Reisemedizin

Arzneimittel auf Flugreisen

Was es bei der reisemedizinischen Beratung alles zu beachten gilt

Von Dr. Holger Wicht

Durch Flugreisen sind immer weiter entfernte Ziele immer leichter zu erreichen. Was früher schon fast eine Expedition darstellte, findet man heute im Programm jedes Last-minute-Anbieters. Auch sind solche Reisen nicht mehr nur ein Abenteuer nur für Junge, sondern werden zunehmend auch von Älteren unternommen, also auch von Menschen mit Vorerkrankungen. Dementsprechend stellt die Beratung zur Reiseapotheke in der Apotheke eine wachsende Herausforderung dar. Dabei muss bei der Auswahl der Medikamente auch eine bereits bestehende Medikation berücksichtigt werden sowie die zugrunde liegende Erkrankung. Vor allem bei längeren Flugreisen spielen noch weitere Punkte eine Rolle. Einige dieser Faktoren sollen nachfolgend exemplarisch beleuchtet werden.

Wichtiges Beratungsfeld Die Zusammenstellung einer Reiseapotheke sollte stets individuell erfolgen. Was alles hinein gehört, lässt sich nur in einem ausführlichen Gespräch feststellen.
Foto: ABDA

Die meisten Dinge sind bereits vor Antritt der Reise zu organisieren. Neben der eventuell nötigen Durchführung einer Reiseimpfung gehört dazu das Packen der Reiseapotheke, die individuell bestückt werden muss. Dabei müssen Parameter wie die Zusammensetzung der Reisegruppe (Anzahl, Alter, Vorerkrankungen), das Reiseziel (Klima, Infrastruktur und Versorgung im Zielland), der Reisestil (all inclusive oder Aktiv-Urlaub) und die Reisedauer berücksichtigt werden. Allein bei der Betrachtung dieser Punkte wird klar, dass eine fertig bestückte Standard-Reiseapotheke diesen Kriterien niemals genügen kann. Die Reiseapotheke ist daher ein weites und wichtiges Feld für die Beratung in der Apotheke.

Auf die Darreichungsform achten

Gerade Flugreisen erfordern eine spezielle Betrachtung. Zunächst einmal sollte die Mitnahme von Säften und Tropfen möglichst vermieden werden. Durch den Druckunterschied im Flugzeug besteht zum einen die Gefahr des Auslaufens. Zum anderen müssen Flüssigkeiten im Handgepäck generell bei der Sicherheitskontrolle extra herausgelegt werden. Jedes Behältnis darf nur ein maximales Fassungsvermögen von 100 ml Flüssigkeit haben und muss in einem durchsichtigen Plastikbeutel mit Zipper transportiert werden. Der Beutel darf insgesamt ein Fassungsvermögen von maximal einem Liter haben. Diese Bestimmung gilt auch für Arzneimittel. Ist neben einer flüssigen auch eine feste Darreichungsform von einem Arzneimittel verfügbar, stellt letztere somit die bessere Wahl für Flugreisende dar.


Empfehlungen für WM-Reisende


Südafrika als Austragungsland der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft ist ein Reiseland mit besonderer Aktualität. Wie die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin mitteilt, grassiert derzeit dort eine Masernepidemie, die schon zu Ansteckungen bei deutschen Reisenden und zur Weiterverbreitung nach Rückkehr geführt hat. Allen Südafrika-Reisenden wird daher dringend empfohlen ihren eigenen Impf- oder Immunstatus überprüfen und sich bei fehlendem Schutz unbedingt impfen zu lassen.

Neben fälligen Auffrischimpfungen gegen Wundstarrkrampf, Diphtherie, Kinderlähmung und Keuchhusten ist für alle Reisende auf jeden Fall die Impfung gegen Hepatitis A empfehlenswert, auch wenn sie nur die Spiele in den großen Städten besuchen. Sehr sinnvoll ist auch ein Impfschutz gegen Meningokokken-Meningitis, Hepatitis B und die Grippe, deren Saison in der Südhalbkugel gerade zu dieser Zeit stattfindet. Bei Reisen über Land kann zudem eine Impfung gegen Typhus und Tollwut sinnvoll sein.

