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Essen – Bazillen – Adipositas

Der Nährwert einzelner Nahrungsmittel hängt nicht nur von ihrer Zusammensetzung, sondern auch von der jeweiligen mikrobiellen Darmflora des Menschen ab, der sie verzehrt. Der mikrobielle Abbau im Darm beeinflusst die Resorption der Nährstoffe und damit auch die Aufnahme von Kalorien. Dies wurde durch Tierversuche aktuell wieder bestätigt.

Eine Arbeitsgruppe um Peter Turnbaugh an der Washington University School of Medicine und der University of Colorado besiedelte den Darm von gnotobiotischen, d. h. keimfrei aufgewachsenen Mäusen (C57BL/6J mice) mit einer menschlichen mikrobiellen Darmflora; dies geschah teils durch frische, teils durch gefrorene Fäkalien und führte jeweils zum Erfolg. Die Mikrobiota (Gesamtheit aller anwesenden Mikroben) dieser humanisierten Mäuse war stabil und wurde auch an nachfolgende Generationen weitergegeben. Nach diesen Vorstudien begann das eigentliche Experiment.

Die Mäuse erhielten einen Monat lang eine fettarme, an pflanzlichen Kohlenhydraten reiche Nahrung. Die Fäzes wurden einen Tag, eine Woche und einen Monat nach Beginn des Experiments molekularbiologisch analysiert, indem die Nucleotidsequenzen des 16S rRNA Gens bestimmt wurden (s. Kasten). Die Analysen ergaben, dass die Mikrobiota stabil blieb.

Nach Ablauf des Monats erhielt die eine Hälfte der Mäuse weiterhin diese Diät, während die andere Hälfte eine fettreiche, zuckerreiche "westliche" Diät erhielt. Bereits 18 bis 20 Stunden nach dieser Ernährungsumstellung änderte sich die Mikrobiota erheblich. Grampositive Bazillen sowie Erysipelothrix , die zusammen zur Gruppe Firmicutes gehören, nahmen zu, während die gramnegativen Bakterien der Gruppe Bacteroidetes abnahmen. Damit stiegen im Mikrobiom des Darms, d. h. in der Gesamtheit der Genome aller dort lebenden Mikroben, sowohl die Anzahl als auch die Aktivität der Gene, deren Genprodukte langkettige Kohlenhydrate in Monosaccharide zerlegen. Das bedeutet, dass in einem solchen Darm selbst Ballaststoffe in hochkalorischen Zucker verwandelt werden. Entsprechend nahmen die "westlich" ernährten Mäuse an Gewicht zu.

In einem weiteren Experiment übertrugen die Forscher die Darmflora von Mäusen mit "westlicher" Diät in die Mäuse, die die fettarme, an pflanzlichen Kohlenhydraten reiche Diät erhielten. Darauf nahmen auch diese Mäuse an Gewicht zu, obwohl sie nicht mehr zu essen bekamen; denn die zugeführten Bakterien wirkten so auf den Verdauungsbrei ein, dass mehr Nahrungsbestandteile resorbiert wurden.

16S rRNA Gen

Das 16S rRNA Gen ist für die Struktur der Ribosomen zuständig. Es ist in allen Lebewesen vorhanden, weist aber artspezifische Unterschiede der Nucleotidsequenz auf und kann daher zur Bestimmung der Arten verwendet werden. Da es ein relativ kleines Gen mit 1300 bis 1600 Basenpaaren ist, lässt es sich ohne großen Aufwand sequenzieren. – In der hier referierten Studie wurden die in einer Kotprobe vorhandenen 16S rRNA Gene bestimmt, um auf die Anwesenheit und Häufigkeit der verschiedenen Mikroben zu schließen.

Turnbaugh stammt aus der Arbeitsgruppe von Jeffrey Gordon in St. Louis, der seit 2001 wegweisende Beiträge über die Zusammenhänge zwischen der Ernährung, der Mikrobiota des Darms und Adipositas veröffentlicht hat. In Deutschland forscht u. a. Michael Blaut vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke an diesem Thema. Es geht hier aber nicht nur um Kalorien, sondern auch um wertvolle Mikronährstoffe sowie um Schadstoffe, die in Abhängigkeit von der Darmflora freigesetzt oder gebildet werden und resorbiert werden.

Die Grundlagenforschung soll dazu führen, die Therapie von Patienten mit Adipositas und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu verbessern. In ferner Zukunft könnte jeder Mensch nach einer individuellen Genobiom-Analyse auf Wunsch eine "mikrobiell optimierte" Ernährung erhalten. cae

 

Quelle

Turnbaugh PJ, et al. The effect of diet on the human gut microbiome: a metagenomic analysis in humanized gnotobiotic mice. Sci Transl Med 11. November 2009:1;6ra14.

 

Internet

Netzwerke Experimentelle Ernährungsforschung
Prof. Dr. Michael Blaut

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