Gesundheitspolitik

Hessens Gesundheitsminister will Apothekenstruktur erhalten

Banzer: Verbot von Pick-up-Stellen kommt – Apotheker garantieren sichere und hochwertige Arzneimittelversorgung

Berlin (lk). Für ein rasches Verbot von Pick-up-Stellen hat sich der neue hessische Gesundheitsminister Jürgen Banzer im Interview mit der Apotheker Zeitung ausgesprochen: "Die Klarheit im Arzneimittelbezug ist ein ganz wesentlicher Aspekt des Verbraucherschutzes. Ich unterstütze energisch ein Verbot von Pick-up-Stellen." Außerdem lehnte der CDU-Politiker eine Lockerung des geltenden Mehr- und Fremdbesitzverbotes klar ab. "Ich werde am Mehr- und Fremdbesitzverbot nicht rütteln lassen." Unmissverständlich lehnte Banzer zudem einen radikalen Umbau der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen mit einem Kopfprämienmodell ab.

Jürgen Banzer
Foto: Hessisches Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit

Beim angestrebten Verbot von Pick-up Stellen gehe es um ein "sehr hohes Gut für unsere gesamte Gesellschaft", sagte Banzer zur AZ. Es gehe um das Vertrauen in eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung. Um das Verbot zu erreichen sei er bereit, "juristisch sehr schwierige Wege zu gehen". Er wisse um die gesetzgeberischen Probleme eines Pick-up-Verbotes. Banzer: "Aber wir werden Wege finden, es umzusetzen." Im Streit um das vom Bundesgesundheitsminister präsentierte Sparkonzept für den Arzneimittelsektor bot Banzer dem FDP-Minister Philipp Rösler Unterstützung an. Röslers Vorschläge zielten in die richtige Richtung. Er habe jedoch Zweifel, ob eine zuverlässige Kosten-Nutzen-Bewertung wie vom Bundesgesundheitsminister gefordert innerhalb eines Jahres umsetzbar sei. "In den Details besteht aber noch Diskussionsbedarf", meldete Banzer Bedenken an.

Aufgeschlossen zeigte sich der hessische Gesundheitsminister für kurzfristige staatliche Eingriffe in die Arzneimittelpreisfindung wie Zwangsrabatte und Preismoratorien, "wenn diese vorübergehend zur finanziellen Stabilisierung des Systems erforderlich sind". Die Politik dürfe die pharmazeutische Industrie aber nicht überfordern. Banzer: "Die Pharmabranche ist ja keine Kuh, die die Politik beliebig melken kann."

Eine klare Absage erteilte der hessische Gesundheitsminister Röslers Plänen zur Einführung einer Kopfprämie: "Ich lehne jeden radikalen Umbau ab." Das deutsche Gesundheitssystem sei nicht so schlecht, wie es häufig dargestellt werde. Eine Prämie komme allenfalls "als Ergänzung zur derzeitigen Finanzierung in Betracht".


Hier das Interview der Apotheker Zeitung mit dem Gesundheitsminister des Landes Hessen, Jürgen Banzer (CDU):

AZ: Kurz nachdem Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) seine Sparpläne für den Arzneimittelsektor vorgelegt hat, hagelt es von allen Seiten Kritik. Ist das gerecht?

Banzer: Das ist alles sehr vorschnell. Man wird den Vorschlägen des Bundesgesundheitsministers nicht gerecht, wenn man mit Schnellreaktionen alles abschließend bewertet und beurteilt. Ich glaube, dass die Grundrichtung seiner Vorschläge nicht falsch ist. Ich habe aber Bedenken hinsichtlich der Praktikabilität der einzelnen Regelungen.

AZ: Woran zweifeln Sie?

Banzer: Ich habe Zweifel daran, ob es möglich ist, eine zuverlässige Kosten-Nutzen-Bewertung so schnell, innerhalb eines Jahres, vorzulegen. Bei vielen neuen Präparaten geht es ja gerade um Langzeitstudien, mit denen nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch deren Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden muss. Die Einjahresfrist bedeutet da ein sehr sportliches Herangehen. Ich weiß nicht, ob das funktioniert. Für mich bleibt auch das Kriterium wichtig, dass innovative Medikamente möglichst schnell den Patienten zur Verfügung gestellt werden können. Da muss man schon aufpassen, dass durch die Pläne des Bundesgesundheitsministers keine zu große Hürde entsteht.

AZ: Reicht das aus, um im Arzneimittelbereich wie angestrebt zwei Milliarden Euro zu sparen?

