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Prävention
Die babyfreundliche Apotheke
Die Motivationfür das Projekt
Als Apothekerin erlebt Karin Muß, dass immer mehr werdende und junge Mütter die Apotheke aufsuchen, um zu Themen wie Kinderwunsch, pränatale Versorgung, Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit oder Stillhilfsmittel beraten zu werden. Diese interdisziplinären Sachgebiete werden allerdings kaum oder gar nicht in den Ausbildungsplänen der Pharmazeuten und PTAs berücksichtigt. Schon in ihren Ausbildungen zur LaLecheLiga-Stillberaterin und zur Still-und Laktationsberaterin IBCLC hörte Apothekerin Muß von Experten immer wieder deutliche Kritik über die unzureichende Beratung von Schwangeren und Stillenden in Apotheken. Aus dieser Situation heraus entstand ihre Idee, eine entsprechende zertifizierte Ausbildung für das Apothekenpersonal anzubieten und hierüber eine differenzierende Positionierung als "Babyfreundliche Apotheke" ähnlich der Auszeichnung "Babyfreundliches Krankenhaus" der WHO/Unicef-Initiative "Babyfreundliches Krankenhaus" e.V. zu schaffen.
Ziel und Zielgruppen
Ziel des Projekts ist es, die Beratungskompetenz und die damit verbundene Beratungsqualität für Schwangere, Stillende und Eltern mit Babys in den Apotheken zu optimieren und dauerhaft auf dem aktuellen Wissensstand zu halten. Durch die umfassende Arzneimittel-, Ernährungs- und Stillberatung bietet die "Babyfreundliche Apotheke" eine weitere Dienstleistung im Rahmen der Gesundheitsprävention. Die Endverbraucher-Zielgruppen sind demnach werdende und junge Eltern.
Das strategische Ziel dieses Projekts ist die Positionierung des Begriffs "Babyfreundliche Apotheke" als bundesweit bekanntes und anerkanntes Qualitätsmerkmal. Die Fach-Zielgruppe hierfür sind in erster Linie Apotheken. Zudem wurden und werden weitere Netzwerkpartner für das Projekt gewonnen wie Gynäkologen, Hebammen, Entbindungskliniken, Kinderärzte, freiberufliche Kinderkrankenschwestern, Stillberaterinnen, Osteopathen, Homöopathen und andere in der Elternbetreuung Tätige.
Das Projekt
Die "Babyfreundliche Apotheke" ist ein neuartiges, zielgruppenorientiertes Unternehmenskonzept für Apotheken, das mehrere Aspekte in sich vereint: Der erste Aspekt ist die Gesundheitsprävention von Mutter und Kind auf Basis einer hervorragenden fachlichen und empathischen Beratung. Der zweite Aspekt ist die intensive und nachhaltige Kooperation mit Netzwerkpartnern, um eine optimale Betreuung der Kundinnen auch dann zu gewährleisten, wenn die Beratungsgrenzen der Apotheke erreicht sind. Der dritte und letzte Aspekt ist die Steigerung des Ansehens einer "Präsenz-Apotheke" sowohl bei Experten, als auch bei den Offizinkunden.
Für die Umsetzung dieses Unternehmenskonzeptes war es notwendig, die Beratungsqualität in einem speziellen QMS-Handbuch zu dokumentieren und den Zertifizierungsprozess festzulegen. Dieser Prozess bestimmt, dass alle "Babyfreundlichen Apotheken" ein speziell hierfür geschultes Mitarbeiterteam bereitstellen, das während der Hauptöffnungszeiten von
10 Uhr bis 18 Uhr die versprochene Beratungskompetenz gewährleistet. Eine weitere Voraussetzung für die Zertifizierung ist, dass die im QMS-Handbuch festgelegten "12 Standards zur kompetenten Beratung von Schwangeren, Stillenden und Eltern mit Baby" sowie der "Internationale WHO-Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten" umgesetzt bzw. eingehalten werden. Die an einer Zertifizierung interessierten Apotheken unterliegen demnach strengen Auflagen, die entsprechend begutachtet werden. Nur Apotheken mit einem positiven Gutachten erhalten nach der Zertifizierung für drei Jahre die Auszeichnung "Babyfreundliche Apotheke" und einen Fortbildungspass. Durch den Eintrag und Nachweis der nötigen Fortbildungspunkte erhält die Apotheke nach den drei Jahren die Rezertifizierung, wodurch eine weiterhin qualitativ hochwertige Beratung gewährleistet wird.
Als Material für die Kunden wurden bereits zu Aktionsbeginn mehrere unterstützende Handouts zu diversen Beratungsthemen erarbeitet. Hierzu zählten u. a. Aufbau der Milchproduktion, effektives Entleeren der Brust, Schnuller, Tipps bei wunden Mamillen, Soor auf den Mamillen und Probleme beim Zahnen. Zusätzlich wurden Informationsbroschüren zu den unterschiedlichsten Baby-Beratungsthemen für Experten und Kunden erstellt, die auch zur Zielgruppenakquisition genutzt werden. Redaktionelle Beiträge, die für die örtliche Presse verfasst wurden, dienten ebenfalls dazu, dieses neuartige Apothekenkonzept einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.
