der "Pille danach" an presse@adexa-online.de.

Fazit

Bei der stichprobenartigen Befragung haben sich rund 40 Prozent für die rezeptfreie Abgabe der "Pille danach" in Apotheken ausgesprochen. Pharmazeutische Bedenken überwiegen bei der Mehrheit der Befragten. Zumal der rezeptpflichtige Bezug über Notfallpraxen oder Krankenhäuser auch am Wochenende mehrheitlich als ausreichend angesehen wird. Allerdings wird die dortige Beratung als oft nicht optimal eingeschätzt.

Ethische Bedenken wurden dagegen kaum geäußert; vielmehr stand die Sorge um die Gesundheit und mögliche Folgen für die betroffenen Frauen im Mittelpunkt der Stellungnahmen.


Dr. Sigrid Joachimsthaler

Blick ins Ausland


In der Schweiz ist die "Pille danach" seit Ende 2007 als einzelne Tablette zu 1,5 mg Levonorgestrel ohne Rezept erhältlich. Das Arzneimittel darf nur nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Apotheker abgegeben werden.

In Österreich sind seit 2005 Bestrebungen im Gange, Levonorgestrel als "Pille danach" rezeptfrei zugänglich zu machen. Übergangsweise existiert eine "Notfallregelung" auf Länderebene, sodass die Apotheker in den östlichen Bundesländern im freien Ermessen das Präparat auch ohne Rezept aushändigen dürfen.

In Dänemark, Griechenland, den Niederlanden, Frankreich, Luxemburg und Großbritannien ist Levonorgestrel zur postkoitalen Empfängnisverhütung in jeder Apotheke rezeptfrei erhältlich. Außerdem werden in Großbritannien und Frankreich diese Präparate in Schulen bei Bedarf an Schülerinnen abgegeben.

In Italien ist Levonorgestrel als "Pille danach" wie in Deutschland rezeptpflichtig.

In den USA wird die "Pille danach" (Levonorgestrel, Markenname "Plan B") seit April 2009 an Frauen ab 17 Jahren rezeptfrei abgegeben. Für jüngere Frauen oder Mädchen ist sie verschreibungspflichtig.


Quelle: Wikipedia

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