Derzeit tritt in Südafrika zudem das gefährliche Rifttal-Fieber auf. Das Ansteckungsrisiko ist jedoch weitgehend begrenzt auf Aufenthalte in ländlichen Gebieten und den direkten Kontakt zu infizierten Weidetieren (Ziegen, Schafe, Kühe). Zur Vorbeugung gehören Mückenschutzmaßnahmen, die auch gegen das in Südafrika vorkommende West-Nil-Fieber und die Malaria wirksam sind.

Ein Malariarisiko besteht derzeit in der Limpopo und Mpumalanga Provinz, in KwaZulu-Natal und dem Krüger Nationalpark. Dies ist im Juni/Juli während des dortigen Winterhalbjahres jedoch relativ gering. Die Austragungsstätten der WM selbst liegen alle in Malaria-freien Städten.

Vor allem bei Tierparkbesuchen sind Schutzmaßnahmen gegen Zecken anzuraten, da diese das in Südafrika sehr häufige Zeckenbissfieber übertragen können.

Ins Handgepäck oder den Laderaum?

Es besteht nun die Möglichkeit, Medikamente im Handgepäck zu transportieren oder im Koffer im Laderaum. Welche Empfehlung ist besser? Im Laderaum eines Flugzeuges herrschen normalerweise Temperaturen um 10°C, jedoch können je nach Flugzeugtyp auch Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes auftreten. Einige Medikamente wie Insulin werden durch Einfrieren unwirksam. Kapseln mit Flüssigfüllung (z. B. Nitroglycerin, Nifedipin) können brechen. Auch TTS-Pflaster (Schmerzpflaster, Hormonpflaster) dürfen nicht einfrieren. Problematisch sind auch proteinhaltige Medikamente und Emulsionen. Derartige temperaturempfindliche Medikamente gehören daher ins Handgepäck. Isoliertaschen einfacher Form sind als Temperaturschutz in der Regel ungeeignet, da relativ schnell ein Temperaturausgleich stattfindet.

Treibgashaltige Medikamente (Asthmasprays) können bei Temperaturen über 50°C bersten, Kälte vertragen sie hingegen problemlos. Sie können daher im Koffer transportiert werden, sofern sie nicht während des Fluges benötigt werden. Pulverinhalatoren sind hinsichtlich Druck und Temperatur unproblematisch, sie sollten nur nicht feucht werden, z. B. durch Kondenswasser bei Temperaturschwankungen. Davor schützt eine einfache Plastiktüte.

Ins Handgepäck gehören also alle Medikamente, die während des Fluges benötigt werden sowie alle temperaturempfindlichen Arzneimittel.

Doppelte Menge einpacken

Wer aufgrund chronischer Erkrankungen darauf angewiesen ist, regelmäßig Medikamente einzunehmen, sollte auf Flugreisen das Doppelte des zu erwartenden Bedarfs einpacken. Unter Beachtung der oben angeführten Einschränkungen sollte die Hälfte der Arzneimittel ins Handgepäck, die andere Hälfte in den Koffer gepackt werden. So kann man Versorgungsprobleme durch Gepäckverlust vermeiden. Als positiven Nebeneffekt hat man durch die doppelte mitgeführte Menge eine Reserve bei Flugverzögerungen – aktuelles Beispiel: Vulkan-Aschewolke. Bei wichtigen Medikamenten macht es unter Umständen und je nach Reiseland Sinn, dem Patienten Informationen darüber mitzugeben, wie das Medikament im Zielland heißt. Im Notfall – Totalverlust – ist dann Ersatz leichter zu beschaffen.

Was den Sonnenschutz anbelangt, so sollten Allergiker darauf hingewiesen werden, dass sie ihr Sonnenschutzmittel am besten noch in Deutschland kaufen, da hier im Gegensatz zu vielen anderen Ländern PHB-Ester nicht mehr verwendet werden.


Bescheinigungen online Auf der Website des BfArM stehen Vordrucke für das Mitführen von Betäubungsmitteln zum Download bereit.