Im Rahmen des Projektes erhielten die teilnehmenden Apotheken einen Arzneimittelpass für Schwangere, Stillende und Säuglinge. Dieses Hilfsmittel erlaubt es der Apotheke die Medikation der werdenden Mutter, der Stillenden und des Babys in tabellarischer Form zu erfassen. Zusätzlich kann mit dem Pass die Gewichtsentwicklung des Kindes durch regelmäßigen Eintrag verfolgt werden.
Apothekerin Muß begann im Herbst 2005 mit den Vorarbeiten für dieses Projekt sowie mit den ersten Schulungen des Apothekenpersonals. Im Folgejahr wurden das QMS-Handbuch konkretisiert und die Qualifizierungskriterien und Standards ausgearbeitet. In 2007 erfolgte die Gründung des Vereins "Babyfreundliche Apotheke" e. V. Ihm gehören, neben Karin Muß als erster Vorsitzender, derzeit 88 Apotheken, 8 Firmen und 14 natürliche Personen an. Bereits im Januar 2008 erhielten die ersten zwei Apotheken das Qualitätssiegel "Babyfreundliche Apotheke".
Kosten und Kooperationen
Die Grundlagenschulung geht über drei bis vier Tage und dauert mindestens 24 Stunden. Die Kosten hierfür betragen, je nach Organisationsaufwand, 400 bis 500 Euro. An dieser Schulung müssen mindestens zwei (Vollzeit)-Mitarbeiter einer Apotheke teilgenommen haben, damit die Beratungsqualität der Apotheke tatsächlich dauerhaft gewährleistet ist.
Hinzu kommen die Kosten für das QMS-Handbuch (200 Euro), die Zertifizierung (1500 Euro) und die Rezertifizierung (1000 Euro). Der Verein erhebt eine Aufnahmegebühr von 100 Euro und eine Jahresgebühr in Höhe von 300 Euro.
Die für die Apotheken aus der Teilnahme erzielten Umsatzsteigerungen sind individuell verschieden und unter anderem natürlich auch vom jeweiligen Standort abhängig. Tatsache ist, dass sich das Konzept nicht kurzfristig über einen höheren Umsatz und Gewinn auszeichnet. Die Apotheke festigt jedoch mittelfristig die Kundenbindung, sie gewinnt Neukunden und erreicht durch ihre klare Positionierung einen imagebezogenen Mehrwert.
Kooperationen ergeben sich grundsätzlich aus dem individuell aufgebauten Netzwerk der zertifizierten Apotheken. Typische Kooperationspartner sind Kliniken, Ärzte, Hebammen und Stillberaterinnen, Familienbildungszentren und Volkshochschulen.
Ergebnisse und Nachhaltigkeit
Der große Erfolg dieses Projektes zeigt sich an der stetig wachsenden Zahl von Apotheken, die sich im Zertifizierungsprozess befinden oder die den Zertifizierungsprozess bereits durchlaufen haben. Aber auch die Begeisterung der Kooperationspartner und die äußerst positiven Feedbacks der Mütter, die durch die kompetente Beratung der jeweiligen Apotheken unterstützt wurden, spornen den Verein und die Babyfreundlichen Apotheken an, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Das Projekt wird daher konsequent ausgebaut. Aufbauschulungen werden bereits angeboten. Für das Jahr 2010 sind eine gemeinsame Aktion mit dem Landesapothekerverband Baden Württemberg und eine Baby-Fachmesse speziell für Apotheken geplant.
Fazit
Das Projekt "Babyfreundliche Apotheke" ist eine inzwischen etablierte und anerkannte Erweiterung des Beratungsangebots in öffentlichen Apotheken. Es stärkt gezielt die Fachkompetenz der Apotheke und leistet zusätzlich einen hohen Beitrag zur Prävention im Gesundheitswesen.
Kontakt:Karin Muß, Babyfreundliche Apotheke e. V., Am Gries 6, 82041 Oberhaching,
E-Mail: info@unternehmen-baby.de, www.babyfreundliche-apotheke.de
Hauptsache Prävention"hauptsache prävention" – so nannte sich im vergangenen Jahr ein bundesweit ausgeschriebener Wettbewerb für Apotheken. Das WIPIG – Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen und die Deutsche Apotheker Zeitung hatten dazu aufgerufen, durchgeführte Projekte und Ideen für Projekte einzureichen, mit denen der Präventionsgedanke über die Apotheke ins Bewusstsein der Bevölkerung transportiert werden kann. Die nach Ansicht einer Jury zehn besten Projekte und Ideen wurden prämiert. Die DAZ stellt in loser Folge einige der Projekte und Ideen vor – auch als Anregung, sich für Prävention einzusetzen. Alle Projekte und Ideen des Wettbewerbs "hauptsache prävention" werden in einer Broschüre zusammengetragen, die in Kürze erhältlich sein wird. |
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