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Management
Wie sich Apotheken selbst einschätzen
Die GSPQ hat 262 Apothekeninhaber und deren Mitarbeiter befragt. Das Besondere: Die Fragen sollten im Team beantwortet werden. Falls die Zeit zur Teamdiskussion nicht zur Verfügung stand, hat der/die Inhaber(in) ein Votum als Einzelmeinung abgegeben. Auf diese Weise war vergleichbar, ob sich die Sichtweisen voneinander unterscheiden. Es haben 182 Apothekenteams und 80 Inhaber(innen) teilgenommen. Da durchschnittlich pro Apotheke sieben Personen beschäftigt sind, waren etwa 1350 Personen an dieser Studie beteiligt.
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Team- oder Einzelmeinung. 68,4% der zurückgesandten Fragebögen waren das Ergebnis einer Teamdiskussion. In diesem Zusammenhang ist die Frage interessant, ob die Teamdiskussion den Inhabern geholfen hat, die eigene Servicequalität besser einschätzen zu können. Nahezu zwei Drittel (57,9%) erklären, man habe durch die Diskussion im Team die Sichtweise über die Servicequalität der eigenen Apotheke verändert.
Die Bewertungsskala
ausgezeichnet (5 Punkte)
sehr gut (4 Punkte)
gut (3 Punkte)
zufriedenstellend (2 Punkte) und
verbesserungswürdig (1 Punkt).
In mehreren Versuchsreihen wurde von der GSPQ nachgewiesen, eine hohe Servicequalität liegt vor, wenn der Durchschnittswert 3,65 Punkte überschreitet. Sollten Einschätzungen der Teams unter diesem Wert liegen, bedeutet das, dass die eigene Servicequalität kritisch beurteilt wird.
Schlüsseln wir diesen Aspekt nach der Lage der Apotheken auf, so haben die Inhaber der Landapotheken am eindeutigsten von dieser Diskussion profitiert. 71,9% der Inhaber von ländlichen Apotheken sagen, dass ihnen die Diskussion mit ihrem Team geholfen hat. Aber auch jede zweite Großstadtapotheke bekundet, dass das Gespräch mit den Mitarbeitern geholfen hat, die eigene Servicequalität besser einzuschätzen.
Dieses Ergebnis verwundert nicht, denn durchgängig ist zu erkennen: Inhaber/innen sehen die Servicequalität ihrer Angestellten kritisch. Insofern ist es leicht nachvollziehbar, wenn Diskussionen zu einer Korrektur der eigenen Wahrnehmung (auf beiden Seiten) führen können, lässt aber auch vermuten, dass eventuell zu wenig miteinander gesprochen wird.
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Welchen Eindruck hat der Kunde, wenn er das erste Mal unsere Apotheke betritt? Wie erwähnt, kann von hoher Servicequalität ausgegangen werden, wenn durchschnittlich ein Wert von 3,65 erreicht wird. Gemessen daran sind die Teams der Meinung, dass der erste Eindruck, den die Kunden von ihrer Apotheke haben, mit 3,35 Punkten nicht einer hohen Servicequalität entspricht. Die Inhabermeinung lag mit 3,25 noch darunter.
Branchenübergreifend gibt es einen Schlüssel für bemerkenswerte Servicequalität: nämlich das Votum "sehr gut" oder "ausgezeichnet". Welchen Stellenwert ein "gut" hat, wissen wir aus face-to-face Befragungen. Es kommt der Einschätzung nahe, "das war ganz gut, hat mich aber nicht wirklich beeindruckt". Deshalb fließen in die Bewertung von exzellenten Serviceleistungen hier insbesondere die Werte "sehr gut" und "ausgezeichnet" ein.
Demzufolge sind lediglich 42,3% der Teams überzeugt, einen sehr guten oder ausgezeichneten ersten Eindruck zu hinterlassen. Die Inhaber sind noch nicht einmal zu einem Drittel (31,3%) davon überzeugt, einen sehr guten oder ausgezeichneten Eindruck abzuliefern. Und von den 31,3% meinen überhaupt nur 2,5%, dass der erste Eindruck ausgezeichnet ist. Beschränken wir uns auf die Einschätzung der Inhaber der Landapotheken, so ist von ihnen das Prädikat "ausgezeichnet" nicht ein einziges Mal vergeben worden.