Eine Frage der Einfuhrgenehmigung

Dass die Mitnahme von Spritzen und Kanülen bei der Einreise in viele Länder problematisch sein kann, weil man sich dem Verdacht des Drogenmissbrauchs aussetzt, ist hinlänglich bekannt. Doch stehen in vielen Ländern auch aus unserer Sicht "banale" Wirkstoffe auf der Liste der reglementierten Medikamente. So umfasst die Liste dieser Wirkstoffe in den Vereinigten Arabischen Emiraten rund 50 Seiten. Geradezu legendär ist die Geschichte eines Reisenden, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten verhaftet wurde, weil sich Mohnspuren an seiner Kleidung fanden – von einem Mohnbrötchen am Heimatflughafen! Wer also plant, stark wirksame Medikamente oder Spritzen und Kanülen mitzunehmen (Thrombose-Spritzen!), sollte vor allem bei Reisen in arabische oder asiatische Länder ein entsprechendes ärztliches Attest mitführen (Vordrucke hierfür findet man z. B. unter www.high-mountains.de). Bei Reisen in arabische Länder sollten hier auch die Mengen der mitgeführten Medikamente genau angegeben werden. Ansonsten gerät der Reisende möglicherweise in Rechtfertigungsnot, warum er eine ganze Packung Reisetabletten mitführt, obwohl doch für Hin- und Rückflug nur zwei Tabletten gebraucht werden.

Träger von Endo-Prothesen (Hüftgelenke, Schrittmacher, Insulinpumpen) sollten ihren Implantat-Ausweis nicht vergessen. Des Weiteren sollte man bei der Flughafenkontrolle schon vor der Überprüfung auf die Prothese verweisen, damit die Steuerelektronik z. B. eines Herzschrittmachers nicht von der Strahlung der Sicherheitsgeräte gestört wird.

Die Mitnahme von Betäubungsmitteln ist innerhalb von Staaten des Schengener Abkommens relativ unproblematisch. Eine entsprechende Bescheinigung findet sich unter www.bfarm.de/cln_028/nn_424418/DE/Bundesopiumstelle/BtM/rechtsgrund/hinweise-auslandsreisen.html. Jedoch sind auch hier die landesspezifischen Bestimmungen zu beachten, so wird z. B. Ketamin nur in Italien als BTM betrachtet. Bei Reisen in Staaten außerhalb des Schengener Abkommens gibt es für die Mitnahme von BTM keine einheitlichen Regelungen. Es sollte daher unbedingt die vorherige Kontaktaufnahme mit der jeweiligen Botschaft empfohlen werden, um die Möglichkeiten der Mitnahme abzuklären.

Alle oben aufgeführte Bescheinigungen sind mehrsprachig abgefasst und daher für die meisten Länder ausreichend. Bei Reisen in Länder abseits der üblichen Touristen-Pfade ist es jedoch ratsam, eine Bescheinigung in Landessprache mitzuführen. Denn gelegentlich mangelt es dem Kontrollpersonal an Fremdsprachen-Kenntnissen – manchmal sogar an Lesefertigkeiten.

Bestimmungen für Schwangere

Bei einer Schwangerschaft bestehen bis zum 7. Monat keine Bedenken gegen eine Flugreise. Ab dem 8. Monat verlangt die Fluggesellschaft ein Attest, in dem der Arzt bescheinigt, dass mit keiner Frühgeburt oder Komplikationen zu rechnen ist. Im 9. Monat besteht Flugverbot.

