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Steuerrecht
Die neue Erbschaftsteuerreform
Im Hinblick auf die Übertragung von Betriebsvermögen hat es erhebliche Änderungen sowohl bei der Bewertung des Betriebsvermögens als auch bei den sonstigen Vergünstigungen für Betriebsvermögen gegeben, die für alle Erbschaften und Schenkungen ab dem 1. Januar 2009 zu beachten sind.
Im nachfolgenden Beispiel zeigt eine Gegenüberstellung zwischen der alten und neuen Rechtslage die steuerlichen Konsequenzen im Vergleich. Die Apothekenbilanz der Beispiel-Apotheke zeigt Tabelle 1.
Tab. 1: Apothekenbilanz der Beispiel-Apotheke:
Apothekenbilanz 31.12.2008, Umsatz der Apotheke 2,0 Mio. €
| |||
T € |
T € |
||
Anlagevermögen |
42 |
Kapital |
200 |
Warenlager |
140 |
Rückstellungen |
10 |
Forderungen |
(RZ) 130 |
Verbindlichkeiten (GH/Direkt) |
120 |
Liqu. Mittel |
28 |
Sonstige Verb. |
10 |
340 |
340 |
Alte Rechtslage. Apothekenbetriebsvermögen konnte nach der bisherigen Rechtslage in der Regel zum Buchwert übertragen werden. Ausgangspunkt war grundsätzlich das Kapital der Apothekenbilanz zum jeweiligen Stichtag. Korrekturen waren vorzunehmen, wenn beispielsweise die Apotheke in eigenen Gebäudeteilen betrieben wurde oder Wertpapiere/Beteiligungen im Betriebsvermögen vorhanden waren (siehe Tab. 2). Im Beispielfall ergäbe sich ein Buchwert in Höhe von TEuro 200, der dem Eigenkapital entspricht und ebenfalls die Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer darstellte.
Für eine Apotheke mit einem Umsatz von 2,0 Mio. Euro und der dargestellten Bilanz wurde nach der alten Rechtslage grundsätzlich keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer erhoben. Ein weiterer Vorteil bestand darin, dass bei einer steuerfreien Übertragung des Betriebsvermögens die persönlichen Freibeträge beispielsweise für Kinder in Höhe von bisher TEuro 205 nicht verbraucht wurden und für weitere Schenkungen zur Verfügung standen.
Tab. 2: Altes Recht | ||
Wert des Betriebsvermögens |
200.000 € |
|
./. Abschlag für Betriebsvermögen |
70.000 € |
(35%) |
130.000 € |
||
Freibetrag für Betriebsvermögen |
225.000 € |
|
Zu versteuern bei der ErbSt. |
0 € |
Neue Rechtslage, neue Verfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat das Erbschaftsteuergesetz gerade deswegen als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, als das Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, das Grundvermögen und das land- und forstwirtschaftliche Vermögen als realitätsfern unterbewertet galt und das Betriebsvermögen überdies gefördert wurde. Nach der neuen Rechtslage ist das Vermögen grundsätzlich mit dem Verkehrswert anzusetzen. In der Konsequenz wird es nach der neuen Rechtslage zu deutlich höheren Werten kommen als es im alten Recht der Fall war. Dies übrigens für quasi jedes Vermögen (siehe unten Grundbesitz). Nur im Bereich des Kapitalvermögens ändert sich nichts, da hier bereits bisher eine Bewertung mit Verkehrswerten erfolgte.
Dem Gedanken der Verkehrswertbewertung folgend ist für Apothekenbetriebsvermögen grundsätzlich der Ertragswert (gemeiner Wert) anzusetzen, mindestens aber der Substanz-wert auf Verkehrswertbasis. Die Ermittlung des gemeinen Wertes kann (wahlweise) nach einer vereinfachten Ertragswertmethode oder, wenn von dieser kein Gebrauch gemacht wird, nach dem branchenüblichen Bewertungsverfahren erfolgen.
Vereinfachte Bewertungsmethode versus branchenübliches Verfahren. Die vereinfachte Bewertungsmethode geht von dem durchschnittlichen Jahresertrag der letzten drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag aus. Dieser Jahresertrag ist zuvor um bestimmte Hinzu- und Abrechnungen zu korrigieren. Unter anderen sind Sonderabschreibungen, steuerfreie Rücklagen, Investitionsabzugsbeträge oder Abschreibungen auf den Geschäftswert zu eliminieren. Ferner ist ein angemessener Unternehmerlohn zu korrigieren und der Ertragsteueraufwand ist mit 30% pauschal vom Betriebsergebnis in Abzug zu bringen. Auf dieses korrigierte Betriebsergebnis ist ein Kapitalisierungsfaktor anzuwenden. Dieser besteht aus einem variablen Basiszinssatz (Basis ist die Zinsstrukturkurve der Deutschen Bundesbank) und einem festen Risikozuschlag von 4,5%. Die Zinssätze sind dabei starr.
