Gesundheitspolitik

Jürgen Windeler zum obersten Arzneimittelprüfer berufen

Neuer IQWiG-Chef sieht erhebliches Sparpotential

Berlin (ks/lk). Erhebliches Sparpotential im zweistelligen Milliardenbereich sieht der neue Chef des Kölner Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG), Jürgen Windeler, im Gesundheitswesen. "Die Summen, die für ungeeignete Behandlungen ausgegeben werden, sind erheblich", sagte Windeler nach seiner Berufung an die IQWiG-Spitze. Bevor man über die Rationierung medizinischer Leistungen rede, solle man diese Mittel in die richtigen Bahnen lenken, forderte Windeler. Es gebe Einsparpotenziale im "nicht zur einstelligen" Milliardenbereich.

Mit einer verschärften Gangart wolle er die pharmazeutische Industrie zu Preiszugeständnissen zwingen. Die von der Regierungskoalition geplante obligatorische Nutzenbewertung bei neuen Arzneimitteln bezeichnete Windeler "als großen Schritt in die richtige Richtung". Bei Therapien, für die es bewährte und preiswerte Alternativen gebe, werde die Industrie so gezwungen, sich "von Anfang an den Festbeträgen zu orientieren", sagte Windeler. "Sollte das Verfahren nicht die gewünschte disziplinierende Wirkung haben, kann man es immer noch weiterentwickeln".

Windeler will die Linie seines bei der pharmazeutischen Industrie unbeliebten Amtsvorgängers Peter Sawicki fortsetzen. "In vielen inhaltlichen Punkten werde ich mich von der bisherigen Linie des IQWiG nicht unterscheiden", sagte er. Gegen Kritik an seiner künftigen Arbeit sieht er sich weitgehend gewappnet. Diese seien ihm bereits durch seine bisherige Tätigkeit als Leitender Arzt beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDS) "nicht völlig fremd".

Er wolle versuchen, mit allen Beteiligten, auch mit potenziellen Gegnern, eine gute Gesprächsbasis zu finden. "Sachbezogene Konflikte sollten nicht in Feindschaften ausarten", so Windeler. Ziel des Instituts sei auch, dass die von ihm erarbeiteten Ergebnisse zu einer besseren Versorgung führen. "Feindschaften tragen dazu sicher nicht bei". Er glaube vielmehr, "dass man nett zueinander sein kann und in der Sache trotzdem hart und konfrontativ".

Der 53 Jahre alte Mediziner, dessen Fachgebiet die evidenzbasierte Medizin ist, war vergangene Woche am Dienstag zum neuen IQWiG-Leiter bestellt worden. Windeler soll zum 1. September den Posten von Sawicki übernehmen. Zuvor hatte der Stiftungsrat den derzeit noch stellvertretenden Geschäftsführer des MDS als Sawicki-Nachfolger vorgeschlagen. Nun folgte der Vorstand, in dem auch das Bundesgesundheitsministerium vertreten ist, mit einer einstimmigen Entscheidung für Windeler. Johann-Magnus von Stackelberg, Sprecher des IQWiG-Vorstandes, erklärte, mit Windeler habe der Vorstand einen anerkannten Fachmann ausgewählt. Er sei "sehr geeignet, die hervorragende Arbeit des Instituts fortzusetzen". Auch die sich aus der Reform der Arzneimittelgesetzgebung ergebenden neuen Aufgaben werde er bewältigen, so von Stackelberg.

G-BA-Vorsitzender begrüßt Entscheidung

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Dr. Rainer Hess, begrüßte die Personalentscheidung ebenfalls: "Mit Jürgen Windeler konnte eine über die Selbstverwaltung hinaus anerkannte Persönlichkeit und ein ausgewiesener Experte für evidenzbasierte Medizin für dieses wichtige Amt gewonnen werden". Hess zeigte sich sicher, dass die für den G-BA unverzichtbare Arbeit des Instituts ohne Brüche und mit der erforderlichen wissenschaftlichen Expertise fortgesetzt werden könne. Dies habe vor dem Hintergrund der geplanten Schnellbewertung von Arzneimitteln, die IQWiG und G-BA künftig gemeinsam umsetzen sollen, eine besondere Bedeutung.

Dem scheidenden Leiter des IQWiG dankte Hess ausdrücklich "für sein kraftvolles Engagement in den vergangenen Jahren und die stets gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit". Die Zeit des Aufbaus und Etablierung des Instituts als unabhängige Instanz im deutschen Gesundheitswesen blieben untrennbar mit dem Namen Peter Sawicki verbunden, so der G-BA-Vorsitzende.

Ruhig, aber durchsetzungsstark

Anders als Sawicki dürfte der neue IQWiG-Chef deutlich weniger Schlagzeilen produzieren. Er gilt als ruhiger Sacharbeiter, dessen Interesse an öffentlichkeitswirksamen Medienauftritten bisher begrenzt war. Gleichwohl gilt Windeler als durchsetzungsstark: "Es ging uns nicht darum, ein pharmafreundliches Weichei an die Spitze zu setzen", versichert Jürgen Fedderwitz, der Vorsitzende des Stiftungsrates, "und das haben wir mit Jürgen Windeler auch nicht getan." Es werde künftig nicht weniger Konflikte mit der pharmazeutischen Industrie geben, prophezeit der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. "Windeler ist gewiss kein Pharmafreund", sagt auch Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK. Verglichen mit Sawicki, ist sein Nachfolger weniger extrovertiert.

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