Maßnahmen zur Thromboseprävention

Vor allem auf Langstreckenflügen besteht ein erhöhtes Thrombose-Risiko. Gefährdet sind vor allem Frauen und über 50-Jährige. Durch langes Sitzen staut sich das Blut in den Venen und die Gefahr steigt, dass sich Blutgerinnsel bilden. Vorbeugend kann empfohlen werden, viel zu trinken – etwa zwei Gläser Mineralwasser pro Stunde –, da durch die trockene Luft im Flugzeug viel Flüssigkeit abgeatmet wird. Wadenpumpen sind ebenfalls ein guter Tipp zur Thromboseprävention: Fußspitzen und Fersen abwechseln anheben bzw. durchdrücken. Aufstehen und Umherlaufen wird von den Fluggesellschaften nicht gern gesehen. Wegen der Gefahr plötzlich auftretender Luftturbulenzen sehen die Airlines den Fluggast am liebsten angeschnallt. Thrombose-Prophylaxe-Strümpfe oder Kompressionsstrümpfe unterstützen die Venenklappen und sind ebenfalls gut geeignet, das Risiko zu senken. Bei bekannter Thrombose-Neigung sollte der Reisende vor Reiseantritt nochmals an den Arzt verwiesen werden. Er wird entscheiden, ob eine vorbeugende Heparinisierung infrage kommt. Da die Heparin-Gabe ebenfalls Risiken mit sich bringt, kann die generelle Gabe bei Langstreckenflügen nicht pauschal empfohlen werden. Die Anwendung von Acetylsalicylsäure zur Prophylaxe der Reisethrombose wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert, deshalb ist auch hier eine Rücksprache mit dem Arzt angeraten.

Tipps gegen Flugbeschwerden

Durch den geringeren Druck in den Kabinen können leicht Ohrenschmerzen auftreten. Beim Start kann deshalb das Lutschen eines "Start-Bonbons" den Druckausgleich über die Eustachische Röhre erleichtern. Dies funktioniert jedoch nur beim Steigflug (abnehmender Außendruck). Im Landeanflug ist die Valsalva-Methode geeignet: Nase zuhalten und Luft in die Nase pressen, bis es in den Ohren knackt. Bei bestehenden Erkältungskrankheiten können auch vor dem Start und der Landung abschwellende Nasentropfen empfohlen werden, um den Druckausgleich zu erleichtern.

Falls die trockene Kabinenluft die Nasenatmung behindert, helfen Nasensprays auf Meerwasser-Basis. Empfindliche Kontaktlinsenträger sollten wegen der geringen Luftfeuchtigkeit während des Fluges lieber eine Brille tragen.

Patienten mit Neigung zu Blähungen kann wegen des geringeren Kabinendrucks vorbeugend ein entschäumendes Mittel empfohlen werden. Auch sollten blähende Speisen zwei Tage vor Reiseantritt gemieden werden.

Wer zum Tauchen in den Urlaub fliegt, sollte noch beachten, dass Medikamente gegen Reiseübelkeit die Empfindlichkeit für Tiefenrausch erhöhen, weswegen am Ankunftstag nicht bzw. nicht tief getaucht werden sollte.

Darauf sollten Diabetiker achten

Diabetiker sollten Insulin im Handgepäck mitführen. Es verliert seine Wirkung, wenn es einfriert. Teststreifen können sie dagegen zusammen mit dem Gerät im Koffer transportieren, soweit sie nicht während des Fluges benötigt werden. Die Geräte vertragen Minusgrade, allerdings sollte man darauf hinweisen, dass man den Messgeräten vor der nächsten Messung zwei Stunden Zeit für den Temperaturausgleich geben sollte. Erinnern Sie die Patienten auch daran, dass sie Ersatzbatterien nicht vergessen!

Blutzuckermessungen werden mit zunehmender Höhe durch den sinkenden Sauerstoffpartialdruck ungenau. Aktuelle Geräte messen bis etwa 3000 m Höhe zuverlässig. Da der Kabinendruck im Flugzeug einer Höhe von ca. 2300 m entspricht, ist eine Messung im Flugzeug kein Problem. Pen-Verwender sollten einige U-100-Spritzen als Reserve einpacken, falls Defekte am Pen auftreten.

Insulinpflichtige Diabetiker, die vor den Mahlzeiten Insulin spritzen, sollten dies während des Fluges erst tun, wenn die Mahlzeit vor ihnen steht. Wer das Insulin in Erwartung des Essens verabreicht, hat ansonsten Probleme, wenn die Stewardess zwei Reihen vorher die Verteilung wegen Luftturbulenzen einstellt. Traubenzucker daher nicht vergessen!

