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Gesundheitspolitik
Keiner will Pick-up-Stellen, aber
Der bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Wolfgang Heubisch (FDP) – früher als Zahnarzt und für den Verband Freier Berufe in Bayern tätig – zeigte sich als Verfechter der Freien Berufe. Die Apotheker seien hier ein "Bollwerk": Wenn sie sich nicht gegen Angriffe gegen ihre inhabergeführte Organisationsform – die für Heubisch "ohne Alternative" ist – zu wehren wüssten, müssten auch andere Freiberufler Angriffe fürchten.
Heubisch räumte ein, bei Pick-up-Stellen einer Fehleinschätzung aufgesessen zu sein. "Es war ein Trugschluss, anzunehmen, Pick-up-Stellen seien so schnell wegzubringen wie sie eingeführt wurden." Nun sieht sich der Staatsminister berufen, sich dafür einzusetzen, dass die Abholstellen für Arzneimittel wieder abgeschafft werden – trotz zweier Gutachten die dies aus verfassungsrechtlichen Gründen für nicht machbar halten. Dieses Verbot, so Heubisch, müsse noch ins AMNOG-Gesetzgebungsverfahren kommen. "Sie werden mich an Ihrer Seite haben, wenn es darum geht, Sie zu schützen" betonte der Minister – wenngleich sein Aufgabenbereich in der bayerischen Regierung sicherlich nicht der optimale Ausgangspunkt hierfür ist.
Kapferer: Nein zur "Apotheke light"
Stefan Kapferer, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und ebenfalls von der FDP, schloss sich seinem bayerischen Kollegen in Sachen Pick up an. Er betonte, dass man sehr wohl den Versuch unternommen habe, den bereits im Koalitionsvertrag gefassten Plan umzusetzen. Doch dann kam die Intervention aus Bundesinnen- und Justizministerium dazwischen. Und Gesetze könnten nun einmal nur einvernehmlich beschlossen werden, so Kapferer. Er sagte weiter, dass er mit den Apothekern der Auffassung sei, dass es keinen Sinn mache, Lizensierungsverfahren für Pick-up-Stellen einzuführen. Am Ende erhalte derjenige, der dieses erfolgreich durchläuft, ein Prädikat – doch diesen Eindruck einer "Apotheke light" wolle man gerade vermeiden.
Kapferer betonte überdies die weitere Bereitschaft zum Dialog – das gemeinsame Gespräch sei besser als in Kampagnen übereinander zu reden. Er verwies darauf, dass es ein gemeinsames Ziel von Ministerium und Apothekern sei, die gesundheitliche Versorgung auf hohem Niveau sicherzustellen. Man stehe jedoch vor der Herausforderung, ein Defizit von 9 Mrd. Euro in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu decken. Versicherte und Arbeitgeber leisteten hier bereits einen Hauptbeitrag – der restliche Fehlbetrag müsse über ein Sparpaket erwirtschaftet werden, das alle gemeinsam schultern. 11 Prozent der Summe von 3,5 Mrd. Euro sollen dabei auch Apotheker und Großhändler übernehmen – auch wenn für ihn im Moment nicht nachvollziehbar sei, wie sich diese Summe auf beide verteile. Er bestätigte, dass man nach einem gemeinsamen Gespräch mit Großhandel und Apothekern neue Zahlen bemühe. "Wir befinden uns jetzt in Feinjustierung des Gesamtpaketes", so Kapferer. Noch diesen Monat wolle man das Vorhaben abschließen. Er betonte zudem, dass das Gesetz auch Positives für die Apotheker bereit halte: So etwa die geplanten Änderungen im Fehlerkorrekturverfahren. Hier habe es in der Vergangenheit oft Schwierigkeit gegeben. Künftig sollten Apotheker ihre Leistungsfähigkeit nutzen, um mehr Klarheit bei der Auszeichnung von Medikamenten zu erreichen.
Referentenentwurf zur ApBetrO noch 2010
Auch einen Referentenentwurf für die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) kündigte Kapferer noch für dieses Jahr an. Ziel sei es, mit der Novellierung die Patientensicherheit zu verbessern und die Apotheken dabei nicht zu sehr zu belasten. "Wir haben auch die Möglichkeit zu deregulieren" betonte Kapferer. Er sei "guter Dinge, dass wir hier vorwärts kommen".
