- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 48/2009
- Clozapin besser als sein ...
Arzneimittel und Therapie
Clozapin besser als sein Ruf
Etwa ein Prozent aller Patienten entwickelt im Laufe einer Clozapin-Therapie eine Agranulozytose. Wird diese nicht rechtzeitig entdeckt, kann sie tödlich verlaufen. Aufgrund dessen muss das Blutbild von Patienten, die mit diesem an sich gut wirkenden Antipsychotikum behandelt werden, regelmäßig, anfangs sogar wöchentlich kontrolliert werden. Viele Psychiater bevorzugen daher andere Neuroleptika der zweiten Generation, wenngleich auch diese nicht frei von Risiken sind. Häufig führt ihre Einnahme zu einer Gewichtszunahme oder Typ-II-Diabetes, was die Sterblichkeit dieser Patienten langfristig ebenfalls erhöhen kann.
Kausalspezifische Sterblichkeitsanalyse
Eine Forschergruppe von der Universität Kuopio in Finnland untersuchte jetzt den Einfluss verschiedener Wirkstoffverordnungen auf die Sterblichkeit finnischer Schizophreniepatienten. In dieser populationsbasierten Studie nutzten die Autoren nationale finnische Register, um für den Zeitraum zwischen 1996 und 2006 die kausalspezifische Sterblichkeit quasi aller Schizophreniepatienten (etwa 67.000) mit jener der Gesamtbevölkerung (5,2 Millionen) zu vergleichen. Sie erfassten die Gesamtmortalität (unabhängig von der Todesursache) von ambulant behandelten Schizophrenie-Patienten für aktuelle und kumulative Neuroleptika-Einnahme und verglichen sie mit der Mortalität jener Schizophrenie-Patienten, die solche Medikamente nicht einnahmen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Lebenserwartung von Schizophreniepatienten wesentlich niedriger ist, als bei gesunden Menschen. Im Jahr 1996 war die Lebenserwartung eines 20-jährigen Schizophrenie-Patienten um etwa 25 Jahre geringer als bei der restlichen Bevölkerung. Im Jahr 2006 betrug die Differenz nur noch 22,5 Jahre.
Lebenserwartung nicht negativ beeinflusst
Die Wissenschaftler stellten demnach fest, dass sich die Lücke in der Lebenserwartung zwischen 1996 und 2006 nicht vergrößert hat, obwohl die Einnahme von Neuroleptika der zweiten Generation (im Vergleich zu allen eingesetzten Neuroleptika) im gleichen Zeitraum von 13 auf 64% gestiegen war. Eine langfristige kumulative Anwendung (7 bis 11 Jahre) jedweder antipsychotischer Therapie reduzierte die Mortalität um 20% im Vergleich zu Schizophrenie-Patienten die keine entsprechenden Medikamente einnahmen. Bei Patienten, die ein oder mehrere Neuroleptika verschrieben bekamen, beobachteten die Wissenschaftler eine inverse Beziehung zwischen Mortalität und Dauer der Anwendung. Die Befürchtung, Neuroleptika könnten das Leben der Patienten langfristig verkürzen, hat sich dieser Studie zufolge nicht bewahrheitet. Die Mortalität der Patienten war allerdings in hohem Maße davon abhängig, mit welchem Medikament sie behandelt wurden. Verglichen mit dem Einsatz von Perphenazin, dem Standardmedikament der ersten Generation, weist Quetiapin das höchste Risiko der Gesamtsterblichkeit auf (Zunahme um 41%), während ausgerechnet Clozapin mit dem niedrigsten Sterblichkeitsrisiko (Abnahme um 26%) assoziiert war.
Mögliche Bias bei Registerstudien
Aufgrund dieser Befunde kommen die finnischen Autoren zu dem Schluss, Clozapin sei offensichtlich das "sicherste Antipsychotikum hinsichtlich der Sterblichkeit", so dass sich die Frage stelle, ob Clozapin nicht häufiger zur Erst-Linien-Behandlung eingesetzt werden sollte. Diese Aussage erscheint jedoch durchaus gewagt, denn gerade Registerstudien wie die vorliegende gelten als anfällig für Verzerrungen (Bias). So ist beispielsweise zu erwarten, dass viele Psychiater aufgrund der Anwendungseinschränkungen insbesondere bei Risikopatienten eher kein Clozapin verordnen, sondern andere Neuroleptika. Zudem werden Ärzte bei unzuverlässigen Patienten, die die regelmäßigen Kontrolltermine höchstwahrscheinlich nicht einhalten, von vornherein auf Clozapin verzichten. Dabei ist anzunehmen, dass gerade diese unzuverlässige Patientengruppe das höchste Suizidrisiko aufweist.
Quellen
Tiihonen, J.; et al.: 11-year follow-up of mortality in patients with schizophrenia: a population-based cohort study (FIN11 study). Lancet 2009; 374: 620 – 627.
Chwastiak, L.: The unchanging mortality gap for people with schizophrenia, Lancet 2009; 590 – 591.
Movement for global mental health gains momentum. Lancet 2009; 374: 587.
Apotheker Dr. Andreas Ziegler
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.