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Ernährung aktuell
Viele sind mit Vitamin A und D unterversorgt
Prof. Dr. Oliver Pabst, Medizinische Hochschule Hannover, erläuterte, welche Erkenntnisse zur Wirkung von Vitamin A man mittlerweile auf Ebene der T-Zellen gewonnen hat. T-Zellen werden aufgrund ihres Zytokinprofils in verschiedene Typen unterteilt. Dazu gehören unter anderem Th1-, Th2-, und regulatorische T-Zellen. Sie wirken sich unterschiedlich auf den Organismus aus. Während Th1- und regulatorische T-Zellen z. B. eine allergische Reaktion eher unterdrücken, wird diese durch Th2-Zellen eher gefördert. "Es wäre aber ein Missverständnis daraus zu folgern, der eine oder andere T-Zelltyp sei per se gut oder schlecht", erklärte Pabst. Für ein funktionierendes Immunsystem sei vielmehr eine ausgeglichene Differenzierung der T-Zellen ausschlaggebend. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass Vitamin A hierbei eine wichtige Rolle spielt. Im Tierversuch an Mäusen bewirkte eine Vitamin-A-Mangelversorgung eine Verstärkung der Th1-Reaktionen, während eine Überversorgung eine vermehrte Bildung von Th2-T-Zellen auslöste. Pabst betonte, dass die im Versuch eingesetzten Vitamin-A-Konzentrationen in der Realität zwar von niemandem erreicht würden, die Untersuchungen lieferten jedoch einen Einblick in den Wirkmechanismus von Vitamin A, der möglicherweise einmal medizinisch genutzt werden könnte.
Latenter Mangel mit langfristigen Folgen
Einen weiteren Aspekt der Abwehrfunktion, der durch Vitamin A beeinflusst wird, erläuterte Prof. Hans-Konrad Biesalski, Universität Hohenheim. Seinen Ausführungen zufolge ist eine gute Vitamin-A-Versorgung für die Mukosabarriere gegen eindringende Viren und Bakterien in den oberen Atemwegen unerlässlich: In Studien führte eine Unterversorgung mit Vitamin A dazu, dass die Zilien der Nasen- und Lungenschleimhäute atrophierten und somit funktionslos wurden.
Zugleich wies Biesalski darauf hin, dass ein bedenkenswerter Anteil der Männer und Frauen in Deutschland nicht ausreichend mit Vitamin A versorgt ist. Gerade bei älteren Menschen sowie Kindern und Jugendlichen bestehe eine große Versorgungslücke mit Vitamin A – am größten sei sie bei Mädchen zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr. Zwar würde hierzulande kein Vitaminmangel herrschen, es sei aber möglich, dass die permanente leichte Unterversorgung ohne erkennbare Symptome langfristig Gesundheitsschäden verursache.
40 Prozent benötigen mehr Betacarotin
Biesalski verwies in diesem Zusammenhang auf ein weiteres – bislang wenig beachtetes – Dilemma: Gute Vitamin-A-Lieferanten sind in erster Linie Leber und Fisch. Sie werden von vielen Menschen zu selten verzehrt. Besser sieht es mit Lebensmitteln aus, die die Vitamin-A-Vorstufe Betacarotin enthalten. Dazu gehören Obst- und Gemüsesorten wie (gekochte) Karotten, Spinat und Broccoli. Allerdings, so Biesalski, zeigen neuere Studien, dass bis zu 40 Prozent der Bevölkerung zur Deckung ihres Vitamin-A-Bedarfs eine erhöhte Betacarotin-Zufuhr benötigen, da sie genetisch bedingt Betacarotin nur eingeschränkt in Vitamin A umwandeln können. Hier wären langfristig einfache Diagnosemöglichkeiten zur Erkennung betroffener Personen wichtig, um eine gezielte Ernährungsberatung vornehmen zu können.