Banzer: Das muss man noch einmal sehr kritisch prüfen, ob sich die Einsparerwartung realisieren lässt. Die vom Bundesgesundheitsminister vorgeschlagenen Verhandlungslösungen werden ja nicht sofort greifen, frühestens im Jahr 2011. Das kann ja nur auf lange Sicht zu positiven Ergebnissen führen. Langfristig halte ich den Weg des Bundesgesundheitsministers für sehr rational und freiheitlich angelegt. Das unterstütze und begrüße ich. Vor allem, weil der Bundesgesundheitsminister dies mit Deregulierungen verbinden will wie etwa die Wirtschaftlichkeitsprüfung für Ärzte. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Mein Eindruck ist: Grundsätzlich stimmt die Richtung der Politik des Bundesgesundheitsministers. In den Details besteht aber noch Diskussionsbedarf.

AZ: Rösler schließt aber auch Preismoratorien und Zwangsrabatte als Kurzfristmaßnahmen nicht aus.

Banzer: Ich habe Verständnis für kurzfristige Maßnahmen, wenn diese vorübergehend zur finanziellen Stabilisierung des Systems erforderlich sind. Nur: Kurzfristige Maßnahmen dürfen den Weg zu einer langfristigen, vernünftigen ordnungspolitischen Regelung nicht verstellen. Wir dürfen auch die Beteiligten nicht überfordern. Die Pharmabranche ist ja keine Kuh, die die Politik beliebig melken kann. Das muss vertretbar sein. Da müssen wir genau hinschauen. Wenn ein befristetes Preismoratorium für neue Arzneimittel dazu führt, dass wir sachlicher und gelassener über die grundsätzliche Regelung reden können, dann bin ich sehr dafür.

AZ: Am 17. März nimmt die Regierungskommission zur Neuordnung der GKV-Finanzierung ihre Arbeit auf. Die Länder sitzen nicht mit am Tisch. Ist das ein Konstruktionsfehler?

Banzer: Bei der Neuordnung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen sind die Länder vor allem als Partner im Bundesrat gefragt. Es ist daher schon klug, sich der Zustimmung der Länder an der geeigneten Stelle zu versichern. Das muss nicht in der Regierungskommission sein. Das kann im Bundesrat geschehen. Aber eines ist klar: ohne die Länder geht es nicht.

AZ: Wie stehen Sie zur Einführung einer Kopfpauschale?

Banzer: Die Finanzierung der GKV ist so anspruchsvoll, dass wir es uns nicht leisten können, ein Instrument zu verwerfen: Wir benötigen die solidarische Finanzierung über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, wir brauchen den Steuerzuschuss, die Versicherten müssen über Selbstbeteiligung etwas beitragen, wir brauchen Effizienzsteigerungen und wir brauchen eine Prämie. Wir brauchen alle Quellen, um die GKV zu finanzieren. Wenn wir eine Finanzierungsquelle wie beispielsweise die Kopfprämie überbetonen, bekommen wir eine heftige Gerechtigkeitsdebatte, die der Sache nicht gut tut.

AZ: Also lehnen Sie einen Umbau des Arbeitnehmerbeitrages zu einer Kopfprämie ab?

Banzer: Ich lehne jeden radikalen Umbau ab. Unser Gesundheitssystem ist nicht so schlecht, wie es häufig dargestellt wird. Der radikale Umbau muss nicht sein. Die Prämie kommt allenfalls als Ergänzung zur derzeitigen Finanzierung in Betracht, um die zusätzlichen Kosten der Demografie aufzufangen. Mehr nicht.

AZ: Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag ein Verbot der Pick-up-Stellen angekündigt. Lässt sich dass gesetzgeberisch durchsetzen?

Banzer: Das unterstütze ich uneingeschränkt. Auch wenn es dazu notwendig ist, juristisch sehr schwierige Wege zu gehen. Die Klarheit im Arzneimittelbezug ist ein ganz wesentlicher Aspekt des Verbraucherschutzes. Wir erleben beispielsweise, dass beim Internethandel mit Arzneimitteln sehr viel betrügerische Energie eingesetzt wird, die Qualität der Medikamente ist nicht gesichert. Es geht an dieser Stelle um ein sehr hohes Gut für unsere ganze Gesellschaft, das Vertrauen in eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung. Ich unterstütze energisch ein Verbot von Pick-up-Stellen. Ich weiß aber auch, dass es juristisch nicht einfach wird. Aber wir werden Wege finden, es umzusetzen.

AZ: Wie stehen Sie zum Fremd- und Mehrbesitzverbot?

Banzer: Die Qualität unseres Gesundheitssystems ist auch deshalb so gut, weil wir eine leistungsfähige Apothekerschaft haben als freier Beruf mit direktem Zugang und Kontakt zum Patienten und Kunden in der inhabergeführten Apotheke. Deswegen bin ich sehr dafür, die heutigen Strukturen aufrechtzuerhalten. Ich werde am Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht rütteln lassen. Kettenapotheken wird es mit mir nicht geben. Dort stünde nicht mehr der einzelne Apotheker hinterm Verkaufstisch. Damit brächten wir unsere vorbildliche Arzneimittelversorgung in Deutschland in Gefahr.

AZ: Herr Banzer, vielen Dank für das Gespräch.

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