Gesundheitspolitik

Die Großhandelsvergütung – ein Politikum!

Betrachtet man als Nicht-Betroffener die seit Monaten schwelende Diskussion um die Großhandelsvergütung wertfrei, muss man zu folgendem Schluss kommen:

  • Die Vergütung ist bislang ungeboten hoch, seit Jahren bereichern sich die Großhandelsbetriebe am System und

  • die Frage ist ausschließlich unter Preis- oder Kostengesichtspunkten zu diskutieren, nicht unter Qualitätsgesichtspunkten.

Beide Schlussfolgerungen werden weder der Bedeutung noch der Leistung des pharmazeutischen Großhandels in Deutschland gerecht; im Gegenteil.

Andreas Kaapke

Aber auch die Diskussion, die sich bei den Apotheken und deren Vertretern aus der Vergütung des pharmazeutischen Großhandels entfacht hat, zeigt auf, dass sich diese der Frage nahezu ausschließlich aus eigenen Ertragsgesichtspunkten nähern. Hier wäre ein erweiterter Blick angemessen. Denn die Leistungsfähigkeit der über 21.500 Apotheken in Deutschland korreliert eng mit den logistischen und den darüber hinausgehenden Leistungen des vollversorgenden Großhandels. Dies darf im Rahmen der Diskussion nicht unterschätzt werden.

Wenn die Politik die Anreize zum Betreiben eines vollversorgenden Großhandels sukzessive schmälert oder abschafft, stellt sich nach und nach für Großhandelsbetriebe die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Geschäftsmodells. Damit soll keineswegs die Notwendigkeit einer Effizienzdebatte des Gesundheitssystems infrage gestellt werden, wenngleich Gesundheit nur eingeschränkt budgetiert werden kann. Die Politik wird ungewöhnlich kurzatmig, wenn sie wie seit vielen Jahren nicht die Wurzel zu reparieren gedenkt, sondern an einzelnen Ästen des Gesundheitsbaumes sägt. Und es ist auch nicht redlich, wenn die Politik, um die GKV zu sanieren, die aus der GKV vor Jahren herausgenommenen Leistungen missbraucht, um die Finanzierungslücken zu schließen. Wenn die im OTC-Geschäft erwirtschafteten Erträge seitens der privatwirtschaftlichen Großhandlungen für wettbewerbliche Maßnahmen genutzt werden, mag man sich darüber ärgern, dies kann aber nicht Gegenstand staatlicher Regulierung sein.

Großhandelsvergütung abhängig von gelieferten Packungen

Ursprünglicher Auslöser von GKV-Ausgaben sind die Arztbesuche von Bürgern, die in Deutschland auch im europäischen Vergleich ungewöhnlich hoch sind. Offensichtlich resultieren daraus die Mengeneffekte für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in der Apotheke abgegeben werden und die davor vom vollversorgenden Großhandel geliefert wurden. Die Vergütung des Großhandels an die gelieferte Packung zu binden und nicht an den Herstellerabgabepreis ist nachvollziehbar und richtig, der Schritt hätte im Einklang mit dem Paradigmenwechsel zur Arzneimittelpreisverordnung im GMG 2004 vollzogen werden sollen, die jetzt angedachte Korrektur kommt spät, bleibt aber richtig. Der Großhandel exekutiert im verschreibungspflichtigen Bereich, was ihm von den Apotheken übermittelt wird, mal mit hohem Aufwand, mal mit weniger hohem Aufwand, mal in großen Liefermengen, mal mit extrem kleinen Mengen, stets der möglichst flächendeckenden und schnellen Versorgung der Bevölkerung geschuldet.

Der zweite Parameter für die GKV-Ausgaben sind neben der Menge – ausgelöst durch Arztbesuche – der Preis für die Arzneimittel. Hier hat die schwarz-gelbe Bundesregierung bereits Versuche zur Regulierung unternommen. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie eine wie auch immer zusammengesetzte Bundesregierung in 2011 fortfolgend reagieren würde, wenn durch eine Steigerung der Arztbesuche die Anzahl der verschriebenen Arzneimittel neuerlich erhöht werden müsste, dadurch mehr rezeptpflichtige Arzneimittel in der Apotheke abgegeben würden und damit die Zahl der Lieferungen erhöht würde. Der Großhandel würde ausführen und hätte eine Umsatzsteigerung, die GKV hätte höhere Kosten, die nicht durch die Krankenversicherungsbeiträge per se abgedeckt sind. Wird dann wieder gekürzt? Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass die Art der Diskussion nicht zielführend sein kann.

Rabatte müssen Rabatte bleiben

Vielmehr bedarf es einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem in Deutschland vorherrschenden Versicherungsprinzip. Was kann noch Gegenstand der Versicherung sein, kann alles abgedeckt werden und was nicht? Wie viele Arztbesuche sind tatsächlich gerechtfertigt? Diese Fragen lassen sich bestimmt nicht pauschal beantworten, müssen aber vor dem Hintergrund auch des demografischen Wandels angegangen werden. Und was heißt das für den pharmazeutischen Großhandel: Rabatte müssen Rabatte bleiben. Ein Rabatt ist ein Preisnachlass, der an konkretes Verhalten gebunden ist. Dies hat sich teilweise verselbstständigt. Eine Apotheke, die per se mit Rabatten rechnet ungeachtet des eigenen Verhaltens, sollte sich auf Änderungen einstellen – zu Recht! Mengenrabatte kann es eben nur bei Bestellung entsprechender Mengen geben, weil dann aus den Kosteneinsparungen im Großhandel Teile an die den Vorteil verursachenden Apotheken abgegeben werden können. Funktionsrabatte sind wie der Name sagt an die Übernahme bestimmter Leistungen gebunden. Mit anderen Worten, wer jedes Arzneimittel einzeln bestellt und damit überdurchschnittlich viele Lieferungen mit einem oder wenigen Artikeln initiiert, darf sich nicht wundern, wenn er keinen Rabatt bekommt. Im Gegenteil, ihm müsste mit dem betriebswirtschaftlichen Gegenentwurf begegnet werden: dem Mindermengenzuschlag.

Die Politik ist aufgefordert, der morbid anmutenden Diskussion der Großhandelsvergütung entgegenzuwirken und darzustellen, dass es ihr um eine adäquate Vergütung einer unabdingbaren Leistung geht. Der Vorsitzende des Großhandelsverbands Phagro, Thomas Trümper, hat darauf mehrfach hingewiesen. Gegenwärtig gewinnt man nicht den Eindruck, dass die Politik die Akteure der Wertschöpfungskette Gesundheit bzw. der Kette Arzneimitteldistribution motivieren möchte. Wie sensibel aber gerade die adäquate Verteilung von Arzneimitteln im Vergleich zu Alltagsprodukten ist, kann nicht oft genug in den Fokus gerückt werden. Im Übrigen ist dies auch Aufgabe der Standesvertretungen der Apotheken.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte.
E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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