Gesundheitspolitik

Zu Recht befürchtet

Thomas Müller-Bohn

Schneller war es kaum möglich. Die im Editorial in DAZ 2 geäußerten Befürchtungen haben sich schon nach weniger als einer Woche bewahrheitet. Der gerade erst geschlossene Kompromiss über die neue Hilfstaxe für Spezialzubereitungen wird unterlaufen. Die AOK Berlin-Brandenburg schreibt die Versorgung mit parenteralen Rezepturen für onkologische Zwecke aus. Dabei werden Eigenerklärungen zu qualitätssichernden Aspekten verlangt, doch die betreffen weitgehend Selbstverständlichkeiten, die ohnehin vorgeschrieben sind. Entscheidend ist der Preis. "Geiz ist geil" ist in der Onkologie angekommen. Die Folgen sind noch schwer zu überblicken. Wenn weniger Apotheken Zytostatika zubereiten, wird die Zusammenarbeit von Onkologen und Apothekern unterbrochen. Immerhin führt die Gliederung Berlins in 13 Losgebiete zu kleinen Losen. Das kann patientenferne Oligopole verhindern. Doch sind so überhaupt wirksame Ausschreibungen möglich? Bei nur zwei oder drei lieferfähigen Apotheken pro Losgebiet drohen Absprachen. Schon der Verdacht könnte Kartellwächter alarmieren und zu lähmenden Verfahren führen. Wenn der Zuschlag erteilt ist, bleibt die Frage, ob die Gewinner die zusätzlichen Aufträge bewältigen können. Ob Dumpingpreise Luft für teure Erweiterungen lassen, darf bezweifelt werden. Falls der Wettbewerb ruinös wird, sind Patienten und Apotheker die Verlierer. Falls der Wettbewerb ausbleibt, ist außer Spesen nichts gewesen. In beiden Fällen wäre die Ausschreibung kontraproduktiv.

Doch alle diese Fragen würden sich erübrigen, wenn die bewährte Preisbindung weiterhin auch für Spezialzubereitungen gelten würde. Daher war die Ausnahme in der 15. AMG-Novelle der eigentliche politische Sündenfall – und das ausgerechnet bei einer so sensiblen Produktgruppe! Alternativvorschläge stehen bereits im Raum. Die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern – so lästig sie auch sein mögen – zeigen, wie Preiswettbewerb funktioniert, ohne die Arzneimittelpreisverordnung auszusetzen. Dies könnte auch ein Vorbild für Fertigarzneimittel werden, die in parenterale Rezepturen eingehen. Wenn die Bekenntnisse der Politiker zur Bedeutung der Preisbindung ernst gemeint sind, sollte diese Regel auch wieder für parenterale Zubereitungen gelten. Zusammen mit dem Pick-up-Verbot ergäbe das eine schöne Gesetzesnovelle.

Thomas Müller-Bohn

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