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Aus Kammern und Verbänden
Sebastian Schmitz: "Die Welt ist keine Scheibe mehr"
"Unsere Arbeit lässt sich gut mit einem Eisberg vergleichen", erklärte Schmitz anschaulich. "Auch für uns passt das Bild, dass nur etwa 20 Prozent der von uns übernommenen Aufgaben bis in die Mitgliedsorganisationen hinein erkennbar sind. Die restlichen 80 Prozent hängen unten dran. Das ist hauptsächlich das, was im Vorfeld und Umfeld von Vertragsabschlüssen zu bewältigen ist. Aber auch die juristische Begleitung, die fachlich Vor- und Nachbereitung von Sitzungen hält uns auf Trab."
Verträge verhandeln beschäftigt viele Köpfe
Doch auch laufende Vertragsbeziehungen bereiten viel Arbeit: "Denn das Vertragsgeschäft ist ein starkes Kontinuum. Verträge müssen laufend angepasst, nachverhandelt oder neu verhandelt werden." Hier nannte Schmitz beispielsweise die Rahmenverträge nach § 129 und 300 SGB V. Doch auch neue Dienstleistungsverträge, die der Deutsche Apothekerverband (DAV) für die Apothekerinnen und Apotheker bundesweit abschließt, sowie die Gestaltung des § 130a SGB V rund um die Abwicklung der Rabattverträge beschäftigt seinen Bereich zunehmend.
Zum Glück erhalten ABDA und DAV hier auch Unterstützung durch die Mitgliedsorganisation. Schmitz lobte ausdrücklich den LAV Baden-Württemberg: "Durch die Geschäftsführerin Ina Hofferberth, die in vielen Vertragsverhandlungen sehr kämpferisch für alle Apothekerinnen und Apotheker eintritt, wird uns auch einiges abgenommen. Ohne solch eine Unterstützung geht es kaum."
Die Abteilung von Dr. Schmitz steht den Mitgliedsorganisationen mit Rat und Tat zur Seite, wenn es u. a. um Auslegungsfragen der Bundesverträge oder um eine allgemeine Rechtsberatung bei eigenen Vertragsverhandlungen geht. Auch der Schutz des Apotheken-A gehört zu seinen Aufgaben.
Die Abteilung pflegt einen engen Kontakt mit der ABDATA, damit die verhandelten Vertragsinhalte auch umgehend in den EDV-Daten in den einzelnen Apotheken umgesetzt und abgebildet werden können. "Ohne diese EDV-Unterstützung wäre die Umsetzung der einzelnen Verträge für die Apotheken in ihrer Fülle gar nicht mehr leistbar", ist Schmitz klar. Als aktuelle Arbeitsschwerpunkte seines Teams nannte Schmitz
- den Streit um Kriterien für Arzneimittelauswahl (Indikationsgleichheit, Packungsgrößen, Musterprozess),
- das Fehlerkorrekturverfahren beim Herstellerrabatt,
- die Zytostatikaversorgung,
- neue Hilfsmittellieferungsverträge,
- Ausschreibungen und Kartellverfahren,
- Dienstleistungsverträge.
Vertragswelt im Wandel
Wie wird sich die Vertragsarbeit in der Zukunft verändern? Schmitz prognostiziert hier eine Trendwende. "Wir werden von den aktuellen Selektivverträgen wieder zu mehr Kollektivverträgen kommen. Erste Anzeichen sehe ich schon im Hilfsmittelbereich. Die Kassen lernen gerade, dass es nicht umzusetzen ist, wenn alles einzeln verhandelt werden muss." Weil man bei den Kassen hier entsprechendes Personal aufgebaut hat, werde es ein schnelles Zurückrudern nicht geben. "Doch auf Sicht werden hier bestimmt Konsequenzen gezogen", ist sich Schmitz sicher. Künftig werde es auch eine stärkere Trennung zwischen GKV-Grundversorgung und Zusatzleistungen geben. Beispielsweise werden Zusatzverträge mit ausgewählten Apotheken zunehmen. "Nicht mehr alle Apotheken werden alles machen. Der Trend geht hin zur Spezialisierung auf bestimmte Gesundheitsthemen oder Kundengruppen." Es wird weniger Krankenkassen, aber mehr Verträge geben. Darin sieht Schmitz aber auch einen Schutz für die Apotheken: "Ein funktionierendes Vertragssystem schützt uns auch vor Kettenstrukturen." Sollte die Front der Apotheker, was das Vertragswesen angeht, bröckeln, könne dieser Schutz aber nicht mehr wie in der Vergangenheit gewährleistet werden.