Vitamin D beugt Infektionen vor
Biesalski verwies weiterhin darauf, dass selbst bei einer guten Vitamin-A-Versorgung ein Problem für das Immunsystem entstehen kann, wenn Vitamin D nicht in adäquater Menge vorliegt. "Die beiden Vitamine wirken eng zusammen. Ist eines der beiden nicht ausreichend vorhanden, kann das andere nicht optimal wirken", so Biesalski. Dies bestätigte Prof. Dr. Armin Zittermann, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, der den Einfluss von Vitamin D auf das Immunsystem genauer beleuchtete. Vitamin D spielt demnach eine Schlüsselrolle für die Einsatzfähigkeit unseres Immunsystems: Das Vitamin stimuliert die unspezifische Immunabwehr und schwächt gleichzeitig spezifische Immunreaktionen ab. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine gute Vitamin-D-Versorgung das Infektrisiko senken kann. So konnte eine jüngst veröffentlichte japanische Studie mit Schulkindern zeigen, dass eine erhöhte Zufuhr von Vitamin D während der Monate Dezember bis März bei 40 Prozent der Studienteilnehmer dem Ausbruch einer Infektionskrankheit der oberen Atemwege vorbeugte. Eine weitere Untersuchung hat ergeben, dass Personen mit einer guten Vitamin-D-Versorgungslage (entsprechend Serumspiegeln an 25-Hydroxyvitamin D von ≥ 75 nmol/l) verglichen mit Vitamin-D-defizitären Personen (Spiegel von < 25 nmol/l) etwa ein um ein Drittel vermindertes Infektionsrisiko über alle Jahreszeiten hinweg haben.
Gegebenenfalls supplementieren
Leider, so Zittermann, sieht die Versorgungssituation mit Vitamin D in Deutschland nicht gut aus. Die Nationale Verzehrsstudie II (NVS II) von 2008 ist zu dem alarmierenden Ergebnis gekommen, dass insgesamt 82 Prozent der Männer und 91 Prozent der Frauen die empfohlene tägliche Zufuhr von Vitamin D nicht erreichen. Vitamin D ist hauptsächlich in fettem Fisch enthalten. Er sollte Zittermann zufolge viel häufiger verzehrt werden als es in der Praxis der Fall ist. Die Vitamin-D-Versorgung über die Sonne sieht der Vitaminforscher als zweitrangig an. In den Wintermonaten ist die Sonnenexposition in unseren Breiten ohnehin nicht ausreichend, um eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung zu gewährleisten. Und auch im Sommer ist dies nicht unbedingt zu erwarten. Zum einen wird die Vitamin-D-Bildung über die Haut teilweise durch Anwendung von Sonnenschutzmitteln vermindert, zum anderen ist der für die Vitaminbildung erforderliche UV-Index (> 3) nur in der Mittagszeit vorhanden – wenn viele Menschen sich im Büro oder der Kantine aufhalten. "Wer über die Sonne ausreichend Vitamin D bilden will, muss in der Mittagspause mindestens 15 Minuten im Freien verbringen und dabei möglichst Arme und Beine dem Sonnenlicht aussetzen", meinte Zittermann. Für Personen, denen dies nicht möglich ist und die sich auch nicht bewusst Vitamin-D-reich ernähren seien Supplemente eine gute Empfehlung, um einem latenten Vitamin-D-Mangel entgegenzuwirken.
Vitamin E nicht vergessen
Dass neben den Vitaminen A und D auch noch andere Mikronährstoffe für ein gut funktionierendes Immunsystem von Bedeutung sind, erörterte Priv.-Doz. Stefan Weber von der Universität Bonn: So stimuliert Vitamin E beispielsweise das Wachstum von T-Zellen. Es ist bekannt, dass das Immunsystem älterer Menschen nachlässt und sich dies unter anderem auch in einer Abschwächung der T-Zell-Antwort zeigt. Verschiedene Tier- und auch klinische Studien haben gezeigt, dass Vitamin E die Funktion der T-Zellen im Alter verbessern kann. Allerdings kann Vitamin E nur im Zusammenspiel mit Vitamin C seine Wirkung entfalten. Für beide Vitamine gilt somit, dass sie für eine gute Abwehrfunktion ausreichend vorhanden sein müssen. Wie für Vitamin A und D gelte aber auch für Vitamin E, dass wir hierzulande vielfach nicht genug aufnehmen, so Weber.
Fazit
Insgesamt waren sich die Vitaminforscher einig, dass Vitamine für das Immunsystem eine wichtige und bislang teilweise unterschätzte Rolle spielen. Eine gute Vitaminversorgung müsse daher ein wichtiges Ziel der Ernährungsberatung sein. In erster Linie gelte es, durch eine ausgewogene Ernährung einer schleichenden Unterversorgung mit Vitaminen entgegenzuwirken. Die Einnahme eines Multivitaminpräparates könne sinnvoll sein, um die Versorgung zu optimieren bzw. Ernährungslücken zu schließen. Eine gesteigerte Zufuhr von Vitaminen könne jedoch keinesfalls einen ungesunden Lebensstil kompensieren. ral
Quelle Vorträge von Prof. Dr. H.-K. Biesalski, Prof. Dr. O. Pabst, Priv.-Doz. Dr. S. Weber, Prof. Dr. A. Zittermann; 3. Hohenheimer Ernährungsgespräch: Vitamine und Immunsystem, 12. April 2010, Stuttgart-Hohenheim.
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