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Schöne neue Liefervertragswelt

ROSTOCK (tmb). Präqualifizierungsstellen und in manchen Fällen auch ein verpflichtendes Qualitätsmanagementsystem (QMS) sind einige Neuigkeiten, mit denen Apotheker künftig bei der Hilfsmittelbelieferung konfrontiert werden. Denn die Lieferberechtigung für Hilfsmittel wurde durch das GKV-WSG und das GKV-OrgWG neu geregelt. Anstelle der früheren kassenrechtlichen Zulassung wird es künftig nur noch Lieferberechtigungen aufgrund von Verträgen geben. Die diesbezüglichen Übergangsfristen stehen kurz vor dem Ablauf.
Dr. Heinz Weiß Geschäftsführer des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern
Foto: Tmb

Über die neuen Regularien informierte Dr. Heinz Weiß, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, bei der Mitgliederversammlung des Verbandes am 25. November. Verträge sollen künftig als Ergebnis von Ausschreibungen geschlossen werden, sofern dies bei dem jeweiligen Produkt zweckmäßig erscheint. Anderenfalls werden Verträge mit einzelnen Lieferanten vereinbart, denen weitere Lieferanten zu den gleichen Bedingungen beitreten können. Dazu müssen sich die potenziellen Vertragspartner bei den Krankenkassen über die Vertragsbedingungen informieren. Die dritte Vergabekammer des Bundeskartellamtes vertritt allerdings die Auffassung, dass grundsätzlich Ausschreibungen nötig sind, sodass auch diese neue Regelung langfristig schon wieder in Frage steht (siehe AZ 2009, Nr. 49, S. 1)

Als Folge der Abkehr vom Kollektivvertragssystem erwartet Weiß vielfältige Sonderregelungen und überbordende Bürokratie. Die Verbandsgeschäftsstelle werde sich zu einer Clearingstelle entwickeln müssen, die die Übersicht behält, wer zu welchen Bedingungen welche Hilfsmittel liefern darf. Außerdem würden die Apotheker viele Hilfsmittel nicht mehr liefern können und auf Dumpingpreise eingehen müssen. Die Patienten würden durch Aufzahlungen und drohende Qualitätsprobleme belastet.

Neue Lieferberechtigung

Bis zum 31. Dezember 2009 gilt noch eine Übergangsfrist – bis dahin sind alle Leistungserbringer lieferberechtigt, die am 31. März 2007 bereits die betreffenden Hilfsmittel geliefert haben. Ab 1. Januar 2010 sind nur noch die Vertragspartner der Krankenkassen lieferberechtigt. Entscheidend ist dann der Beitritt zu einem Vertrag. Um beitreten zu dürfen, müssen die Leistungserbringer jedoch Voraussetzungen erfüllen. Bis zum 30. Juni 2010 gelten alle Lieferanten als geeignet für die Versorgung, die am 31. März 2007 lieferberechtigt waren. Danach müssen sie vor dem Beitritt zum Vertrag ein sogenanntes Präqualifizierungsverfahren durchlaufen haben, das bis dahin etabliert sein soll. Dieses Verfahren soll kassenübergreifend als Nachweis für die Eignung dienen und sich jeweils auf das Unternehmen, beispielsweise die Apotheke beziehen. Die Kriterien müssen aber für jede Betriebsstätte, also auch für jede Filialapotheke einzeln nachgewiesen werden. Für diese Bewertung sollen Präqualifizierungsstellen eingerichtet werden, die sich über Gebühren der Leistungserbringer finanzieren müssen. Über die Präqualifizierung hinaus können die Krankenkassen bei jedem einzelnen Vertrag weitere Bedingungen vorsehen, zusätzlich zu den unternehmensspezifischen können dies auch auftragsspezifische Kriterien sein.