Schmitz‘ Schlussappell lautete: "Die Welt ist keine Scheibe mehr, auch bei den Vertragsverhandlungen nicht mehr. Hier müssen die einzelnen Mitglieder aufgeklärt werden. Wir gehen heute nicht mehr in Vertragsverhandlungen und diktieren dem Vertragspartner, was wir wollen. Es wäre gut, wenn alle Kritiker aus den eigenen Reihen mal eine Vertragsverhandlung live miterleben." Die Kassen haben vor allem eines im Blick: "Die wollen aus solchen Verhandlungen in die Häuser zurückkehren und zeigen, wie viel eingespart wurde. Viele Verträge werden heute von den Kassen nur noch nach dem Muster ‚Vogel friss oder stirb zur Unterschrift vorgelegt." Schmitz sieht ein Problem allerdings auch in der Kollegenschaft: "Wir testen in Verhandlungen häufig die harte Linie aus und machen deutlich, dass mit dem DAV hier kein Vertragsabschluss zustande kommt. Aber dann gehen die Kassenvertreter los und sprechen mit einzelnen Apothekerkollegen, und die durchbrechen die harte Linie, weil es genau Ihre Kollegen sind, die sagen, naja, bevor ich dann eine Leistung gar nicht mehr machen darf, mach ichs eben zum Dumpingpreis."
AOK-Rabattstreit: Keine Retaxationen
In seinem Bericht zur Lage klärte LAV-Präsident Fritz Becker über den Sachstand rund um die AOK-Rabattverträge auf. Am Vorabend hatte er ein entscheidendes Gespräch mit dem GKV-Spitzenverband und Dr. Christopher Hermann geführt. Alle hätten mit großer Dringlichkeit eine sofortige Regelung durch das Bundesgesundheitsministerium gefordert. Sollte das nicht gelingen, müsse auf vertraglichem Wege Rechtssicherheit geschaffen werde. Bis zu einer Klärung wurde eine Friedenspflicht vereinbart. Das bedeutet konkret, dass die Kassen zugesagt haben, nicht zu retaxieren.
Becker erinnerte daran, dass die Koalition sich eindeutig für das Pick-up-Verbot ausgesprochen hat; das Bundesjustizministerium ist nun zu einer Stellungnahme aufgerufen. Als Knackpunkte bezeichnete Becker die Großhandelsspanne sowie die Rabattverträge. Diese sollen künftig den Patienten über eine Mehrzahlungsmöglichkeit mehr Versorgungsvielfalt gewähren.
Internes
Der Haushaltabschluss für das Jahr 2009 und der Haushaltsansatz für 2010 wurden durch den Schatzmeister Theodor Reinert und die Geschäftsführerin Ina Hofferberth erläutert und vom Beirat einstimmig gebilligt. Die Mitgliederversammlung des LAV wird am 14. Juli über die Budgets abstimmen.
Nach über 30-jähriger Tätigkeit in eigener Apotheke ist Dr. Otto Kranz aus Wangen in den Ruhestand getreten. In seiner Laudatio ehrte Fritz Becker sein großes Engagement auch während seiner Zeit als Sprecher der Region Oberschwaben, die Kranz seit 2010 geleitet hatte. Es wurde beschlossen, für den Rest der laufenden Amtsperiode keinen Beirat nachzuwählen. Der Region steht derweil Martin Buck allein vor. Die Beiräte bestimmten zum Schluss der Sitzung die Delegierten für den im September stattfindenden Deutschen Apothekertag in München.
LAV Baden-Württemberg
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