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Arbeitsplatzsicherheit
Empfohlene Grenzwerte für Zytostatika-Kontaminationen
Viele Zytostatika werden aufgrund ihrer zytotoxischen Eigenschaften als kanzerogen, mutagen und reproduktionstoxisch eingestuft (CMR-Arzneimittel). Studien wiesen zytostatische Substanzen oder deren Metaboliten in Blut und Urin von Apotheken- und Pflegepersonal nach, die mit zytostatischen Substanzen umgingen [2 – 4]. Dabei scheint die dermale Aufnahme über kontaminierte Flächen eine wichtige Rolle zu spielen [5, 6].
Wischproben eignen sich optimal zur Aufdeckung solcher Flächenkontaminationen. In den letzten Jahren fand man mittels dieser Technik hohe Kontaminationen in Apotheken und anderen medizinischen Einrichtungen [1, 2, 7 – 9, 13]. Nach bisherigem Wissensstand ist es kaum möglich, sichere Grenzwerte festzulegen, bei deren Einhaltung ein Gesundheitsrisiko exponierter Personen auszuschließen ist. Um das gesundheitliche Risiko für das Apothekenpersonal zu minimieren, sind alle Kontaminationen möglichst zu vermeiden.
Methode
Seit dem Jahr 2000 haben wir 2245 Wischproben aus 102 Apotheken, die Zytostatika mit Platin (Pt) oder 5-Fluorouracil (FU) herstellen, analysiert – 1008 Pt-Proben und 1237 FU-Proben, aus 64 Klinikapotheken und 38 öffentlichen Apotheken. Die angewandte Methode wurde in unserem Institut in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), der u. a. für die öffentlichen Apotheken zuständigen gesetzlichen Unfallversicherung, entwickelt und validiert [1, 10].
Die Probenahme an bis zu zehn Standard-Probenahmeorten wurde jeweils vom Apothekenpersonal durchgeführt. Die Probenahmefläche betrug in den meisten Fällen 20 × 20 cm. Die zum Wischen verwendeten Filter wurden zunächst mit dem jeweils geeigneten Lösungsmittel benetzt (0,1%ige Salzsäure für Pt und Methanol für FU), anschließend wurde die zu untersuchende Fläche mit jeweils drei Filtern in drei verschiedenen Richtungen gewischt.
Die Pt-Bestimmung erfolgte mittels Inversvoltammetrie nach UV-Aufschluss. Zur Bestimmung von FU wurde die Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC-MS) mit 5-Chloruracil als internem Standard eingesetzt. Die Nachweisgrenzen betrugen für Pt 0,01 ng/Probe (0,02 pg/cm²) und für FU 0,03 ng/Probe (0,075 pg/cm²). Derart sensitive Nachweisgrenzen sind unabdingbar, um Empfehlungen für Grenzwerte der Kontamination mit Zytostatika aussprechen zu können.
Ausmaß der Flächenkontaminationen
Für Pt waren je nach Probenahmeort 97 bis 100% der Proben und für FU 69 bis 85% der Proben positiv, d. h. dass sie über den jeweiligen Nachweisgrenzen lagen (Tab. 1). Die teils beträchtlichen Kontaminationen traten im gesamten Arbeitsbereich der Apotheken auf, was die Ergebnisse unserer früheren Studie bestätigte [1].
Das 75. Perzentile (oberster Wert von 75% aller Proben) lag stets erheblich über dem Median aller Proben (50. Perzentil). Die Werte oberhalb des 75. Perzentils wiesen eine noch weit größere Streuung auf, und die Maximalwerte waren sehr extrem. Dies spiegelt sicherlich Probleme in den Arbeitsweisen einiger Apotheken wider.