Das Bundesfinanzministerium hat in seinem Schreiben vom 7. Januar 2009 den Basiszins für 2009 mit 3,61% festgestellt. Damit liegt der Kapitalisierungszinssatz für 2009 bei 8,11% (3,61% Zinssatz der Deutschen Bundesbank plus 4,5% Risikozuschlag) und der Kapitalisierungsfaktor bei 12,33. Gegen diesen hohen Kapitalisierungsfaktor läuft die Wirtschaft (so auch die Branchenvertreter) derzeit Sturm. Mit der Festschreibung des Kapitalisierungsfaktors von 12,33 wird das vereinfachte Ertragswertverfahren für Apotheken praktisch nicht anwendbar sein. Derzeit sind hier Faktoren von im Mittel 7,5 bis 8,5 praxisüblich. Damit bleibt nur der Weg über Wertgutachten, soll die Apotheke nicht auf der Basis von überhöhten Werten besteuert werden. Streitfälle mit dem Finanzamt sind hier vorprogrammiert und erhöhen die Kosten des Apothekers und seiner Erben.
Als Alternative steht demnach ein branchenübliches Verfahren in Form von Wertgutachten durch externe Gutachter zur Verfügung. Hierbei handelt es sich auch um ein Ertragswertverfahren, welches dazu geeignet ist, den tatsächlichen Marktwert einer Apotheke zu bestimmen und sich nicht vorrangig an starren steuerlichen Parametern bei der Berechnung orientiert (siehe Tab. 3).
Tab. 3: Vereinfachte Bewertungsmethode versus branchenübliches Verfahren | ||
Umsatz Apotheke |
2.000.000 |
|
bereinigter nachhaltiger Gewinn |
105.000 |
|
bei einem Kapitalisierungszinssatz von |
8,11% |
13% (branchenüblich) |
Gesamtwert der Apotheke |
1295 T € |
808 T € |
./. Warenlager./. |
140 T € |
140 T € |
./. Einrichtung./. |
42 T € |
42 T € |
= Firmenwert |
1113 T € |
626 T € |
Firmenwert in % vom Umsatz |
55% |
31% |
Ausgehend von einem Apothekenumsatz von rund 2,0 Mio. Euro, liegt der korrigierte nachhaltige Gewinn der letzten drei Jahre bei Euro 105.000 (Hinzu- und Abrechnungen sind berücksichtigt).
- Verfahren des Finanzamtes: Wert von TEuro 1295 (bei Zinssatz von 8,11%)
- Branchenübliches Verfahren: Wert von TEuro 808 (bei Zinssatz von 13%)
Hier wird der Unterschied zwischen alter und neuer Rechtslage besonders deutlich. Der nach der Methode der Finanzverwaltung ermittelte Wert für die Erbschaft- und Schenkungsteuer wird in aller Regel die am Markt erzielbaren Preise für Apotheken deutlich übersteigen. Auch der nach der branchenüblichen Methode über ein Wertgutachten ermittelte Wert ist im Vergleich zur bisherigen Bewertung mit dem Buchwert erheblich angehoben. Nach altem Recht wurde die gleiche Apotheke zu einem Wert von TEuro 200 übertragen. Ein Gutachten verursacht zwar Kosten, kann aber massiv Steuern sparen.
Unternehmerisches Vermögen
Für Firmenerben wird es künftig zwei Optionen geben, deren Wahl bindend ist, das heißt nachträglich nicht revidiert werden kann. Es besteht ein unwiderrufliches Wahlrecht zwischen zwei Verschonungsregelungen:
Option 1 (Regelmodell). Firmenerben, die den ererbten Betrieb im Kern sieben Jahren fortführen, werden von der Besteuerung von 85% des übertragenden Betriebsvermögens verschont. Hier erfolgt eine Aufteilung des bewerteten Vermögens in begünstigtes Vermögen (= 85%) und nicht begünstigtes Vermögen (= 15%). Der nicht begünstigte Teil (15%) unter-liegt, unter Umständen unter Berücksichtigung weiterer Freibeträge, der Besteuerung. Der begünstigte Teil (85%) wird nahezu voll von der Steuer freigestellt, vorausgesetzt, die Lohnsumme beträgt nach 7 Jahren nicht weniger als 650% der Lohnsumme zum Erbzeitpunkt. Besteht der betreffende Betrieb den Lohnsummentest nicht, kommt es zur Nachversteuerung. Der Lohnsummentest entfällt für Betriebe, die nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen.