Öffnungszeiten. Die Öffnungszeiten stellen im Zusammenhang mit Kundenzufriedenheit einen wichtigen Aspekt dar. Die Teams beurteilten diesen Punkt mit 3,47. Die Apotheker bewerten mit 3,18 deutlich kritischer. Hier haben wir es mit einem Spannungsfeld zwischen Inhaber und Personal zu tun. Inhabern wird so und so oft daran gelegen sein, die Öffnungszeiten auszuweiten. Dem stehen die Interessen der Mitarbeiter gegenüber, die die Regelungen oft für ausreichend halten. Deshalb sind auch 50% der Teams der Meinung, dass ihre Kunden äußerst zufrieden mit den Öffnungszeiten sind, aber nur 29,3% der Inhaber.
Freundlichkeit und Einfühlungsvermögen. Bei Freundlichkeit und Einfühlungsvermögen müsste jede Apotheke darauf bedacht sein, Spitzenwerte zu erzielen, weil Apotheken im Wettbewerb stehen und sich aufgrund gesetzlicher Reglementierungen kaum von einander differenzieren. Nur ein Viertel (25%) der Beschäftigten meint, dass sie von ihren Kunden bei der Freundlichkeit mit "ausgezeichnet" beurteilt würden. Beim Einfühlungsvermögen sind sogar nur 13% dieser Meinung. Von den Apotheker/innen selbst meint lediglich jeder Zehnte (9,8%), dass das Einfühlungsvermögen der Mitarbeiter/innen ausgezeichnet ist. Selbst wenn wir in die Bewertung das "sehr gut" einbeziehen, sind nur 62% des Apothekenpersonals und nur 45% der Inhaber/innen der Meinung, dass hohes Einfühlungsvermögen vorhanden ist. Freundlichkeit ist ein Aspekt, den Menschen in Dienstleistungsberufen oft verinnerlicht haben. Einfühlungsvermögen hingegen ist eine besondere Form der Wahrnehmungsfähigkeit, die trainiert werden muss.
Wie beurteilt der Kunde unsere Beratungsqualität? Zwei Drittel der Apotheken vermuten (66,4%), dass ihnen ihre Kunden "sehr gute" oder "ausgezeichnete" Beratungsqualität bescheinigen würden. (Demgegenüber sind real 80% der Kunden mit der Beratungsqualität ihrer Apotheke hoch zufrieden.) Kein Grund sich zurückzulehnen, denn es bleibt eine kritische Masse von 20%, die nicht voll zufrieden ist. Dieser Aspekt hat größeren Einfluss auf Marktanteile, Umsatz und Gewinn als angenommen wird, was im nächsten Abschnitt erkennbar wird.
Nutzen Kunden unsere Apotheke gerne, um sich über Gesundheitsfragen beraten zu lassen? Hier entscheidet sich, inwieweit Kunden tatsächlich Vertrauen zu ihrer Apotheke haben. Uns ist bekannt, dass Kunden zwar mit der Beratungsleistung von Apotheken sehr zufrieden sein können und sogar bereit sind, ihre Apotheke weiter zu empfehlen; wenn es allerdings darauf ankommt, diese Apotheke für die eigenen Gesundheitsbelange vorzugsweise zu nutzen, ist man zurückhaltender.
Die Apotheken meinen, dass die Kunden vorzugsweise "Ja" zu ihrer Apotheke sagen. Die Werte liegen zwischen 84,1% (Inhaber) und 91,5% (Teammeinung). Dass Kunden auf diese Frage mit einem klaren "Nein" antworten könnten, wird fast ausgeschlossen. Allein die Teams der Großstadtapotheken können sich das sehr begrenzt vorstellen (1,2%). Von den 80 Inhabern kann sich nicht ein Einziger denken, dass seine Apotheke abgelehnt werden könnte.