Singhammer: Apotheken sind systemrelevant
Johannes Singhammer (CSU), Vize-Fraktionsvorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, bekräftigte die Bedeutung der inhabergeführten Apotheke für Deutschland. Sie sei ein wichtiger Ansprechpartner für die Patienten und garantiere eine unabhängige Arzneimittelversorgung. Und so habe sich die CSU stets für die bestehende mittelständische Organisation ausgesprochen. Jeder offene oder versteckte Angriff auf die inhabergeführte Apotheke durch anonyme Kapitalgesellschaften oder Großketten sei "Gift für das System".
Singhammer bekräftigte zudem seine Ablehnung von Pick-up-Stellen für Arzneimittel: "Ein Medikament ist kein x-beliebiger Gegenstand." Es bedürfe der persönlichen Beratung durch den Apotheker. Singhammer: "Eine Apotheke ist eine Apotheke und eben keine Tankstelle." Er wolle keine amerikanischen Verhältnisse, sondern die hierzulande bislang bestehenden wahren. Er zeigte sich enttäuscht über die Gutachten, die die Umsetzung des Ziels, Pick-up-Stellen zu verbieten, hinderten. "Aber wir haben es noch nicht aufgegeben", betonte der CSU-Politiker.
Er wandte sich weiterhin deutlich gegen den Vorwurf, Schwarz-Gelb betreibe Lobbyarbeit und Klientelpolitik. Die Kunden – die Klientel – der Apotheken seien schließlich sehr zufrieden. Wolle man dies beibehalten, müsse man sich nicht entschuldigen. "Das ist eine Klientelpolitik, die man wahren muss." Singhammer betonte zudem, dass seine Partei weiterhin gegen Fremd- und Mehrbesitz sei. Würde man diesen zulassen, sei die verlässliche Arzneimittelversorgung gefährdet – gerade in ländlichen Regionen. Was das AMNOG betrifft, sieht allerdings auch Singhammer keine Alternative. Anderenfalls hätte wegen des GKV-Milliardendefizits eine "Kaskade" von Kassen-Insolvenzen gedroht. Nun habe man das Defizit im Griff – doch der Preis hierfür sei hoch. 3,5 Mrd. Euro sollen gespart werden – überdies gibt es Steuerzuschüsse und höhere Beiträge für Arbeitnehmer und -geber. Das Sparziel solle in einer Weise erreicht werden, dass es akzeptabel ist.
Linke: Rx-Versandhandel verbieten
Besonders viel Zuspruch kam zudem von Martina Bunge von der Bundestagsfraktion Die Linke. Seit Jahren engagiere sich ihre Fraktion für ein flächendeckendes Netz inhabergeführter Apotheken, betonte sie. Als einzige spreche sie sich auch gegen den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus. "Wir halten ihn für eine Gefahr für den Bestand von Apotheken in der Fläche." Auch das Pick-up Problem wäre gelöst, wenn man den Versandhandel auf OTC beschränken würde, betonte Bunge. Und dies sage sie, auch wenn sie wisse, dass Apotheker nicht unbedingt Wähler ihrer Partei seien.
Mit Sorge betrachtet Bunge jedoch den Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik: Es gehe weg von der Solidarität und der Idee der Daseinsvorsorge. So sollten Krankenkassen jetzt Wirtschaftsunternehmen werden, die dem Kartellrecht unterliegen. Hier gelte ähnliches wie bei den Pick-up-Stellen: Sind die Kassen erst einmal Unternehmen, gehe es nicht mehr zurück. Dies sei eine Entwicklung, die Die Linke nicht mittragen wolle. Bunge betonte abschließend: "Es gibt nachweislich keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen, wir haben eine Einnahmeerosion."
Vertreter der SPD und der Grünen waren diesmal nicht zugegen, um ihre Grußworte zu überbringen. Sie kündigten ihr Kommen jedoch zur gesundheitspolitischen Diskussionsrunde zum Abschluss des Apothekertages an.
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