Gesundheitspolitik

Stiefkind Selbstmedikation?

Peter Ditzel

Seit Jahren dümpelt der Markt der Selbstmedikation vor sich hin, ja, mitunter konnte man sogar rückläufige Tendenzen erkennen. Seit dem Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz, das die OTC-Arzneimittel aus der Verschreibung gekickt hat, ist der Wurm drin. Viele Kunden überlegen zweimal, ob sie ein Arzneimittel selbst kaufen sollen. Immerhin: Das Grüne Rezept wirkt und hat mit Sicherheit schlimmere Umsatzrückgänge verhindert. Aber, wie kann dieser Markt, ein für die Apotheke essenzieller Markt, gestärkt und belebt werden? Nehmen wir Apothekerinnen und Apotheker das Segment Selbstmedikation ernst? Ernst genug? Oder gehen wir damit stiefkindlich um?

Das Szenario, vor dem wir hier agieren, ist vielschichtig. Der Selbstmedikationsindustrie ist kein Vorwurf zu machen. Sie unterstützt ihre Produkte auf allen Kanälen, um den Abverkauf zu fördern. Aktuelle Switches sorgen dafür, dass im Handverkauf nicht nur die Uralt-Wirkstoffe zur Verfügung stehen, sondern auch moderne Arzneistoffe aus der Hand des Apothekers eingesetzt werden können. Naratriptan, Pantoprazol oder Orlistat sind Beispiele dafür. Aber: Solche Wirkstoffe fordern zwingend die begleitende Beratung des Apothekers. Auch hier die Frage – mit einem Blick auf die Testkäufe: Nehmen wir dies ernst genug? Eine ZDF-Reporter-Sendung soll, wie zu hören ist, ebenfalls Testkäufe durchgeführt haben. Das Ergebnis, das Mitte Mai gesendet werden soll, fällt wie immer aus.

Klingt abgedroschen, aber muss ernst genommen werden: Wir müssen die Beratung auch in der Selbstmedikation verstärken. Das ist die Domäne der Vor-Ort-Apotheke! Und das Manko der Versender, die oft nur billig können. Bei ihnen fällt die Beratung, da sie aktiv vom Kunden telefonisch eingefordert werden muss, gleich unter den Tisch.

Beim OTC-Umsatz haben Versandapotheken allerdings zugelegt, sie halten schon zehn Prozent. Sie locken mit Dumping-Preisen, bei denen eine Vor-Ort-Apotheke in der Regel kaum mithalten kann. Und schenken sich die Beratung. Aber der letzte Test der Stiftung Warentest zeigt, dass auch Tester kritischer hinschauen und Versender aufgrund mangelhafter Beratung abstrafen. Umso mehr müssen Vor-Ort-Apotheken mit erstklassiger Beratung glänzen.

Hoffen wir auf die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung, die derzeit vorbereitet wird. Strengere Bestimmungen zur Beratung in Apotheken sollen kommen, so ist zu hören – die sollten dann auch für Versender gelten.


Peter Ditzel

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