Gesundheitspolitik

Apotheken sind massiv bedroht

ABDA-Präsident Wolf: Umstellung der Großhandelsvergütung ist unnötig

München (az). Als Folge der Sparpolitik der Bundesregierung im Gesundheitswesen sieht der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Heinz-Günter Wolf, viele Apotheken in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. "Über den deutschen Apotheken hängt ein gewaltiges Damoklesschwert", sagte er anlässlich des Deutschen Apothekertages in München. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) der Bundesregierung führe zu einer Belastung der Apotheken von jährlich 500 Mio. Euro.

Die Apotheken fühlten sich von der Gesundheitspolitik unfair behandelt und "befürchteten das Schlimmste", sagte Wolf. Die Umstellung der Großhandelsvergütung sei ein "nachhaltiger Fehler" und dabei "im Kern nicht notwendig". Wenn der Großhandel die Belastungen – wie von Phagro-Chef Thomas Trümper angekündigt – vollständig an die Apotheken weiterreichen wolle, bedeute dies das Aus für viele Apotheken und Mitarbeiter. Eine Ausdünnung der flächendeckenden Versorgung und eine wachsende Macht der Pharmahandelskonzerne seien weitere Konsequenzen. Es sei absehbar, dass der Großhandel erst die Funktionsrabatte und dann seine Serviceleistungen streiche, so der ABDA-Präsident. Auch die Lieferpauschalen würden sicher ausgeweitet. Wolf: "Das Gesetz wird dramatische Auswirkungen auf die komplette Versorgung haben." Dies sei "kein Schreckenszenario"; mit dem AMNOG solle "abkassiert" werden und die Apotheken seien dabei "brachial betroffen", so Wolf. Und das, obwohl nur 2,6 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben auf die über 21.500 Apotheken in Deutschland entfielen. Wer daran spare, nehme "massive Einschnitte in der wohnortnahen Versorgung mit Arzneimitteln" in Kauf. Den Politikern habe man bereits eine Liste mit Apothekenleistungen vorgelegt – nun sollten sie sagen, welche dieser Leistungen gestrichen werden sollen. Die Nacht- und Notdienste? Die Rezepturherstellung, der Botendienst oder die Versorgung von Pflegeheimen? Auch mit Blick auf die aktuelle Honorarerhöhung für Ärzte forderte Wolf die Politik zu "Fairness und Verhältnismäßigkeit" auf. Es könne nicht sein, dass Ärzte und Krankenhäuser sogar mehr Geld erhielten, aber bei den Apotheken gespart werde. Die Apotheker würden ihre gerade gestartete Kampagne "Stopp den Raubbau an der Apotheke" daher intensivieren.

Pick-up-Stellen contra Datenschutz

Wolf forderte die Politik zudem erneut auf, Pick-up-Stellen für Arzneimittel zu verbieten: "Wer das Ausnutzen von Schlupflöchern nicht will, muss sie eben stopfen." Er verwies darauf, dass das Problem in Regierung und Fraktionen unterschiedlich gesehen werde. Während man in Regierungsfraktionen klar für das Verbot sei, tue sich die Regierung selbst hiermit schwer. Dabei müsse der Arzneimittelvertrieb abseits von Apotheken auch vor dem Hintergrund der Sicherheit der Rezeptdaten so rasch wie möglich verboten werden. Wolf verwies darauf, dass erst vor wenigen Wochen aus einer Drogeriemarktkette 150.000 Kundendaten sowie mehr als sieben Millionen E-Mail-Adressen wegen einer Datenlücke im Internet frei zugänglich gewesen seien. Er wundere sich durchaus, dass sich kaum jemand bewusst mache, was mit dem bei einer Pick-up-Stelle im Drogeriemarkt abgegebenen Rezept geschehe. Dazu gehöre auch, dass die Daten auf dem Rezept völlig legitim aus dem Geltungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes ausgeführt werden – schließlich kooperieren die Drogeriemärkte zumeist mit ausländischen Versandapotheken. So stehe hinter der niederländischen Europa-Apotheek beispielsweise der amerikanische Medco-Konzern, der ähnlich datenhungrig wie Google sein dürfte. Der Zugriff auf die patientenbezogenen Daten sei leicht. Wolf: "Das ist ein Traum für diese Konzerne und die Pharmaindustrie, ein Albtraum für die Patienten, die Verbraucher und die Ärzte."

In der Realität angekommen

Gegenüber den letzten Apothekertagen ist die ABDA-Forderung nach einem Pick-up-Verbot allerdings durchaus neu. Noch im letzten Herbst hatte sie gefordert, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Nur so ließen sich auch die Ausfransungen des Versandhandels verhindern, hieß es. Heute sagt Wolf: "Wir leben in einer realen Welt." Während es für die Rückführung des Versandhandels auf das europarechtlich geforderte Maß keine politische Mehrheit gebe, finde sich keiner, der dessen Ausfransungen wolle – auch wenn sich dieser Wille im bisherigen AMNOG-Entwurf nicht finde. Von der Haltung, es sei verfassungsrechtlich höchst fragwürdig, das Problem der Pick-up-Stellen gesondert vom Rx-Versandverbot anzugehen, nimmt man nun Abstand.

ABDA-Jurist Dr. Sebastian Schmitz erklärte, man habe immer nur gesagt, das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei der "sicherste Weg", den Pick-up-Stellen beizukommen. Wenn dies jedoch nicht gehe, müsse man den "zweitsichersten Weg" wählen – das Pick-up-Verbot.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.