- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 48/2009
- Mukosale Barrierestörung
Arzneimittel und Therapie
Mukosale Barrierestörung
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen können zu den Zivilisationskrankheiten gezählt werden, die durch Umwelteinflüsse und genetische Empfindlichkeiten geprägt werden. Ein wichtiger Risikofaktor ist – wahrscheinlich wie beim Asthma – die Hygiene im Kindesalter. So konnte gezeigt werden, dass elementare hygienische Maßnahmen wie das Verwenden von heißem Wasser oder der Gebrauch separater Toiletten das Risiko für chronisch entzündliche Darmerkrankungen erhöht. Weitere Risikofaktoren sind der Einsatz von Antibiotika, Rauchen, eine erfolgte Appendektomie oder Tonsillektomie und städtisches Leben. Protektiv wirken das Stillen der Kinder und Aufwachsen in ländlicher Umgebung.
Aus pathophysiologischer Sicht besteht bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine Barrierestörung, die zu überschießenden Immunreaktionen führt. Die intestinale Symbiose zwischen Wirt und der Bakterienflora ist gestört. Da die Funktion des Immunsystems partiell von der intestinalen Besiedelung abhängt, kann eine Veränderung dieser Homöostase zu Entzündungen führen. Die Relevanz einer gestörten Barriere zeigt sich auch darin, dass die Mehrzahl der bisher beobachteten genetischen Grundlagen diese Störung betrifft.
"Glückseligkeit (…) ist nichts anderes als eine außerordentliche Harmonie in den Gefilden des Verdauungsapparates. "
|
Meist günstiger Verlauf
Neue epidemiologische Studien zeigen, dass Colitis ulcerosa und Morbus Crohn deutlich günstiger verlaufen als bislang angenommen. So tritt beim Morbus Crohn in der Mehrzahl der Fälle meist nur ein heftiger Schub auf, der dann abklingt. Bei einem weiteren Drittel der Betroffenen verläuft die Erkrankung wellenförmig und nur bei rund 20% besteht eine chronische Aktivität der Entzündung. Entgegen der noch immer weit verbreiteten Meinung haben nicht alle Patienten ein erhöhtes Krebsrisiko, sondern nur die Subpopulation mit einer chronisch aktiven Entzündung.
AusblickeMögliche neue therapeutische Optionen • Abdichtung der gestörten Barriere durch Phosphatidylcholin
|
Therapie
Wichtige Therapieziele bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind
- Induktion und Erhaltung einer Remission ohne die langfristige Steroidtherapie
- Aufrechterhaltung intestinaler Funktionen, das heißt, Nährstoffaufnahme und Retention von Wasser und Elektrolyten müssen gewährleistet sein. Ferner sollte eine kontrollierte Stuhlentleerung möglich sein, Strukturschäden (Narben) sind zu vermeiden.
- Heilung der Erkrankung durch Elimination oder Neutralisierung der Suszeptibilitätsfaktoren.
Zur medikamentösen Therapie werden die Glucocorticoide Prednisolon und Budesonid, 5-Aminosalicylate, die Immunsuppressiva Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin A, Infliximab und Adalimumab sowie antibiotische Substanzen wie Metronidazol und Ciprofloxacin eingesetzt. Dabei kann Folgendes festgehalten werden:
- 5-Aminosalicylate: Die Einmaldosis ist genauso effektiv wie die dreimal tägliche Einnahme und verbessert die Compliance. Im Bedarfsfall können rektale und orale Anwendungen kombiniert werden, was in der akuten Krankheitsphase zu höheren Remissionsraten führt.
- Glucocorticoide: Führen zu hohen Remissionsraten, allerdings gibt es für das Ansprechen keine prädiktiven Parameter. Systemische Steroide erhöhen das postoperative Abszessrisiko.
- Azathioprin: Wird in schwereren Fällen zur Langzeittherapie eingesetzt. Auch nach Absetzen ist eine erneute Gabe möglich.
- Metronidazol-Salbe: Bessert die Beschwerden (insbesondere die Sekretion) bei perianalen Manifestationen.
- Biologicals: In Studien wurden bei nicht selektionierten Patienten Ansprechraten von lediglich 20 bis 30% gezeigt. Bei einer richtigen Auswahl der Patienten – insbesondere bei Vorliegen einer Entzündung – konnten diese Raten deutlich erhöht werden. Möglicherweise ist eine kombinierte Therapie, das heißt eine zusätzliche Immunsuppression bei Gabe von Infliximab nicht erforderlich. Die gelegentlich propagierte "Top-down-Strategie" ist umstritten. Alle immunsuppressiven Maßnahmen bergen ein erhöhtes Infektionsrisiko.
Quelle
Prof. Dr. Jürgen Schölmerich, Regensburg: "Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen", beim 32. Heidelberger Fortbildungskongress der Landdesapothekerkammer Baden-Württemberg, 22. November 2009.
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.