Daneben darf der Anteil des Verwaltungsvermögens (das sind z. B. Dritten zur Nutzung über-lassene Grundstücke oder Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von 25% oder weniger) am betrieblichen Gesamtvermögen höchstens 50% betragen.
Der Verschonungsabschlag von 85% wird nachträglich auch versagt, wenn der Betrieb innerhalb einer Behaltefrist von sieben Jahren aufgegeben oder veräußert wird (hierunter fällt bspw. auch der Notverkauf oder die Insolvenz). Die Nachversteuerung beträgt hierbei für jedes abgelaufene Jahr 1/7 p. a.
Option 2 (unwiderruflicher Antrag). Firmenerben, die den ererbten Betrieb im Kern zehn Jahre fortführen, werden komplett von der Erbschaftsteuer verschont. Danach ist das begünstigte Betriebsvermögen vollständig steuerfrei, vorausgesetzt, das Unternehmen wird mindestens 10 Jahre fortgeführt und bei Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern beträgt die Lohnsumme nach 10 Jahren nicht weniger als 1000% der Lohnsumme zum Erbzeitpunkt. Daneben darf der Anteil des Verwaltungsvermögens am betrieblichen Gesamtvermögen höchstens 10% betragen.
Es kommt zu einer Nachversteuerung, wenn der Betrieb weniger als 10 Jahre fortgeführt wird. Wird ein Betrieb zum Beispiel im 6. Jahr veräußert, so wird die Steuerbefreiung anteilig (in diesem Fall 5/10) nachträglich versagt und die Steuer ist nachzuentrichten.
Abzugsbetrag
Das Gesetz sieht ferner im Regelmodell (Option 1) einen Abzugsbetrag von Euro 150.000,00 vor. Für den nicht begünstigten 15%-Anteil des Betriebsvermögens kann eine vollständige Steuerbefreiung eintreten. Beläuft sich der nach Abzug des 85%-Verschonungsabschlag verbleibende Wert des Betriebsvermögens auf bis zu Euro 150.000,00, entfällt die Erbschaftsteuer komplett. Wird der Wert überschritten, schmilzt der Abzugsbetrag um 50% des die Grenze von Euro 150.000,00 übersteigenden Betrags ab. Folglich ist auf einen Erwerb bis zur Höhe von 1 Mio. Euro unter Inanspruchnahme des Verschonungsabschlages und des Abzugsbetrages keine Steuer zu entrichten. Beträgt der Wert des Betriebsvermögens 3 Mio. Euro, entfällt der Abzugsbetrag vollständig. Dieser Abzugsbetrag ist nicht an den Lohnsummentest gekoppelt, entfällt jedoch nachträglich, sofern die siebenjährige Behaltefrist nicht eingehalten wird. In obigem Beispiel wäre eine Steuerfreiheit nur mit der Bewertung mittels branchenüblichen Bewertungsgutachtens erreichbar.
Zwischenbilanz
Wie aus dem dargestellten Vergleich altes Recht und neues Recht deutlich zu erkennen ist, sind die Wertansätze nach neuem Recht deutlich ungünstiger. Zwar hat der Gesetzgeber einige Verschonungsregelungen eingebaut, die für viele Apothekenübergaben sicherlich zur Anwendung gelangen werden, jedoch nur unter der Auflage, dass die Apotheke nahezu unverändert fortgeführt wird, d. h. in den dargestellten Behaltensfristen weder veräußert noch aufgegeben wird und selbst im Personalbereich nahezu unverändert fortgeführt wird. Das Damokles-Schwert des nachträglichen Anfalls von Erbschaft- oder Schenkungsteuer begleitet den Apotheker je nach Wahl der Option über 7 bzw. 10 Jahre.
Bewertung des Grundvermögens
Die für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer vorgesehenen Wertansätze für Grundstücke werden sich in der Regel weniger stark erhöhen als die für Betriebsvermögen.
Unbebaute Grundstücke werden wie bisher mit den Bodenrichtwerten angesetzt. Der frühere Abschlag von 20% entfällt ersatzlos.