Während eines langen Fluges sollte der Blutzuckerspiegel generell öfter kontrolliert werden. Zeitverschiebungen machen bei Arzneimitteln wie Insulin, das gekoppelt an Mahlzeiten verabreicht wird, prinzipiell wenige Probleme. Verlängert sich der Tag für den Patienten, muss unter Umständen zusätzlich Insulin gespritzt werden, wird der Tag kürzer, dann entsprechend weniger. Das Ausmaß lässt sich mit folgender Faustregel leicht berechnen: Die innerhalb von 24 Stunden nötige Insulindosis reduziert sich um den Bruchteil, der sich aus der Zeitverschiebung ergibt. Ein Beispiel: Wenn man bei einer Reise nach Ostasien seine Uhr um sechs Stunden vorstellt, reduziert sich der Insulinbedarf am Reisetag um 6/24, also um ein Viertel. An den folgenden Aufenthaltstagen im Gastland braucht man dann die normalen Insulindosen – natürlich nach entsprechender Blutzuckerkontrolle, damit auch die jeweilige Kost und die Bewegung berücksichtigt werden. Bei Reisen Richtung Westen gelten die umgekehrten Vorzeichen, d. h. die Insulinmenge ist entsprechend der Zeitverschiebung am Reisetag zu erhöhen, zweckmäßigerweise durch eine zusätzliche Insulindosis.

Das beugt dem Jetlag vor

Bei Zeitverschiebungen durch lange Flugreisen beträgt die Toleranz des Körpers etwa zwei Stunden. Für den Organismus von Bedeutung wird die Verschiebung, wenn mindestens drei Zeitzonen auf einmal überschritten werden. Es kommt dann zum "Jetlag", zur Desynchronisation der inneren Uhr. Als Maßnahme zur Optimierung der Zeitumstellung sollten insbesondere externe Zeitgeber am Zielort bewusst eingesetzt werden: Licht, Kontakt, Aktivität, Essen. Die Empfehlung lautet, sich unmittelbar nach der Ankunft an dem lokalen Tagesrhythmus zu orientieren und Tagschlaf zu vermeiden. Belastungen sollten am ersten Tag vermieden werden.

Zeitumstellung und Arzneimitteleinnahme

Ein weiteres Problem, das die Zeitverschiebung mit sich bringt, entsteht für Patienten, die Medikamente dauerhaft einnehmen müssen. Bei Medikamenten wie Antibiotika kommt es darauf an, einen bestimmten Wirkstoffspiegel im Körper konstant aufrechtzuerhalten. Man sollte sie deshalb immer im gleichen Abstand einnehmen. Andere Medikamente wie Glucocorticoide müssen dem circadianen Rhythmus des Organismus angepasst werden. Man geht von einer "Anpassungsgeschwindigkeit" von etwa zwei Stunden pro Tag aus. Folglich werden diese Medikamente bei Reisen ostwärts dann jeden Tag zwei Stunden früher, westwärts zwei Stunden später eingenommen, bis der Einnahmezyklus wieder komplett ist.

Ein Beispiel:

Zeitverschiebung: Minus sechs Stunden (z. B. Flug Mitteleuropa – USA)

  • übliche Einnahme um 8 Uhr MEZ
  • Einnahme am Abflugtag um 10 Uhr MEZ
  • 1. Tag: Einnahme 6 Uhr Ortszeit USA
  • 2. und jeder weitere Tag: Einnahme um 8 Uhr Ortszeit USA.

(Die Umstellung erfolgt beim Rückflug analog der Zeitverschiebung plus sechs Stunden)