Neuer Vertrag mit BEK und TK

Insgesamt werden die Verträge komplizierter, so beispielsweise der neue Liefervertrag des Deutschen Apothekerverbandes mit der Barmer Ersatzkasse und der Techniker Krankenkasse für Milchpumpenzubehör, Aerosolinhalationsgeräte, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, Krankenpflegeartikel und weitere Hilfsmittel. Der bundesweit gültige Vertrag soll zum 1. Januar 2010 in Kraft treten, erklärte Weiß. Die Apothekerverbände müssten dann Dateien mit den beigetretenen Apotheken führen. Neue Apotheken, Filialen und Inhaberwechsel müssten vier Wochen vor der Teilnahme gemeldet werden. Versorgungsanzeigen und Kostenvoranschläge könnten nur noch elektronisch übermittelt werden und seien kostenpflichtig. Für Kostenvoranschläge werde eine Gebühr von 1,55 Prozent des Auftragswertes erhoben, die sinnvollerweise einkalkuliert werden sollte. Zudem werde eine Betriebshaftpflicht mit einer Versicherungssumme von 2 Millionen Euro gefordert, viele weitere Verpflichtungen seien in einem Konvolut aus 21 Anlagen geregelt.

Erstmals QMS-Pflicht

Außerdem habe der Deutsche Apothekerverband bei diesem Vertrag erstmals der Verpflichtung zum Nachweis eines zertifizierten QMS zugestimmt, weil dies eine zwingende Bedingung der Krankenkassen gewesen sei. Dafür gilt eine Übergangsfrist von 48 Monaten. Spätestens nach 36 Monaten ist der Beginn der Arbeit an einem QMS nachzuweisen. Das QMS muss durch eine nach europäischem Recht akkreditierte Zertifizierungsgesellschaft gemäß den Normen DIN EN ISO 9001 und 13485 geprüft sein. Als Alternative wird in dem jüngsten Vertrag auch ein QMS anerkannt, das von einer Landesapothekerkammer zertifiziert wurde.

Da die Hilfsmittel nach dem weitgehenden Wegfall der Umsätze mit aufsaugenden Inkontinenzprodukten kaum mehr als ein Prozent des Apothekenumsatzes umfassen, liegt die Frage nahe, ob sich der große Aufwand für diese Produkte lohnt. Doch geht es dabei typischerweise um Patienten, die viele Arzneimittel erhalten und in der Apotheke umfassend versorgt werden sollten. Bezüglich des QMS argumentierte Weiß, dies werde künftig voraussichtlich auch in anderen Zusammenhängen gefordert und das QMS werde ohnehin schon als Wettbewerbsinstrument eingesetzt.

Andere Lieferverträge

Weiß informierte auch über weitere laufende Vertragsverhandlungen des Deutschen Apothekerverbandes. Mit den Ersatzkassen werde beispielsweise über wirtschaftliche Stückelungen sowie über die Preise für arzneimittelähnliche Medizinprodukte und Blutzuckerteststreifen verhandelt. Außerdem müsse bis zum 10. Dezember eine Einigung über die Preisberechnung für parenterale Rezepturen mit Fertigarzneimitteln getroffen werden. Anderenfalls komme im neuen Jahr die Preisberechnung gemäß der 15. AMG-Novelle auf der Grundlage der tatsächlichen Einkaufspreise zum Einsatz.

Weiß beklagte, dass die Kollektivverträge auf Bundes- und Landesebene durch immer mehr Sonderregeln aufgeweicht würden, die die Arbeit erschweren. Ein problematisches Beispiel sei die Sonderregelung über Aufschläge für Verbandstoffe zwischen dem Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern und der dortigen AOK. Bezugnehmend auf § 2 Absatz 4 des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V würden andere AOKen Rezepte retaxieren und ebenfalls diese geringeren Aufschläge fordern. Dies widerspreche aber dem Sinn einer Sondervereinbarung mit einem Großabnehmer. Es passe nicht mehr in die Zeit, dass andere Krankenkassen mit geringen Umsätzen die gleichen Bedingungen erhielten.

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