Für bebaute Grundstücke sind – je nach Art der Gebäude – drei unterschiedliche Methoden vorgesehen:
- Vergleichswertverfahren (Wohnungseigentum, Teileigentum, Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser)
- Ertragswertverfahren (Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke usw.)
- Sachwertverfahren (Wohnungseigentum, Teileigentum, Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, soweit ein Vergleichsfeld nicht vorliegt)
In der Regel wird der Verkehrswert anzusetzen sein. Nach bisherigem Recht waren die sogenannten Bedarfswerte anzusetzen, welche regelmäßig nur ca. 60% des Verkehrswertes betrugen.
Auch hierdurch werden die zur Verfügung stehenden persönlichen – nach neuem Recht er-höhten – Freibeträge deutlich aufgezehrt (siehe unten).
Bei zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken kommt das sogenannte Ertragswertverfahren zur Anwendung, also die Kapitalisierung der erzielten Jahreskaltmiete. Der so ermittelte Wert wird nur zu 90% der Besteuerung unterworfen.
Bei eigengenutzten Immobilien, insbesondere Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen, sollen "vergleichbare Objekte" zur Wertermittlung herangezogen werden.
Vererbung einer selbst genutzten Wohnimmobilie an einen Ehegatten bzw. an einen eingetragenen Lebenspartner bleibt steuerfrei. Voraussetzung ist, dass das Objekt nach Erwerb zehn Jahre lang von dem Erwerber selbst zu Wohnzwecken genutzt wird.
Die Vererbung einer selbst genutzten Wohnimmobilie an Kinder bzw. an Kinder verstorbener Kinder ist bis zu einer Fläche von 200 qm steuerfrei. Auch hier ist Voraussetzung, dass der Erwerber (das Kind) das Familienheim zehn Jahre lang selbst zu Wohnzwecken nutzt.
In beiden Fällen gilt: Die Steuerbefreiung entfällt rückwirkend, wenn das Familienheim innerhalb der Zehnjahresfrist verkauft oder vermietet wird. Eine Ausnahme von der Nachversteuerung besteht für den Fall, dass die Selbstnutzung aus zwingenden objektiven Gründen aufgegeben wird. Hierunter fallen zum Beispiel Tod oder erhebliche Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe 3).
Persönliche Freibeträge
Hier erfolgte eine deutliche Anhebung. Beachtenswert ist hier die Anhebung des persönlichen Freibetrages für Enkelkinder und für Lebenspartnerschaften (siehe Tab. 4). Ebenso sind die Steuersätze für Personen der Steuerklasse II und III erheblich nach oben angepasst worden. Hier werden Steuersätze von 30 bzw. 50% angewandt. Für Personen der Steuerklasse I verbleibt es bei den bisherigen Steuersätzen. Somit sind die Erwerber der Steuerklasse II und III die Leidtragenden der Reform und sollen nach dem Wunsch des Gesetzgebers einen hohen Anteil am Steueraufkommen tragen.
Tab. 4: Persönliche Freibeträge | |||
Steuerklasse Personenkreis |
Freibetrag alt |
Freibetrag neu |
|
I |
Ehegatte Kinder Enkelkinder Eltern und Großeltern bei Erbschaften |
307.000 € 205.000 € 51.200 € 51.200 € |
500.000 € 400.000 € 200.000 € 100.000 € |
II |
Eltern und Großeltern bei Schenkungen Geschwister, Neffen und Nichten, Stiefeltern, Schwiegereltern; geschiedene Ehegatten |
10.300 € |
20.000 € |
III |
alle übrigen Beschenkten und Erwerber (z. B. Tanten, Onkel); Zweckzuwendungen |
5.200 € |
20.000 € |
III |
gleichgeschlechtlicher Lebenspartner bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft |
5.200 € |
500.000 € |
Fazit
Ob das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht für den Apotheker eine Verbesserung oder Verschlechterung darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Im Bereich des Betriebsvermögens haben die steuerlichen Risiken in jedem Fall deutlich zugenommen, so dass die Generationennachfolge hierdurch erschwert wird. Ob die höheren Freibeträge geeignet sind, die insgesamt gestiegenen Wertansätze abzufedern, ist fraglich. Eine Steuervereinfachung und eine gerechtere Besteuerung – wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – ist insgesamt nicht zu erkennen.
Dipl.-Kfm. Axel Witte, Steuerberater, c/o RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, Bismarckstr. 51, 45128 Essen
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