Besonders stark belastet waren jeweils die LAF-Werkbänke und das Lager (Regale, Schubladen). Die Kontamination im Lager ist vermutlich eine Folge der Außenkontamination der gelieferten Vials, die in einigen Studien bereits nachgewiesen wurde [7, 11, 12]. Die starke Belastung des Fußbodens vor der LAF-Werkbank könnte dadurch verursacht sein, dass bei der Sprühdesinfektion der Vials die Zytostatika-kontaminierte Desinfektionslösung abtropft. Die positiven Proben der anderen Fußböden (Raummitte, Vorbereitungsraum) lassen eine Verschleppung der abgetropften Substanzen in den gesamten Apothekenbereich vermuten. Auffällig ist, dass an den Etikettier- oder Einschweißplätzen (Ablage Nachbereitung) ebenfalls Kontaminationen gefunden wurden.
Vergleich von öffentlichen Apotheken und Klinikapotheken
Hinsichtlich der Pt-Proben waren 29% (n = 25) der Teilnehmer öffentliche Apotheken, die Zytostatika an Arztpraxen oder kleinere Krankenhäuser lieferten. Unter den insgesamt 90 Apotheken, die FU-Proben nahmen, befanden sich 42% (n = 38) öffentliche Apotheken. Insgesamt stammten 191 Pt-Proben (18,9%) und 317 FU-Proben (25,6%) von öffentlichen Apotheken. Die Anzahl der Pt- und FU-Proben an den einzelnen Probenahmeorten und das Verhältnis der jeweiligen Mittelwerte (Mediane) in den öffentlichen Apotheken und den Klinikapotheken sind in Tabelle 2 wiedergegeben.
Es zeigt sich, dass der Median der Kontaminationen in öffentlichen Apotheken an fast allen Probenahmeorten höher war als in den Klinikapotheken. Nur die "Ablage Vorbereitung" war in den Krankenhäusern sowohl mit Pt als auch mit FU höher belastet. Außerdem wiesen in den Klinikapotheken die Abfallbehälter häufiger Pt-Kontaminationen auf. Statistisch signifikant waren die Unterschiede aber nur bezüglich FU bei den Fußböden (vor der LAF-Werkbank und sonstige Fußböden) und bei der "Ablage Nachbereitung". Möglicherweise ist dies durch Platzmangel und die Mehrfachnutzung von Flächen in den öffentlichen Apotheken bedingt.
Empfohlene Grenzwerte
Damit das Apothekenpersonal die festgestellten Kontaminationen besser einordnen kann, haben wir jeweils zwei empfohlene Grenzwerte (Empfehlungswerte, EW) für Pt und FU berechnet, die die Grenzen von akzeptablen bzw. optimierbaren Flächenkontaminationen festlegen. Der erste Empfehlungswert (EW 1, akzeptabel) entspricht dem Mittelwert des Medians (50. Perzentil) aller zehn Standard-Probenahmeorte. Der zweite Empfehlungswert (EW 2, optimierbar) leitet sich vom Mittelwert des 75. Perzentils ab (alle Werte auf- oder abgerundet, Tab. 3). Zur anschaulicheren Darstellung versehen wir die gemessenen Werte mit einer der drei Ampelfarben:
- Kontamination ≤ EW 1: Standard gut, "grün",
- Kontamination > EW 1 ≤ EW 2: Verbesserung möglich, "gelb",
- Kontamination > EW 2: Verbesserung dringend erforderlich, "rot".
Diese Empfehlungswerte sind unabhängig von dem Ausmaß der Zytostatikaherstellung, das heißt, dass auch Apotheken, die sehr große Mengen an Zytostatika zubereiten, nicht zwangsläufig stärker kontaminiert sind und daher mit ihren Ergebnissen ohne Weiteres im "grünen" Bereich liegen können.
