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Prävention: Ein großes Thema für die Apotheke
"Prävention, (k)ein Thema für die Apotheke?" lautete das Motto der Wirtschaftstage des Landesapothekerverbands Sachsen-Anhalt am 6. und 7. November in Halle. Für Margit Schlenk, Apothekerin aus Nürnberg und Sprecherin des Wissenschaftlichen Instituts für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG), gibt es auf diese Frage nur eine Antwort: Die Apotheken sind geradezu prädestiniert, sich in der Prävention einzubringen – und zwar sowohl in der Primär-, Sekundär- als auch Tertiärprävention. "Überall ist der Apotheker positionierbar", betonte sie. Und angesichts der Tatsache, dass Prävention noch kein hipper Lifestyle ist und wirkungsvolle Angebote in den Lebenswelten (Betrieb, Schule, Kindergarten, Vereine) rar sind, ist Schlenk überzeugt, dass die Apotheke als niedrigschwellige Anlaufstelle ohne Eintrittsgebühr punkten kann. Unterstützung hierzu gibt das 2007 gegründete WIPIG. Das Institut bietet Apothekern in Zusammenarbeit mit der bayerischen Apothekerkammer seit diesem Jahr eine Weiterbildung zum Thema Prävention und Gesundheitsförderung an. Nach absolviertem Kurs können Apotheker, die sich nochmals weiter qualifizieren, den Titel "Präventions-Manager WIPIG® " erlangen. Ab 2010 soll es auch für PTA entsprechende Angebote geben.
Problem Honorierung
Erklärte Ziele des WIPIG sind unter anderem der Aufbau von Netzwerken, eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, Schulungsmaßnahmen zur Professionalisierung sowie die Erforschung und Entwicklung neuer Ideen. Am Ende sollen Präventionsangebote stehen, die qualitätsgesichert und evaluiert sind. Derzeit handele es sich noch um kostenlose Marketinginstrumente, räumte Schlenk ein. Doch man arbeite darauf hin, dass die Leistungen der Apotheker eines Tages auch honoriert werden. Denn, was nichts kostet, ist in den Augen vieler auch nichts wert. Teilweise gibt es bereits Honorierungsmodelle – etwa im Diabetesmanagement. Doch das Potenzial der Pharmazeuten sei weitaus größer, betonte die WIPIG-Sprecherin. Ein Problem sei, dass die Apotheker keine Erwähnung in den Regelungen des Sozialgesetzbuches (SGB V) zur Prävention finden. Selbst in den apothekerlichen Berufsordnungen ist die Prävention nicht verankert – ein Zustand, der in Schlenks Augen dringend zu ändern ist. Der Arzt habe es hingegen leichter, da für ihn die Prävention ein integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung sei. Auch wenn das WIPIG Apotheker nicht zur Konkurrenz für Ärzte machen will, hält es Schlenk für notwendig, dass sich die Pharmazeuten professionalisieren, um von der Politik ernst genommen zu werden. Sie ist überzeugt: Gesellschaft, Politik und Krankenkassen können es sich nicht länger leisten, den Apotheker bei der Prävention außen vor zu lassen.
Pharmazeuten haben beste Voraussetzungen
Ihren Kolleginnen und Kollegen riet Schlenk daher zu einem selbstbewussten Auftreten: Mit ihrem breiten Ausbildungsspektrum wissen sie Bescheid in der Physiologie, Biochemie und Pharmakologie – hinzu kommen Empathie sowie die Fähigkeit zur Motivation und Leitung. Apotheker sind damit bestens geeignet, als Präventionsmanager zu agieren. Ihr besonderes "Goldkörnchen" sei, dass sie für ihre Kunden dauerhaft zur Verfügung stehen und nicht nur ein Seminar anbieten, nach dessen Abschluss sie wieder verschwinden. Zudem böten ihnen die ärztlichen Verordnungen eine Vielzahl von Möglichkeiten, neben der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung und Information einen "Pluspunkt Prävention" zu setzen. Dies kann etwa der Hinweis auf Selbsthilfegruppen oder das Angebot einer Ernährungsberatung für Diabetiker oder Osteoporose-Patienten sein.
Dass die Apotheker Ideen haben, zeigt auch der in diesem Jahr gemeinsam mit der DAZ ausgeschriebene Präventionspreis. 80 Bewerbungen wurden von Apotheken eingesandt, sie befassen sich mit 57 laufenden Projekten und 23 Ideen. Am 17. November wird im bayerischen Landtag die Preisverleihung mit Schirmherr Dr. Markus Söder, dem bayerischen Gesundheitsminister, stattfinden.
Gendiagnostik in Apotheken
Einen ganz anderen Aspekt von Prävention zeigten Professor Theodor Dingermann und Dr. Ilse Zündorf auf. Sie träumen davon, dass es Apotheken eines Tages möglich sein könnte, Sputum-Proben von ihren Kunden zu nehmen. Diese könnten sie sodann an das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) schicken, das wiederum eine Genomsequenzierung vornehmen würde. Mithilfe der ABDATA wäre es Dingermann zufolge möglich, ein System zu entwickeln, das in der Apotheken-Software Alarm schlägt, wenn ein Patient ein Medikament bekommen soll, das bei ihm aufgrund seiner genetischen Disposition keine Wirkung zeigen würde. So ist etwa für das Brustkrebsmedikament Tamoxifen nachgewiesen, dass es bei Menschen, denen das Gen CYP2D6 fehlt, nicht anschlägt. Erst dieses sorgt dafür, dass Tamoxifen in die eigentliche Wirksubstanz Endoxifen umgewandelt wird. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA rät daher bereits zu einer Genomtypisierung bevor mit einer Tamoxifen-Behandlung begonnen wird. CYP2D6 ist darüber hinaus an der Verstoffwechselung einer Reihe weiterer Arzneiwirkstoffe beteiligt. Ein anderes Beispiel ist Clopidogrel: Auch hier lässt sich aus einem entschlüsselten Genom ableiten, ob ein Patient von der Gabe des Thrombozytenaggregationshemmers profitieren kann oder nicht. Ebenso lässt sich aus dem Genom ablesen, ob bei einem Patienten die Coffein-Metabolisierung schnell oder langsam vonstatten geht – und was für Coffein gilt, gilt beispielsweise auch für Clozapin und Propranolol.
"Das ZL würde gerne eine solche Plattform zur Verfügung stellen", betonte Dingermann. Doch dies ist aufgrund des Gendiagnostikgesetzes, das einen Arztvorbehalt vorsieht, derzeit nicht möglich. Der Wissenschaftler hält der Politik vor, nicht zwischen den verschiedenen Arten von Diagnostik unterscheiden zu können und stets nur an die Krankheitsdiagnostik zu denken. Tatsächlich könne man auch dort Diagnosen erstellen, wo es gar keine Krankheiten gibt. Daher will sich Dingermann für eine Änderung des erst in diesem Jahr beschlossenen Gesetzes einsetzen. Solange es um die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln geht, sollten sich seiner Meinung auch Apotheken hier einbringen können. "Das bringt nicht viel Geld, schafft aber Kundenbindung".
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