Empfängnisverhütung auf Reisen

Besonderheiten kann es bei der Verwendung der "Pille" geben. Bei der Verhütung mit Kombinationspräparaten wird die Pille normalerweise alle 24 Stunden genommen. Der Empfängnisschutz ist jedoch gewährleistet, wenn zwischen zwei Einnahmen nicht mehr als 36 Stunden liegen. Wenn die Zeitverschiebung am Zielort nicht mehr als zwölf Stunden beträgt, kann die Pille also zur gewohnten Uhrzeit eingenommen werden. Einen Sonderfall stellt die Minipille dar. Sie enthält nur Gestagen. Anders als bei den Kombinationspräparaten beeinträchtigt bei der Minipille schon eine Zeitverschiebung von mehr als drei Stunden den Empfängnisschutz. Denn die Minipille muss exakt alle 24 Stunden genommen werden. Bei einer Zeitverschiebung ab drei Stunden sollte eine zusätzliche Pille zwölf Stunden nach der letzten Einnahme genommen werden. Eine Ausnahme bildet hier lediglich ein Präparat mit dem Wirkstoff Desogestrel. Bei diesem Präparat kann die Einnahme um bis zu zwölf Stunden verschoben werden, ohne den Empfängnisschutz zu gefährden.

Magen- und Darmstörungen können den Schutz der oralen Kontrazeptiva beeinträchtigen. Sollte innerhalb von vier Stunden nach Einnahme der "Pille" Erbrechen oder Durchfall auftreten, ist der Schutz vor einer Schwangerschaft nicht sicher gegeben. Es empfiehlt sich daher die Einnahme einer weiteren Tablette innerhalb von zwölf Stunden. Danach ist die Einnahme der restlichen Tabletten wie gewohnt fortzusetzen.

Medikamentenkauf vor Ort?

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Frage: Medikamente aus Deutschland mitnehmen oder im Reiseland kaufen? Oftmals werden für die Reise mehrere tausend Euro bezahlt, jedoch beim Durchfall-Mittel etc. wird gespart, weil man es im Ausland preiswerter zu kaufen glaubt.

An dieser Stelle seien ein paar Fragen gestellt, die zum Nachdenken anregen sollen und in der Beratung beachtenswerte Argumente darstellen können:

  • Gibt es im Zielland eine Rezeptpflicht? Wie sieht sie aus?
  • Gelten deutsche Rezepte? Sind diese im Zielland lesbar/verständlich?
  • Wie heißt das Medikament im Zielland?
  • Wie sind die zivilisatorischen Standards?
  • Erfolgt die Lagerung vorschriftsmäßig?
  • Gibt es Verfalldaten und werden sie beachtet?
  • Wie hoch ist das Fälschungsrisiko?

Vor allem das Fälschungsrisiko ist in einigen Ländern unkalkulierbar (z. B. Indien, Syrien, Vereinigte Arabische Emirate). Deshalb kann hier die Empfehlung nur lauten: Medikamente, bei denen es auf eine sichere Wirkung ankommt, sollten in Deutschland gekauft werden. Hier ist die Arzneimittelsicherheit immer noch auf höchstem Niveau. Denn sonst kann es am Ende heißen: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker oder erleben Sie Risiken und Nebenwirkungen!

Autor 

Dr. Holger Wicht, 
Stadt-Apotheke Meiningen, 
98617 Meiningen, 
h.wicht@stadt-apotheke-meiningen.de
 

 

Literaturtipp


Urlaubs-, Kultur- und Geschäftsreisende haben täglich millionenfach Kontakte in anderen Ländern. Sie sind dort mit in Europa unbekannten Krankheiten konfrontiert, aber auch mit Unfällen, plötzlichen Schmerzzuständen und prekären hygienischen Verhältnissen. Schließlich können bekannte chronische Vorerkrankungen im Ausland zu Komplikationen führen.

Das von 20 Fachautoren geschriebene Handbuch vermittelt Ärzten, Apothekern und Reiseveranstaltern das für eine gute Beratung notwendige Wissen. Es

– leistet die professionelle Vorbereitung privater und beruflicher Reisen und Arbeitsaufenthalte im Ausland,

– schärft den Blick des Reisenden für gesundheitliche Risiken,

– entwickelt vorbeugende Maßnahmen je nach individuellem Bedarf,

– nennt Ansprechpartner bei Erkrankungen nach der Rückkehr.

Rieke, Burkhard / Küpper, Thomas / Muth, Claus-Martin (Hrsg.)

Moderne Reisemedizin. Ein Handbuch für Ärzte und Apotheker

680 Seiten. 204 Abbildungen. 80 Tabellen. Kartoniert

Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, 2010; Euro 59,–

ISBN 978-3-7692-5037-4


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