Das Konzept bewährt sich
Um das Konzept der Empfehlungswerte zu testen, haben wir die Ergebnisse aller Apotheken verglichen, die in den letzten Jahren mindestens zwei Probenahmen an denselben Probenahmeorten durchgeführt haben. Für Pt wiederholten 39 Apotheken die Probenahme und für FU 35 Apotheken. Erfreulicherweise zeigte sich, dass bei der zweiten Probenahme die Empfehlungswerte seltener überschritten wurden: Bei den 206 Messwerten, die im ersten Test über dem EW 1 lagen, ergab der zweite Test in 83% der Fälle geringere Kontaminationen. Bei den 106 Messwerten, die im ersten Test auch den EW 2 überschritten, besserten sich die Ergebnisse in 90,5% der Fälle.
Bei getrennter Betrachtung von Pt und FU waren die Verteilungsmuster fast identisch. Es ist somit belegt, dass mit diesem Konzept das Ausmaß der Zytostatikakontamination verringert wurde.
Schlussfolgerung
Für Zytostatika, die unter die CMR-Stoffe fallen, sind derzeit keine offiziellen Grenzwerte absehbar. Es gilt daher das Minimierungsgebot, um die Gefährdung am Arbeitsplatz möglichst gering zu halten. Die Einführung von Empfehlungswerten für Zytostatikakontaminationen erleichtert es den Apotheken, die bei ihnen gemessenen Werte einzuordnen. Dies kann zukünftig ein noch stärker motivierender Faktor für die Apotheken sein, ihre Arbeitsplatzsicherheit weiter zu optimieren.
Literatur[1] Funck S, Schierl R. Sicherheit bei der Zytostatikaherstellung. Dtsch Apoth Ztg 2004;144(10):55 – 60.[2] Turci R, et al. Biological and environmental monitoring of hospital personnel exposed to antineoplastic agents: a review of analytical methods. J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci 2003;789(2):169 – 209.[3] Pethran A, et al. Uptake of antineoplastic agents in pharmacy and hospital personnel. Part I: monitoring of urinary concentrations. Int Arch Occup Environ Health 2003;76(1):5 –10.[4] Fransman W, et al. A pooled analysis to study trends in exposure to antineoplastic drugs among nurses. Ann Occup Hyg 2007;51(3):231– 9.[5] Fransman W, et al. Dermal exposure to cyclophosphamide in hospitals during preparation, nursing and cleaning activities. Int Arch Occup Environ Health 2005;78(5):403 –12.[6] Kromhout H, et al. Postulating a dermal pathway for exposure to anti-neoplastic drugs among hospital workers. Applying a conceptual model to the results of three workplace surveys. Ann Occup Hyg 2000;44(7):551– 60.[7] Hedmer M, et al. Surface contamination of cyclophosphamide packaging and surface contamination with antineoplastic drugs in a hospital pharmacy in Sweden. Ann Occup Hyg 2005;49(7):629 – 37.[8] Mason HJ, et al. Exposure to antineoplastic drugs in two UK hospi-tal pharmacy units. Ann Occup Hyg 2005;49(7):603 –10.[9] Brouwers EEM, et al. Monitoring of platinum surface contamination in seven Dutch hospital pharmacies using inductively coupled plasma mass spectrometry. Int Arch Occup Environ Health 2007;80(8):689 – 699.