Gesundheitspolitik

Berufskleidung tragen – ja oder nein?

Das Thema Berufskleidung ist in diversen Berufen eine bedeutsame Frage. So gibt es Berufe, die zwingend das Tragen einer spezifischen Berufskleidung bedingen – sei es aus hygienischen Gründen, sei es zum Schutz der entsprechenden Mitarbeiter. Zu denken wäre hier an Kopfbedeckungen oder an spezifische Kleidung aus einem unter hygienischen Gründen geeigneten Material. Aber auch Schuh-überzieher und Handschuhe zählen dazu. Wie schwierig aber das Einhalten solcher Maßnahmen ist, kann man regelmäßig in Metzgereien beobachten, in denen zwar der guten Hygiene halber das Verkaufspersonal Latexhandschuhe trägt, in der Regel aber nur an einer Hand und oftmals genau mit der anderen Hand das Münzgeld abzählt, was ja Gegenstand der freiwilligen hygienischen Maßnahme ist. Regelmäßig erwischt man sich dabei, genau deshalb diesem Umstand Bedeutung beizumessen, weil es so offensichtlich daneben geht. In den vielen Fällen, in denen in Metzgereien keine Handschuhe getragen werden, kommt es dagegen zu keiner Problematisierung. Soll man also den Metzgereien den Verzicht anraten?

Die zweite Gruppe von Berufskleidung sind diejenigen, bei denen es eher um ein damit einhergehendes Image oder auch um Erkennbarkeit des Verkaufspersonals geht. Zweifelsfrei ist das Argument der Erkennbarkeit in Apotheken nicht geboten, da die Anordnung des HV-Tisches per se zur klaren Definition, wer Kunde und wer Mitglied des Apothekenteams ist führt. Dieser Grund ist also nicht wirklich anzuführen, wenn der Frage nach Berufskleidung in Apotheken nachzugehen ist. Kann es demnach andere Gründe geben. Viele werden sich auch heute noch fragen, warum die Armada an Biologie-, Chemie-, Physik- und auch Mathematiklehrer einen weißen Kittel trugen, Englisch-Lehrer solche aber nie anhatten. Ist es das Vorrecht der Naturwissenschaften, sich über den Weißkittel einer besonderen Kompetenz zu rühmen. Kämen im Chemie-Unterricht noch experimentelle Versuchsanordnungen als Begründung in Frage, mag dies in anderen Fächern als Erklärung nicht dienen. Und dennoch ging mit den weißen Kitteln bei aller Irrationalität eine Aura einher, derer man sich nicht per se verschließen konnte, gar wollte. Es hatte etwas Ehrenhaftes, wenn der weiße Kittel zum Unterricht erschien. Mögen manche an eine unnötige elitäre Theorie von Abgrenzung und Anmutung glauben, so war es doch auch ein Ritual, das uns vor Augen führte, dass wir es an dieser Stelle mit einem Vertreter einer besonderen Spezies zu tun haben. Auch die Kochmütze oder die karierte Bäckerhose lösen derlei Empfindungen aus, wenn auch in abgeschwächter Form.

Von daher stellt sich die Frage, ob Berufskleidung in Apotheken angemessen ist bzw. einen Nutzen stiftet. Wie alles hat sich auch diese Frage einer generellen Positionierungsfrage unterzuordnen. Was will die Apotheke damit zum Ausdruck bringen, wie gedenkt sie sich gegenüber ihren Kunden zu positionieren? Wenn sie sich als Fachgeschäft für die Abgabe von Arzneimitteln auch gegenüber allen möglichen "Wilderern" – wie Lebensmittelgeschäften oder Drogeriemärkten – darstellen möchte, ist alles, was diesen berechtigten Nimbus untermauert, erlaubt. Dies gilt in besonderem Maße für den Apothekenleiter, aber natürlich auch für das pharmazeutische Fachpersonal.

Hier ist nun aber Vorsicht geboten, denn allzu schnell läuft ein gut gemeintes Ritual aus dem Ruder. Wenn zur Positionierungsstrategie auch die Berufskleidung gehört, stellt sich die Frage, wer sich dieser Bekleidungsregel generell unterwerfen soll. Denn trägt nur der Apothekenleiter einen weißen Kittel oder eine vergleichsweise wahrnehmbare Kleidung und das andere Fachpersonal nicht, kommt es auch in der Apotheke nochmals zu einer nach außen hin deutlich sichtbaren Unterscheidung. Dies kann nicht wirklich gewollt sein, denn damit wird eine Rangunterscheidung in Sachen Kompetenz unterstellt und suggeriert, dass in den wirklich wichtigen Fällen doch am besten der Weißkittel konsultiert wird und nicht der Rest. Deshalb muss die Empfehlung in Summe lauten: Berufskleidung ist kein Muss, aber ein Kann, vielleicht sogar vor dem Hintergrund des Fachgeschäftscharakters ein Soll. Wenn sich die Apotheke aus guten Gründen dafür entscheidet, dann bitte durchgängig, auch aus eigenen Kapazitätsüberlegungen heraus. Eine interne Hierarchie kann im Zweifel auch anders dokumentiert werden.

Und wenn Berufskleidung dann bitte standesspezifisch. Ein blaues Poloshirt ist schön, dient aber stärker der Wahrnehmung und Abgrenzung Anbieter-Nachfrager (gehört zum Team) und weniger des Images (weiß gut Bescheid). Wie bei Ärzten die weiße Kleidung und bei Pfarrern die schwarze Kleidung spielt eben auch die weiße Kleidung bei Apotheken – als in den Köpfe der Gesellschaft verankertes Äquivalent für Gesundheit – eine Signalrolle.

Im Übrigen neutralisiert eine derartige Kleidung auch Altersunterschiede innerhalb des Teams und bestärkt auch die Kunden in dem völlig berechtigten Glauben, dass es sich bei Apotheken um keine gewöhnlichen Einkaufsstätten handelt, beim Fachpersonal besonders gut ausgebildete Mitarbeiter tätig sind und die Waren in Apotheken weitgehend eben besonderer Art sind, die nicht mit den üblichen Mitteln der Warenabgabe gleichzusetzen sind.

Deshalb lautet ein abschließendes Fazit: Aus Imagegründen ist die Auseinandersetzung mit der Frage Berufskleidung ja oder nein in jedem Fall anzuraten. Ein Nein ist in Ordnung, da es nicht wirklich zwingende Schutz- oder Hygienegründe für ein Tragen von Berufskleidung im frei zugänglichen Offizinbereich gibt, gleichwohl ist ein Ja die bessere Alternative.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Bera-tungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte.
E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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