Apotheken gesuchtDie unabhängige wissenschaftliche Gesellschaft für Service- und Produktqualität (Sektion Health Care), hat sich unter anderem die Erforschung von Servicequalität in Apotheken zur Aufgabe gemacht. 2009 ist eine größere Studie zum Thema: "Selbsteinschätzung der Servicequalität" durchgeführt worden. Mitarbeiter(innen) und Inhaber(innen) von über 250 Apotheken haben daran teilgenommen. In diesem Jahr führt die Gesellschaft für Service- und Produktqualität eine weitere Studie zur Fremdeinschätzung der Servicequalität durch. Dazu werden noch Apotheken gesucht, die Interesse haben an diesem Feldversuch: "Kundenzufriedenheit in Apotheken" teilzunehmen. Interessierte wenden sich per E-Mail bitte an: info@gspq.eu. Die Teilnahme ist unverbindlich und kostenlos. Jede teilnehmende Apotheke bekommt abschließend als Dankeschön eine Analyse über die eigene Servicequalität. Gesellschaft für Service- und Produktqualität e.V., Erfurtstraße 35, 53757 Sankt Augustin |
Wir sehen hier die größte Kluft zwischen vermuteter und tatsächlicher Fremdeinschätzung. Kunden beurteilen einerseits die allgemeine Beratungsleistung ihrer Apotheken besser als diese es vermuten (siehe oben). Andererseits sind es dieselben Kunden, die sich bei der Frage, ob sie ihre Apotheke gerne nutzen, um sich bei Gesundheitsfragen beraten zu lassen, reserviert äußern. Kunden sind wesentlich zurückhaltender, als sich das Personal selbst vorstellen kann. (Nur 77,7% der Kunden antworten mit einem uneingeschränkten ,Ja‘.) Große Zufriedenheit mit der allgemeinen Beratungsleistung ist nicht gleichbedeutend mit uneingeschränktem Vertrauen.
Möglicherweise hat das Einfühlungsvermögen einen Einfluss. Um nur ein Beispiel zu nennen: Erkennt das Apothekenpersonal, dass ein Kunde/Patient ein diskretes Gespräch wünscht oder werden diese Signale übersehen oder gar ignoriert? Gerade diffizile Fragen der Gesundheit, die unter vier Augen stattfinden sollten, werden so und so oft coram publico geführt. Eine Gegebenheit die von Kunden in unseren Befragungen immer wieder kritisiert wird.
Resümee
Auch wenn Kunden mit der Beratungsleistung sehr zufrieden sind, bedeutet das nicht, dass ein uneingeschränktes Vertrauen in ihre Apotheke besteht. Apotheker/innen sind immer wieder überrascht, wenn wir Ihnen nachweisen, wie groß der Anteil der Kunden ist, der "fremd geht". Apotheken sind zu optimistisch, wenn sie gefragt werden, ob ihre Kunden gerne in ihre Apotheke kommen, um sich beraten zu lassen. Ein nicht unerheblicher Teil der Kunden wählt die jeweilige Apotheke nicht eindeutig für Gesundheitsfragen aus. Vorsicht (!) In unentschiedenen Kunden steckt Abwanderungspotenzial. Diese Kundengruppe ist betriebswirtschaftlich nicht zu unterschätzen.
Darüber hinaus scheint bei der Führung des Personals Handlungsbedarf zu bestehen. Wie sonst lassen sich die zum Teil erheblichen Unterschiede zwischen Einschätzungen der Teams und der Inhaber/innen erklären? Was wird getan, um die Servicequalität so zu verbessern, dass Kunden immer mit einem ausgezeichneten Eindruck die eigene Apotheke verlassen?
Vergleicht man die Selbstbeurteilung in dieser Studie mit tatsächlichen Kundenbewertungen, dann wird ersichtlich, dass Apotheken einerseits besser bewertet werden, als es deren Inhaber/innen vermuten. Andererseits ist die Streuung groß, so dass nur durch professionelle Kundenbefragungen vor Ort eine qualifizierte Servicebilanz erstellt werden kann..
Autor:
Harald G. Butzko, Kuratoriumsvorsitzender der unabhängigen wissenschaftlichen Gesellschaft für Service- und Produktqualität e.V. in Sankt Augustin
Hinweis:
Werden Kundenbeurteilungswerte den vermuteten Werten gegenübergestellt, so sind diese Zahlen der Forschungsarbeit von Guido Münch (Rheinischen Fachhochschule Köln), die mit Unterstützung der GSPQ durchgeführt wurde, entnommen.
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