[10] Schmaus G, Schierl R, Funck S. Monitoring surface contamination by antineoplastic drugs using gas chromatography – mass spectrometry and voltammetry. Am J Health Syst Pharm 2002;59(10):956 – 61.[11] Mason HJ, et al. Cytotoxic drug contamination on the outside of vials delivered to a hospital pharmacy. Ann Occup Hyg 2003;47(8):681– 5.[12] Nygren O, et al. Cisplatin contamination observed on the outside of drug vials. Ann Occup Hyg 2002;46(6):555 – 557.[13] Heise, A. Zubereitung von Zytostatika in Apotheken: Untersuchungen zur Arbeitsplatzkontamination. Diss. med. Univ. München 2006; http://edoc.ub.uni-muenchen.de/5962/1/Heise_Antje.pdf. Korrespondenz:Dr. Rudolf SchierlInstitut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin Ludwig-Maximilians-Universität Ziemssenstr. 1, 80336 MünchenRudolf.Schierl@med.uni-muenchen.dehttp://arbmed.klinikum.uni-muenchen.deTab. 1: Anzahl der Wischproben und Ausmaß der Kontaminationen mit Zytostatika | ||||||||||
Platin (pg/cm2) |
5-Fluorouracil (pg/cm2) |
|||||||||
Probenahmeort |
Proben (n) |
positiv |
Median |
75. Perzentil |
Maximum |
Proben (n) |
positiv |
Median |
75. Perzentil |
Maximum |
Fußboden vor LAF-Werkbank |
132 |
100% |
0,43 |
1,50 |
950 |
162 |
85% |
5,1 |
20 |
1 300 |
Fußböden, sonstige |
123 |
100% |
0,33 |
0,88 |
170 |
136 |
71% |
4,9 |
17 |
2 160 |
Lager (Regale, Schubladen) |
145 |
100% |
0,80 |
4,30 |
23 100 |
126 |
81% |
8,3 |
80 |
72 000 |
Ablage Vorbereitung |
154 |
100% |
0,36 |
1,60 |
216 |
200 |
69% |
4,5 |
13 |
19 300 |
Arbeitsfläche (LAF-Werkbank) |
96 |
100% |
1,70 |
8,70 |
5 500 |
123 |
76% |
10,0 |
78 |
20 600 |
Ablage Nachbereitung |
113 |
97% |
0,50 |
1,80 |
34 |
177 |
69% |
2,5 |
10 |
5 500 |
PactoSafe oder Abfallbehälter |
55 |
100% |
0,94 |
17,0 |
2 700 |
58 |
74% |
3,9 |
15 |
1 680 |
Transportbehälter |
66 |
97% |
0,25 |
1,10 |
27 |
82 |
74% |
5,0 |
19 |
3 800 |
Materialschleuse |
49 |
98% |
0,23 |
1,70 |
152 |
55 |
76% |
6,3 |
23 |
243 000 |
Andere Flächen* |
75 |
97% |
0,20 |
0,43 |
16 |
118 |
70% |
2,9 |
16 |
157 |
Summe / Mittelwerte |
1008 |
99% |
0,57 |
3,90 |
3 280 |
1 237 |
74% |
5,3 |
29 |
38 100 |
Tab. 2: Anzahl der Wischproben, differenziert nach öffentlichen Apotheken (ÖA) und Klinikapotheken (KA), sowie Mittelwerte (Mediane) der Zytostatika-Kontaminationen in ÖA und KA im Vergleich (ÖA/KA) | ||||||
Platin |
5-Fluorouracil |
|||||
Probenahmeort |
ÖA (n) |
KA (n) |
ÖA/KA |
ÖA (n) |
KA (n) |
ÖA/KA |
Fußboden vor LAF-Werkbank |
32 |
100 |
1,00 |
43 |
119 |
3,00*** |
Fußböden, sonstige |
24 |
99 |
1,17 |
24 |
112 |
4,10** |
Lager (Regale, Schubladen) |
16 |
129 |
1,63 |
19 |
107 |
2,82 |
Ablage Vorbereitung |
36 |
118 |
0,63 |
72 |
128 |
0,84 |
Arbeitsfläche (LAF-Werkbank) |
18 |
78 |
1,03 |
27 |
96 |
2,96 |
Ablage Nachbereitung |
22 |
91 |
2,20 |
59 |
118 |
4,17*** |
PactoSafe oder Abfallbehälter |
12 |
43 |
0,77 |
15 |
43 |
3,13 |
Transportbehälter |
11 |
55 |
3,50 |
21 |
61 |
1,10 |
Materialschleuse |
6 |
43 |
6,25 |
7 |
48 |
1,33 |
Andere Flächen* |
16 |
59 |
0,67 |
30 |
88 |
1,36 |
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