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Jung und voller Tatendrang
Der bisherige Oppositionspolitiker Bahr muss sich in seiner neuen Rolle als Staatssekretär sicherlich noch an manches gewöhnen. Wo er bislang flammend für den Übergang in ein Prämiensystem werben konnte, muss er nun Rücksicht auf Koalitionspartner nehmen und sich der Realität der Krise stellen. Den von ihm stets bekämpften Gesundheitsfonds muss er vorerst als gegeben akzeptieren; ebenso dass 2010 nochmals 3,9 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt in ihn fließen werden. Dieser vom Steuerzahler gespannte Schutzschirm für die krisenbedingten Einnahmeausfälle sei jedoch eine einmalige Angelegenheit, betonte Bahr am 23. November bei der Handelsblatt-Jahrestagung "Health" in Berlin. "Das kann keine Dauerlösung sein." Eine Abhängigkeit der Krankenversicherung von einer Entscheidung des Finanzministers nach Haushaltslage mache die Finanzierung keinesfalls nachhaltiger und stabiler.
Solidarität und Eigenverantwortung
Ziel müsse es sein, die Spirale steigender Gesundheitskosten und sinkender Einnahmen, die zu steigenden Kassenbeiträgen und Lohnzusatzkosten führen und damit wiederum zu wegfallenden Arbeitsplätzen und weiteren Einnahmeausfällen, hinter sich zu lassen. Dazu sei es notwendig, die Gesundheits- von den Lohnzusatzkosten zu entkoppeln. Den Vorwurf, diese Pläne seien "unsozial" will Bahr nicht gelten lassen. "Es geht nicht darum, etwas für die Arbeitgeber zu tun, sondern wir wollen Arbeitsplätze schützen", betonte der FDP-Politiker. Zudem machte er deutlich, dass Solidarität und Eigenverantwortung für die FDP kein Gegensatz sind. "Das gehört für uns untrennbar zusammen." Klar sei, dass die Solidargemeinschaft für größere Risiken, die ein Einzelner allein nicht schultern könne, einstehen müsse. Dazu werde sie aber nur bereit sein, wenn die Menschen in anderen Bereichen Eigenverantwortung zeigten.
Prämiensystem braucht Zeit
Doch der Weg aus der von Bahr beklagten Spirale wird sicherlich beschwerlich. Anfang 2010 soll zunächst eine Regierungskommission zusammenkommen und einen Plan erarbeiten. Der Auftrag, den ihr der Koalitionsvertrag aufgibt, ist aus Bahrs Sicht klar formuliert. Es geht darum, ein neues System mit mehr Beitragsautonomie zu schaffen, den Arbeitgeberanteil festzuschreiben und zu einer Prämienfinanzierung zu kommen. Schon jetzt räumt der frisch gebackene Staatssekretär aber ein, dass die Prämien sicherlich nicht so schnell kommen, wie er es sich wünschen würde – selbst bei einem FDP-geführten Gesundheitsministerium. Dazu sei die Finanzlage zu "dramatisch". Dennoch müsse man den Einstieg wagen. Wenn im nächsten Jahr bereits 16 Mrd. Euro Steuergelder im Jahr ins System flössen, sei auch ein Prämienmodell mit sozialem Ausgleich möglich, meint Bahr.
Bis es so weit ist, müssen die Kassen erst einmal sehen wie sie im nächsten Jahr weiterkommen. Der Schutzschirm wird ihre voraussichtliche Unterdeckung in Höhe von 7,8 Mrd. Euro nur zur Hälfte auffangen. Alles weitere sei "ein Spiel von Einsparungen und beginnenden Zusatzbeiträgen", so der Staatssekretär. Zugleich stellte er klar, dass die Zusatzbeiträge in ihrer jetzigen gedeckelten Form, nicht funktionieren könnten. Dies habe auch der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Josef Hecken, vorgerechnet, als er zur Unterrichtung in die Koalitionsverhandlungen geladen war.
Weniger, aber wirksame Instrumente
Die Ankündigung im Koalitionsvertrag, die Instrumente, die den Arzneimittelmarkt regeln, zu überprüfen, soll ebenfalls im kommenden Jahr in Angriff genommen werden. "Wir wollen weniger, aber wirksame Instrumente", betonte Bahr. Was aus den Rabattverträgen wird, ließ er offen. Dass sich die neue Regierung von dem umstrittenen Instrument verabschieden wird, scheint jedoch zweifelhaft. "Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Herstellern sehen wir grundsätzlich positiv", erklärte Bahr. Allerdings müsse dafür gesorgt werden, dass hier umfänglich das Wettbewerbs- und Kartellrecht gelte. Dieses Jahr, so der Staatssekretär, werde man sich nicht mehr daran machen, Rabattverträge & Co. genauer unter die Lupe zu nehmen. Im ersten Halbjahr 2010 soll es jedoch losgehen – wenngleich man in diesem Zeithorizont noch keine gesamte Neuordnung des Arzneimittelmarktes erwarten könne.
"Die nächsten Jahre werden nicht leicht", ist sich Bahr jetzt schon sicher. Dennoch scheut er den Weg durch das "Dornenfeld" nicht. "Wir im BMG sind jung und voller Tatendrang", erklärte er. Er sei sich bewusst, dass man auch scheitern könne – aber sein Ziel ist sicherlich ein anderes.
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