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Apotheker wollen ihren Beitrag leisten

BERLIN (ks). Apotheker wollen sich in Zukunft stärker in die Versorgungsforschung einbringen. Auf einem Symposium der Bundesapothekerkammer (BAK) zum "Stellenwert und Engagement der Apotheker in der Versorgungsforschung" am 28. Januar in Berlin befassten sich Pharmazeuten, Ärzte und Ökonomen mit der Frage, welchen Beitrag die Apotheken in diesem Bereich leisten können (siehe auch AZ Nr. 6/2009, S. 1).
Vermeidbar? Fünf Prozent der Krankenhausaufnahmen sind in Deutschland durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen verursacht. Die Hälfte davon wäre vermeidbar.
Foto: AOK Mediendienst

Als Versorgungsforschung gilt nach einer Definition des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen. Aufgabe der Versorgungsforschung ist somit, durch wissenschaftlich fundiertes Vorgehen Versorgungsdefizite zu identifizieren, an der Entwicklung bzw. Umsetzung neuer Versorgungskonzepte mitzuwirken und ihre Wirksamkeit zu evaluieren. Auch Arzneimittel sind ein wichtiges Gebiet der Versorgungsforschung. Und dass die Apothekerschaft bereit ist, sich hier zu engagieren, machte BAK-Vizepräsident Lutz Engelen deutlich. "Die beachtenswerten Forschungsbeiträge der Apothekerinnen und Apotheker kommen bislang in der Regel noch zu kurz", sagte er und kündigte an, dies zu ändern. Dabei werde der Schwerpunkt in der anwendungsorientierten Versorgungsforschung liegen. Typische Fragestellungen beträfen die Über-, Unter- und Fehlversorgung, die Compliance und die richtige Anwendung von Arzneimitteln oder medizinischen Hilfsmitteln. "Auch die gesundheitsökonomischen Auswirkungen von Interventionen müssen noch stärker als bisher diskutiert werden", betonte Engelen.

Ansatzpunkte für die Apotheker

Horst Möller, Apotheker und ehemaliger Leiter des Referates Arzneimittelsicherheit im Bundesgesundheitsministerium (BMG), nun außerordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ), erklärte, dass es ein wesentliches Anliegen der Arzneimittelsicherheit im Versorgungsprozess sei, so weit wie möglich unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) zu vermeiden. Dies könne einerseits durch eine Verbesserung der Pharmakovigilanz, andererseits durch eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) geschehen. Während sich die Pharmakovigilanz mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) befasst, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch auftreten und nicht vermeidbar sind, sind UAE im Rahmen der AMTS eine Folge des nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs, so insbesondere nach unbeabsichtigten Medikationsfehlern (z. B. falsche Indikation, falsche Dosierung, Verwechslung), und durchaus vermeidbar. In entwickelten Industrieländern wie Deutschland geht man davon aus, dass fünf Prozent der Krankenhausaufnahmen durch UAW verursacht sind, von denen wiederum die Hälfte vermeidbar gewesen wäre. Die Folgekosten solcher Medikationsfehler sind beachtlich. Doch anders als bei der Pharmakovigilanz gibt es hierzulande noch kein etabliertes AMTS-System. Einbringen können sich die Apotheker in beiden Richtungen, so Möller. So leide etwa das Spontanmeldesystem an die Pharmakovigilanzzentren unter einem "Underreporting". Bislang würden zudem 80 Prozent der Meldungen an die zuständigen Behörden von pharmazeutischen Unternehmen veranlasst. Hier sei eine höhere Sensibilisierung von Ärzten und Apothekern notwendig; aber auch die Meldungen aus Krankenhäusern seien noch nicht zufriedenstellend. Diskussionswürdig sind für Möller auch sog. Consumer-Reports, in denen die Patienten unerwünschte Wirkungen selbst melden. In den Niederlanden habe man hiermit bereits Erfahrungen gesammelt. Allerdings ist man sich noch nicht einig, ob diese Berichte tatsächlich etwas bringen – das Problem ist ihre teilweise fragwürdige Qualität. Möller regte an, hier Apotheker einzubeziehen, die gemeinsam mit Patienten für brauchbare Meldungen sorgen könnten.

Ausschreibung

Vergabe der Galenus Supports 2009
(gs). Bereits zum fünften Mal schreibt die gemeinnützige Galenus-Privatstiftung die Galenus Supports zur Unterstützung des HochschullehrerInnen-Nachwuchses im Fach Pharmazeutische Technologie/Biopharmazie aus. Die mit 500 Euro dotierten Supports dienen der Hilfe bei der Finanzierung von Vortragsreisen, der Weiterbildung oder der Literaturbeschaffung. Beginn der Ausschreibung: 1. Februar, Ende 31. März 2009. Details zur Bewerbung sind unter www.galenusprivatstiftung.at abfragbar.

Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit

Das Potenzial der Apotheker hat auch das BMG erkannt. In seinem im Herbst 2007 beschlossenen Aktionsplan zur Verbesserung der AMTS hat es die Pharmazeuten eingebunden. Der Aktionsplan hat zum Ziel, eine bessere Sicherheitskultur für die AMTS zu etablieren, die Informationen über Arzneimittel zu verbessern, Strategien zur Risikovermeidung bei der Arzneimittelanwendung zu entwickeln und einzusetzen sowie die Forschung auf dem Gebiet der AMTS zu fördern. Einigen dieser Ziele sei man bereits näher gekommen, von anderen sei man noch weiter entfernt, erklärte Möller, der auch Mitglied der für den Aktionsplan zuständigen Koordinierungsgruppe bei der AkdÄ ist. Im Rahmen der Forschungsförderung wurden beispielsweise die vorgesehenen Projekte zur Analyse und Verbesserung der AMTS in Alten- und Pflegeheimen sowie der sektorübergreifenden Versorgung vergeben. Auch die Verbesserung der AMTS bei der Selbstmedikation steht auf dem Plan. Für Möller ist die Bedeutung der Apotheker im Rahmen der AMTS und der Pharmakovigilanz offenkundig: So sind Apotheken die am häufigsten frequentierten Gesundheitseinrichtungen in Deutschland, hier finden sich die nötigen personellen und organisatorischen Voraussetzungen und zudem werden 45 Prozent der dort erworbenen Arzneimittel in der Selbstmedikation abgegeben. "Es wäre eine Sünde, wenn man dieses Potenzial nicht nutzt", so Möller.

Problemfeld Heimversorgung

Prof. Dr. Petra Thürmann von der AkdÄ nahm sich dem Thema AMTS in Alten- und Pflegeheimen genauer an. Sie berichtete über amerikanische Studien aus Altenheimen, die eine problematische Medikation aufzeigen. Für Deutschland ist die Datenlage jedoch noch recht bescheiden. Sagen lässt sich, dass sich derzeit hierzulande rund 750.000 Menschen in der stationären Altenpflege befinden. Etwa die Hälfte der – regelmäßig multimorbiden – Heimbewohner hat Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa 30 Prozent sind dement und 17 Prozent leiden unter einer Depression. Etwa 40 Prozent erhalten Arzneien mit einem hohen Risikopotenzial wie Antikoagulantien und Neuroleptika. Nicht minder kritisch sind Schleifendiuretika, die mit 37 Prozent an dritter Stelle der am häufigsten verordneten Wirkstoffe bei über 60-Jährigen stehen, sowie Nichtopioid-Analgetika (NSAID) und Herzglykoside, die ebenfalls mehr als ein Drittel der Heimbewohner bekommen. All diese Arzneimittel führen bei alten Menschen häufig zu Nebenwirkungen und dadurch zu stationären Einweisungen. Ein beträchtlicher Anteil der UAE in Altenheimen – mit ihren persönlichen wie auch finanziellen Folgen – ist vermeidbar, betonte Thürmann. Doch dies ist in der Praxis offenbar ein großes Problem, nicht zuletzt aufgrund einer mangelnden Sicherheitskultur. Weitere Erkenntnisse soll ein Projekt in 16 deutschen Heimen im Rahmen des AMTS-Aktionsplanes bringen. In diesem sollen arzneimittelbezogene Probleme und unerwünschte Arzneimittelereignisse standardisiert dokumentiert und die Sicherheitskultur der Heime analysiert werden. Verordnende Ärzte, heimversorgende Apotheker und Pfleger werden in der Interventionsphase gleichermaßen geriatrisch-pharmakologisch geschult. Zudem werden AMTS-Teams gebildet, die aus einer geschulten medikationsbeauftragten Pflegefachkraft und einem heimversorgenden Apotheker bestehen. Diese haben die Aufgabe, im betreffenden Heim die Medikation insbesondere auf Veränderungen und Trigger zu überprüfen und arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Im Rahmen dieses Projektes kann zudem die Bedeutung einer Liste "potenziell inadäquater Medikation für ältere Menschen" überprüft werden. Eine solche – an deutsche Verhältnisse angepasste – Liste nach dem US-amerikanischen Vorbild der sogenannten Beers-Liste wird derzeit in einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt in Zusammenarbeit mit der AkdÄ erarbeitet. In der Bereitstellung von Wochenblistern sieht Thürmann im Übrigen keine Lösung. Ihr fehlen die empirischen Beweise für deren Nutzen. Das Hauptproblem der falschen Dosierung könne auch mit Wochenblistern nicht vermieden werden. Zudem könnten angebliche Erleichterungen zu weniger Achtsamkeit führen, gibt Thürmann zu bedenken.

Wenig Erkenntnisse zum tatsächlichen Nutzen

Für einen gewissen Dämpfer sorgte der Gesundheitsökonom Prof. Reiner Leidl von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zwar sieht auch er bei den Apothekern einen potenziellen Ansatzpunkt zur Prävention von UAW und den mit ihnen verbundenen Kostenfolgen. Doch dass sich die apothekerliche Intervention tatsächlich positiv auf die Effektivität und die Wirtschaftlichkeit auswirkt, sei bislang noch nicht verlässlich in Studien belegt worden. Die wenigen existenten (Literatur-)Studien stammten aus dem Ausland und zeigen starke Schwankungen auf. Für Deutschland bestünden dagegen kaum Daten – insbesondere was die Folgekosten für den ambulanten Sektor betrifft. Zudem sei ein solcher Effektivitäts-Nachweis aufgrund der komplexen Versorgungssituation mit erheblichen methodischen Schwierigkeiten verbunden, so Leidl.

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